Übersichtsarbeiten - OUP 05/2024

Sport nach Knieendoprothetik
Was können wir unseren Patientinnen und Patienten sagen?

Christian Manuel Sterneder, Kimi Spilo, Friedrich Boettner

Zusammenfassung:
Vor dem Hintergrund, dass die Zahl an jungen Menschen, die eine Knieprothese erhalten, immer weiter steigt, stellt sich immer häufiger die Frage, welche Sportarten und welche Intensität der Sportausübung mit einer Knieprothese möglich sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach einer Knieprothese, Sport auf hohem Niveau in den meisten Studien nicht erreicht wird. Dies scheint jedoch zunehmend nicht an der Prothese selbst zu liegen. Hier gibt es Entwicklungen, wie beispielsweise die zementfreie Verankerung oder konforme Gleitpaarungen, die die Schwelle für High Impact Sport immer weiter senken und die dem Operateur Optionen geben, bei Patientinnen und Patienten mit hohem sportlichen Anspruch, die Implantatwahl individuell anzupassen. Neben patientenspezifischen Faktoren wie Alter, Gewicht, Nebenerkrankungen, präoperative Aktivität, Motivation, gelingt es auch den Operateuren noch nicht reproduzierbar, Knieprothesen zu implantieren, die funktionell eine hohe sportliche Aktivität ermöglichen. Unabhängig davon spielt sicher auch eine Rolle, dass in der Vergangenheit die Fachgesellschaften stärkere sportliche Aktivitäten nach Knieprothesenimplantation abgelehnt haben.
Gelingt es dem Operateur durch seine OP-Technik die funktionelle Fähigkeit für höhere Sportlevels zu erreichen, dann könnten durch zementfreie Verankerung, kongruente Gleitpaarungen wie bspw. medial pivotierend etc., eine Gelenkausrichtung innerhalb von 3 Grad und das Weglassen des Patellarückflächenersatzes die Voraussetzungen für High Impact Sportarten erfüllt sein, ohne, dass dies negative Auswirkungen auf die Überlebensrate des Implantats hat. Wenn diese Ergebnisse auch durch Studien untermauert werden, könnten auch die Fachgesellschaften ihre Empfehlungen entsprechend anpassen.

Schlüsselwörter:
Sport, Aktivität, Knie-Totalendoprothese, unikondylärer Ersatz, High Impact

Zitierweise:
Sterneder CM, Spilo K, Boettner F: Sport nach Knieendoprothetik. Was können wir unseren
Patientinnen und Patienten sagen?
OUP 2024; 13: 210–217
DOI 10.53180/oup.2024.0210-0217

Summary: In light of the fact, that the number of young people undergoing knee arthroplasty is increasing, the question of which types of sport and what intensity of sport is possible after knee arthroplasty is becoming increasingly important. According to the literature patients, especially those with a total knee arthroplasty, do still not achieve high level sports. However, this is not just a problem of the implant itself. There have been developments in implant design like uncemented fixation, medial pivoting bearings etc., that allow the surgeon to adjust their implant choice to the level of sport and physical activity. Beside patient-specific factors like age, weight, coexisting diseases, preoperative activity, and patient motivation it is the surgeon that struggles to implant the knee arthroplasty to accommodate the function level required for high level sport. In addition, most specialty societies have advised against high level sport after knee arthroplasty. However, should the surgeon find ways to implant a knee arthroplasty to accommodate the function level required for high level sports, then utilizing uncemented fixation, high congruency bearings like medial pivoting or ultracongruent etc., restricted alignment targets within 3 deg of neutral and avoiding patella resurfacing might allow for higher activity levels without compromising the long term survival of the implant. Once this has been confirmed by research studies it is likely that the specialty societies will adjust their recommendations.

Keywords: sport, activity, total knee arthroplasty, unicompartmental arthroplasty, high impact

Citation: Sterneder CM, Spilo K, Boettner F: Sport after knee arthroplasty. What can we tell our patients?
OUP 2024; 13: 210–217. DOI 10.53180/oup.2024.0210-0217

Adult Reconstruction and Joint Replacement Service, Hospital for Special Surgery, New York

Einleitung

Sport ist für viele Menschen, auch bis ins hohe Alter, ein wichtiger Lebensbestandteil und trägt zu einer guten Lebensqualität bei [1–3]. Vor dem Hintergrund, dass die Zahl an jungen Patientinnen und Patienten, die eine Knieprothese erhalten, immer weiter steigt [4], ist davon auszugehen, dass viele Patientinnen und Patienten auch nach Implantation einer Knieprothese sportlich aktiv sein wollen [3, 5]. Mit der Zunahme der jungen Patientinnen und Patienten nehmen auch die funktionellen Anforderungen zu und die Patientinnen und Patienten haben hohe Erwartungen an das postoperative Aktivitätsniveau [2, 6, 7]. Daher wird der Erfolg der Knieendoprothetik zunehmend auch an der Fähigkeit zur Rückkehr zu Sport- und Freizeitaktivitäten gemessen [6]. Orthopäden und Unfallchirurgen werden folglich immer häufiger vor die Frage gestellt, ob und in welchem Umfang Patientinnen und Patienten nach der Operation sportlich aktiv sein können [2].

Bei der Frage nach sportlicher Aktivität mit Knieprothese muss beachtet werden, dass aufgrund der Artikulation des runden Femurkondylus auf einem historisch eher flachen Polyethyleneinsatzes aufgrund der geringen Kontaktflächen im Vergleich zur Hüfte, bei der Knieprothese deutlich höhere Belastungsspitzen auftreten können [2, 8]. Dies ist einer der Gründe, warum Sportempfehlungen für Hüftprothesen nicht ohne Weiteres auf die Knieendoprothetik übertragen werden können [2, 9].

In den letzten Jahren gab es zunehmend mehr wissenschaftliche Arbeiten zu Sport nach Knieendoprothetik. Auch Untersuchungen zu Sportarten mit hoher Belastung (High Impact Sportarten) wurden durchgeführt. Ziel dieses Artikels ist es, eine Übersicht zur aktuellen Literatur zu geben und daraus für Orthopäden und Unfallchirurgen Empfehlungen für Sport nach Knieendoprothetik abzuleiten.

Empfehlung der Fachgesellschaften

Die Knee Society veröffentlichte im Jahr 1999, basierend auf einer Befragung von 112 Endoprothetikspezialisten, ihre Empfehlungen zur Sportausübung [3]. In den Folgejahren wurden die Empfehlungen angepasst und sind heute die Grundlage für die Sportempfehlung nach Knietotalendoprothese (KTEP) und unikondylärem Gelenkersatz (UKE) [10]. Diese Richtlinien empfehlen Sportarten wie leichtes Aerobic, Radfahren auf dem Ergometer, Bowling, Krocket, klassischer Tanz, Jazz- and Squaredance, Schwimmen, Gehen und Golf [3]. Sportarten wie Radfahren, Wandern, Rudern, Skifahren, Tennis im Doppel und Krafttraining mit Gewichten wurden mit entsprechender Vorerfahrung empfohlen [3]. Ballsportarten (z.B. Handball, Basketball, Fußball, Baseball, Softball etc.) sowie Hockey, Joggen, Squash, Lacrosse, Turnen und Tennis wurden nicht empfohlen [3]. 2009 wurde eine Umfrage unter Mitgliedern der American Association for Hip and Knee Surgeons (AAHKS) durchgeführt: Mehr als 80 % der AAHKS-Chirurgen empfahlen Schwimmen, Gehen auf ebenem Boden, Golf, Radfahren, Treppensteigen und Gehen auf unebenem Boden uneingeschränkt [9]. Eine Umfrage aus 120 Mitgliedern der EKA (European Knee Associates) aus 2021 ergab einen Konsens von 5 Sportarten in den ersten 6 Wochen nach KTEP (Gehen, Treppengehen, Schwimmen, Wassergymnastik und stationäres Radfahren), 7 Sportarten nach 6–12 Wochen (zusätzlich Yoga, Fahrradfahren in der Ebene), 14 Sportarten nach 3–6 Monaten nach KTEP und 21 von 47 Aktivitäten nach 6 Monaten [11]. Ab 12 Monaten wurden empfohlen: Tennis (Doppel), Golf, Fitness/Gewichtheben, Aerobic, Wandern, Nordic Walking und Segeln [11]. Eine nicht empfohlene Sportart war Squash [11]. Teilweise Einigkeit wurde unter den Mitgliedern für den Verzicht auf Joggen, Laufen, Einzel-Tennis, Cross-Training, Klettern und Ski-Langlauf in den ersten 6 Wochen postoperativ erzielt [11]. Joggen auf der Straße, Laufen auf dem Laufband, Handball, Fußball, Basketball, Vollkontaktsportarten und Kampfsport wurde die ersten 12 Wochen nicht empfohlen [11]. Allerdings für die Zeiträume danach gab es keinen Konsens mehr [11]. Badminton, Volleyball, Canyoning, Surfen, Windsurfen, Snowboarden und Rodeln wurden in den ersten 6 Monaten postoperativ nicht empfohlen, jedoch auch ohne Konsens für die Zeit danach [11].

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