Übersichtsarbeiten - OUP 05/2024
Sport nach KnieendoprothetikWas können wir unseren Patientinnen und Patienten sagen?
Bei einer Umfrage unter 300 spezialisierten Endoprothetikern und Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik (AE) [12], sprach sich die Mehrheit dafür aus, nach einer KTEP innerhalb von 3–6 Monaten wieder Sport mit geringer Belastung zu treiben [12]. 53,5 % der Orthopäden empfahlen High Impact Sport nach KTEP nach adäquatem Training, 36,6 % empfahlen es nicht und 5,9 % empfahlen Sport ohne Einschränkungen [12]. Dabei wird in der Literatur und bei Umfragen im amerikanischen Raum häufig zwischen den Impactlevels (High Impact vs. Low Impact) anhand der Klassifikation von Clifford and Mallon unterschieden [13]. Diese Klassifikation basiert jedoch nicht auf sportartspezifischen, biomechanischen in vivo Daten [12]. Um jedoch valide Empfehlungen zu Sport nach Knieendoprothetik geben zu können, ist eine Kenntnis der biomechanischen Belastung der Knieprothese bzw. des Kniegelenkes bei verschiedenen Tätigkeiten/Sportarten von Bedeutung und sollen im Folgenden exemplarisch dargestellt werden (Take Home Message 1).
Belastung der Knieprothese bei unterschiedlichen Sportarten
Die Belastungen beim Radfahren sind unter moderaten Bedingungen geringer als beim Gehen (119 % bzw. 1,03±0,2-faches Körpergewicht (KG) [14, 15]. Eine Erhöhung der Trittfrequenz von 60 auf 90 rpm oder eine Erhöhung des Widerstands beeinflusste die Belastungswerte nicht wesentlich [15].
Die beim Gehen aufgezeichneten Belastungsspitzen nahmen bis zu 12 Monate postoperativ zu (2,8-faches KG) [16] und korrelierten mit der zunehmenden Geschwindigkeit beim Gehen auf dem Laufband [16]. Das Training auf dem Ellipsentrainer erzeugte Belastungswerte von 2,24-fachem KG, die mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad unverändert blieben [15]. Es ist wichtig zu betonen, dass bei der Betrachtung der medio-lateralen und tibio-femoralen Belastung die Gelenkausrichtung von zentraler Bedeutung ist [17] und beim Gehen in der Ebene Belastungshöchstwerte von bis zu 201 % des KG am medialen Tibiaplateau verzeichnet werden [18]. Ist das Gelenk neutral ausgerichtet, wird das mediale Kompartment mit 70 % der Last belastet [18]. Jede varische oder valgische Gelenkausrichtung von mehr als 3° führt jedoch dazu, dass das mediale bzw. laterale Kompartiment signifikant mehr belastet wird [17].
Ab einer Flexion von 40° steigt die Last am Knie auf das 3,5-fache des KG an [19]. Die Belastungswerte beim Treppaufsteigen sind im Bereich derer beim Gehen, beim Hinabsteigen werden dann Belastungsspitzen von bis zum 3,5-fachen des KG beobachtet [20]. Eine vermehrte Flexion beim Sport (z.B. Stairmaster) ist mit deutlich höheren Belastungsspitzen verbunden [15]. Die gemessenen Belastungswerte am Stairmaster waren bei niedrigen Intensitäten vergleichbar zu denen am Ellipsentrainer, stiegen dann aber unter zunehmender Intensität auf das bis zu 3-fache des KG an [15]. Die erhöhten Belastungen des Kniegelenks ab 40 Grad Beugung sollten bei Sportarten, die eine extreme Flexionsbewegung benötigen, berücksichtigt werden und sollte auch bei Übungen wie der Beinpresse oder Quadrizepsextensionsübungen beachtet werden [21]. Aus biomechanischer Sicht macht es Sinn, für diese Übungen die Flexion auf 40 Grad zu limitieren [21].
Beim Golfspielen wurden vergleichsweise hohe Belastungswerte (> 4-faches KG) gemessen [15]. Dies verdient besondere Beachtung, wird doch Golf meist als Low Impact Sport klassifiziert [10]. Beim Golf werden im führenden Knie wesentlich höhere Kräfte erzeugt als im kontralateralen Knie [15]. Jedoch ist die Frequenz der Belastungsspitzen geringer als bei anderen High Impact Sportarten wie Joggen [15]. Bedenkt man, dass bei einem Handycap von 54, der Spieler nur etwa 126 Mal einen Golfschwung ausführt, jedoch beim Joggen für einen Kilometer bereits ca. 1500 Schritte notwendig sind, dann ist klar, dass die Frequenz der Belastung auch in die Beurteilung Low- versus High Impact Sport eingehen muss.
Jogging zeichnet sich durch repetitive Spitzenbelastungen aus [15] und in Abhängigkeit von der Laufgeschwindigkeit zeigen sich Belastungen der Knieprothese von 7-fachem KG bis 22-fachem KG [22, 23].
Tennis führt ebenfalls zu einer starken Belastung des Kniegelenks (? 4-faches KG) [15]. Wichtig ist zu beachten, dass beim Tennis das Kniegelenk abrupten Richtungswechseln ausgesetzt ist und damit eine besondere Stabilität erforderlich ist [15]. Darüber hinaus wird die Belastung des Kniegelenks auch durch den Belag (Hardcourt versus Sandplatz) beeinflusst.
Die Belastungswerte beim Skifahren zeigten einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Anfängern (10-faches KG) und erfahrenen Skifahrern (3,5-faches KG) [24, 25] Auch zeigte der klassische Langlauf geringere Belastungen als der Skating-Stil (Take Home Message 2) [25, 26].
High Impact Sports
Immer jüngere und aktive Patientinnen und Patienten stellen den Operateur zunehmend vor die Frage, ob die Ausübung von High Impact Sportarten mit Knieprothese möglich ist. Generell wird in Studien beobachtet, dass die Teilnahme an High Impact Sportarten wie Joggen oder Tennis nach Implantation einer Knieprothese zurück ging [27–30] und dass der Anteil der Patientinnen und Patienten, die High Impact Sportarten ausüben, gering ist [30–33]. Dennoch zeigen Studien, dass es möglich ist, dass Patientinnen und Patienten mit entsprechender Vorerfahrung auch mit einer Knieprothese diese Sportarten ausüben [21]. In einer Studie mit 236 Patientinnen und Patienten und einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 14,9 ± 3 Jahren übten 16,7 % aller Patientinnen und Patienten High Impact Sportarten wie Ballsport, Jogging und Squash aus [34]. Dabei traten 3 (1,3 %) aseptische Lockerungen, ein Implantatversagen und ein Polyethylenverschleiß auf [34]. Eine Studie von Mont et al. untersuchte Patientinnen und Patienten, die High Impact Sportarten (Jogging, Skifahren, Tennis, Racquetball, Squash und Basketball) auf intensivem Niveau (4 ×/Woche bzw. 3,5 h) betrieben und fand in einem 4-Jahres-Follow-up keinen negativen Einfluss auf das Langzeitüberleben nach Knieprothese [35]. Hofstaedter et al. untersuchten 16 Patientinnen und Patienten nach KTEP, die im Durchschnitt 80 Tage über 3 Winter Ski fuhren und nach einem mittleren Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren keine Lockerungssäume oder Osteolysen im Röntgen-Follow-up zeigten [36]. Bercovy et al berichten von 500 Patientinnen und Patienten nach KTEP [37]. 133 Patientinnen und Patienten (26 %) konnten sportliche Aktivitäten auf einem Niveau von 8/10 oder mehr auf dem University of California, Los Angeles (UCLA)-Rating-Score durchführen. Acht von 10 entspricht dabei der regelmäßigen Teilnahme an sehr aktiven Sportarten wie Bowling und Golf [37]. Bei 96 dieser 133 Knie (72 %) übte der Patient mehr als eine sportliche Aktivität aus [37]. In 103 dieser 133 Patientinnen und Patienten lag das UCLA-Rating bei 9/10 (Jogging, Skiing, Ballett, schwere Arbeit) und in 30 Fällen bei 10/10 (regelmäßig Impact Sport: Tennis, Langstreckenlaufen, Skifahren, alpine Gletscherwanderungen) [37]. Kleinere Studien haben zudem gezeigt, dass Patientinnen und Patienten in der Lage waren, erfolgreich an High Impact Sportarten wie Judo und Tennis teilzunehmen und auch das erfolgreiche Absolvieren eines Ultra-Trails ist dokumentiert (Take Home Message 3) [38–40].