Übersichtsarbeiten - OUP 05/2024

Sport nach Knieendoprothetik
Was können wir unseren Patientinnen und Patienten sagen?

Eine weitere wichtige Entwicklung ist die Verbesserung der Abriebeigenschaften des Polyethylens. So wird in der Literatur über die zunehmende Verwendung von Highly Crosslinked Polyethylen (HXLPE) bei Knie-TEP berichtet, da biomechanische Abriebstudien deutliche bessere Eigenschaften zeigen als herkömmliches Polyethylen [58]. Gkiatas et al. zeigten, dass HXLPE bei Knie-TEP im Vergleich zu konventionellem PE mit einer geringeren Revisionsrate für aseptische Lockerungen verbunden war [59]. Interessanterweise zeigte zudem eine Studie, das für jüngere Patientinnen und Patienten (< 60 Jahre) und für übergewichtige Patientinnen und Patienten (BMI > 35), HXLPE der „2. Generation“ ein signifikant besseres Überleben zeigt als konventionelles Polyethylen [60]. Diese Ergebnisse legen nahe, dass HXLPE insbesondere in Kombination mit einer konformeren Gelenkfläche bei bestimmten anspruchsvolleren Patientengruppen Vorteile bieten kann [60].

Fixierung

In Deutschland wurden laut Jahresbericht 2023 des ERPD über 95 % der primären Knietotalendoprothesen komplett zementiert verankert [61]. Für jüngere und sportlich aktivere Patientinnen und Patienten können jedoch auch zementfreie Implantate eine zunehmende Rolle spielen, wobei sich im Allgemeinen gute Ergebnisse und eine gute Überlebensdauer zeigen [21]. Aktuelle Studien konnten zudem zeigen, dass die zementfreie KTEP insbesondere bei Männern unter 65 Jahren und bei adipösen Patientinnen und Patienten im Vergleich zu den zementierten Optionen gleichwertig oder überlegen ist [62, 63]. Dabei ermöglicht eine zementfreie Fixierung eine biologische und somit dauerhaftere und widerstandsfähigere Verankerung zwischen Knochen und Implantat [63–68]. Und so berichten auch internationale Registerdaten von einer Zunahme der zementfreien Verankerungen in der Knieendoprothetik [69–72].

Patellarersatz

Ein weiterer implantatspezifischer Faktor, der für die Belastung bei High Impact Sportarten mit tiefer Flexion berücksichtigt werden sollte, ist der Retropatellarersatz. Laut dem Jahresbericht 2023 des EPRD erhielten 10,5 % aller KTEP-Patientinnen und -Patienten einen Retropatellarersatz in Deutschland [61]. Starke Flexionsbewegungen können zu hohen Belastungsspitzen am Retropatellarersatz führen [21]. Deshalb sollte man vorsichtig und zurückhaltend bei Fitnessübungen wie tiefen Kniebeugen, tiefer Beinpresse, Curls oder Anheben schwerer Lasten sein und für diese Patientinnen und Patienten den Verzicht auf einen Patellarersatz erwägen [21].

Es ist davon auszugehen, dass die beschriebenen Entwicklungen im Implantatdesign die Schwelle für High Impact Sport nach KTEP weiter senken werden, jedoch müssen dabei auch patientenspezifische Faktoren wie die präoperativen Sportgewohnheiten und Aktivitätslevel beachtet werden [3].

Alignement

Biomechanische Studien haben deutlich höhere Belastungen am medialen Tibiaplateau varischer Gelenkausrichtung gezeigt [17]. Diese ist insbesondere problematisch, da im Rahmen einer uneingeschränkten kinematischen Ausrichtung (unrestricted kinematic alignement) und inverser kinematischer Ausrichtung (inverse kinematic alignment) die Tendenz zu Achsenausrichtung jenseits von 3–5 Grad varus besteht. Da dies ein jüngerer Trend ist, ist der Einfluss dieser Operationstechniken auf die Möglichkeit, High Level Sport zu treiben nicht untersucht. Es erscheint zumindest aus biomechanischer Sicht problematisch, im Rahmen einer unrestricted alignment-Philosophie auch erhebliche Abweichungen der Beinachse zuzulassen. Hier sind weitere Studien notwendig, um zu untersuchen, ob die Rekonstruktion des Phänotypen ggf. bessere Sportausübung ermöglicht und ob dies zu einem höheren Lockerungsrisiko führt (Abb. 1–2; Take Home Message 5).

Prä- und postoperative
Aktivitätslevel und Rückkehr zum Sport

Patientinnen und Patienten, die sich regelmäßig und auf gutem Niveau körperlich betätigen, können in der Regel nach der Operation leichter zum Sport zurückkehren [73]. Bei bestimmten Sportarten ist es erforderlich, dass die Patientin/der Patient die Sportart präoperativ ausgeführt hat, um sie postoperativ wieder aufzunehmen [74]. Insbesondere das Erlernen motorisch anspruchsvoller Sportarten ist nach einer KTEP nicht anzuraten [2]. Patientinnen und Patienten, die präoperativ keine sportlichen Aktivitäten ausgeübt haben, sind hingegen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, nach der Operation mit dem Sport zu beginnen [29, 75, 76]. Im Allgemeinen konnten Hanreich et al. in ihrer Metaanalyse eine Return to Sport (RTS)-Rate in einem Bereich von 12–100 %, im Median von 71,2 %, feststellen [30]. Waldstein konnte nach UKE eine Return to Activity-Rate zwischen 87 und 98 % feststellen [77].

Was die Prädiktoren für die Teilnahme am Sport nach KTEP betrifft, zeigte eine Studie, dass ein erhöhter präoperative UCLA-Aktivitätswert, ein niedriges Alter, das männliche Geschlecht und ein niedriger BMI mit höheren Aktivitätswerten vergesellschaftet sind [78]. In einer weiteren Studie bei KTEP-Patientinnen und -Patienten waren jüngeres Alter, niedriger BMI und höhere postoperative Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score Junior, 12-Item Short Form Physical Component-Score und 12-Item Short Form Mental Component-Score unabhängige Prädiktoren für postoperativen Sport und körperlicher Aktivität [79]. Eine retrospektiven Studie mit 1907 Knieprothesen (1746 KTEP, 161 UKE), Alter 45–75) konnte zeigen, dass männliches Geschlecht, junges Alter, niedriger BMI und hohes präoperatives Aktivitätsniveau die Fähigkeit zur Rückkehr zum Sport voraussagen [80]. Metaanalysen zeigen einen starken Zusammenhang zwischen prä-und postoperativem Aktivitätslevel [30, 46]. Präoperativ lag der Anteil an sportlich aktiven Patientinnen und Patienten mit KTEP zwischen 29,3 % und 100 % und postoperativ bei 21,3 % und 100 % [28, 29, 32, 34, 38, 48, 75, 81–86]. Patientinnen und Patienten betreiben präoperativ größtenteils Low Impact Sportarten und der Anteil an hochaktiven Patientinnen und Patienten ist gering [30, 46]. Eine Metaanalyse zeigte bei allen K-TEP-Patientinnen und -Patienten ein Aktivitätslevel UCLA ? 8 [30]. Die am häufigsten ausgeführten präoperativen Sportarten von K-TEP-Patientinnen und -Patienten sind Gehen, Radfahren und Schwimmen [30, 33, 46, 87]. Die Metaanalyse zeigte zudem ein gleichbleibendes bzw. eine geringgradige Verbesserung des Aktivitätslevels [30], wobei bei Patientinnen und Patienten < 55 Jahren ein größerer Anstieg ihres Aktivitätslevels zu verzeichnen war [30]. In einer weiteren Metanalyse wirkte sich die Implantation einer Knieprothese generell positiv auf das Aktivitätsniveau und die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten aus [88]. Die meisten Patientinnen und Patienten, die im Jahr vor der Operation ihre sportlichen Aktivitäten eingestellt haben, scheinen jedoch nach der Operation, insbesondere nach einer K-TEP, ihre sportlichen Aktivitäten nicht wieder aufzunehmen [88]. Nach UKE waren Wandern, Radfahren und Schwimmen die häufigsten Aktivitäten [77], wobei anzumerken ist, dass Patientinnen und Patienten mit UKE ihr Aktivitätslevel nicht stärker steigern als Patientinnen und Patienten mit K-TEP [32, 46, 89]. Eine bereits im Eingang erwähnte, retrospektiven Studie mit 1907 Knieprothesen (1746 TKA, 161 UKE) bewertete die Aktivität anhand des LEAS 2 Jahre postoperativ [80]. Nach Adjustierung für präoperative LEAS, Alter, Geschlecht, BMI, CCI und ASA betrug der geschätzte Unterschied zwischen den Gruppen 0,3 Punkte auf dem LEAS-Score. 34,7 % der Patientinnen und Patienten mit KTEP und 44,7 % der Patientinnen und Patienten mit UKE waren hoch aktiv (LEAS ? 14) [80]. Innerhalb der hochaktiven Untergruppe unterschied sich die LEAS nicht zwischen UKE und KTEP (Take Home Message 6) [80].

Patientenspezifische
Faktoren

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5