Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Stammzellen als Perspektive
Hoffnungsträger und neue Ideen – regulatorische Aspekte in DeutschlandHope and new ideas – regulatory aspects in Germany

Gerrit Bode1, Bernd Rolauffs1, Lisa Hohloch1, Helge Eberbach1, Norbert P. Südkamp1, Michael T. Hirschmann2

Zusammenfassung: Isolierte Knorpelschäden des Kniegelenks sind eine häufige posttraumatische Problematik bei Patienten mittleren Alters, die mit manifesten Schmerzen und Funktionseinschränkungen einhergehen. Diese initial fokalen Defekte zeigen unbehandelt oft ein Fortschreiten in die Arthrose. Sie stellen somit ein wesentliches Risiko für das Entstehen einer Arthrose dar, die im Endstadium typischerweise mit einer enormen Einschränkung der Lebensqualität und einer Notwendigkeit für einen Gelenkersatz einhergeht [23, 33].

In 6,2 % aller arthroskopierten Kniegelenke lassen sich
behandlungsbedürftige vollschichtige Knorpeldefekte erkennen. Zudem liegt die Prävalenz der Gonarthrose bei 19–28 % der US-Bevölkerung. Bei unter 45-Jährigen findet sich eine Prävalenz von immerhin 6,7 %. Während kleine
fokale Knorpeldefekte mit zahlreichen Therapieformen
adressiert werden können, stellen große Defekte weiterhin eine therapeutische Herausforderung dar.

Schlüsselwörter: Knorpelschaden, Knie, zellbasierte Therapie, Stammzellen

Zitierweise
Bode G, Rolauffs B, Hohloch L, Erberbach H, Südkamp MP,
Hirschmann MT: Stammzellen als Perspektive. Hoffnungsträger und neue Ideen – regulatorische Aspekte in Deutschland.
OUP 2018; 7: 611–614 DOI 10.3238/oup.2018.0611–0614

Summary: Isolated cartilage defects of the knee joint are common orthopaedic problems in middle-aged patients. Typically, these come along with pain and loss of function of the affected joint [23, 38]. In addition, isolated cartilage defects tend to progress into osteoarthritis (OA), as spontaneous healing is rare and can therefore be considered a potential risk factor or precondition for OA [6], which may lead to the necessity for joint replacement (DALY 14.230) [16].

Chondral defects have been described in 34–62 % of knee arthroscopies while full thickness defects, potentially requiring surgery, were observed in 6.2 % [38]. Knee OA is prevalent in 19–28 % of adults in the U.S population and even in 6.7 % under the age of 45 [27]. Therefore, treatment of isolated cartilage defects yields on both, reduction of pain in affected patients, restoration of the function of the affected joint and also on avoidance of further joint degeneration.

Keywords: cartilage defect, knee, cell based therapy,
mesenchymal stoma cells

Citation
Bode G, Rolauffs B, Hohloch L, Erberbach H, Südkamp MP,
Hirschmann MT: Mesenchymal stroma cells as a new perspective. Hope and new ideas – regulatory aspects in Germany.
OUP 2018; 7: 611–614 DOI 10.3238/oup.2018.0611–0614

1 Albert-Ludwig-Universität Freiburg, Universitätsklinikum Freiburg, Department Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

2 Klinik für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparats, Kantonsspital Baselland

Zellbasierte Techniken wie die autologe Chondrozytentransplantation (ACT) werden von mehreren Fachgesellschaften für solche großen Defekte empfohlen, aber diese Therapieform geht neben nicht unerheblich hohen Kosten auch mit einem großen bürokratischen Aufwand einher, da die ACT den „Advanced therapy medical products“ zugeordnet ist. Zusätzlich ist die ACT ein zweizeitiges Verfahren, was für den Patienten einen entscheidenden Nachteil bedeuten kann, da im Vorfeld der eigentlichen Transplantation eine vorgeschaltete Knorpelzellbiopsie mit anschließender Differenzierung erfolgen muss.

In den vergangenen Jahren ist vermehrt von der einzeitigen knorpelregenerativen Therapie mit mesenchymalen Knochenmarkstromazellen (MSCs) die Rede. Nicht zuletzt durch die rasche wissenschaftliche Weiterentwicklung der Transplantationsmethodik, Differenzierung und Spezifikation sowie den Fortschritten auf dem Gebiet der Zentrifugation und Trägermembranen gewinnt dieses potenziell einzeitige, autologe, zellbasierte knorpelregenerative Verfahren zunehmend an Aufmerksamkeit [17].

Der vorliegende Artikel soll einen groben Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft, die Möglichkeiten in der Auswahl der potenziellen multipotenten Zellen inklusive Entnahmelokalisation sowie die erforderlichen regulatorischen Aspekte geben.

Zellauswahl und Wahl
des Entnahmeorts

Für die ACT wurden in den vergangenen 25 Jahren viele offenen Fragen wissenschaftlich untersucht, etwa die der geeigneten Trägermembran, die Güte des Phänotyps, die Applikationsform sowie viele klinische Aspekte, z.B. mögliche unerwünschte Nebenwirkungen, Erfolgs-, Komplikations- und Versagensraten und nicht zuletzt die zu erfüllenden Anforderungen im Rahmen der Zulassungsstudien nach § 20 AMG [3, 22]. Die klinischen Ergebnisse liegen in Form zahlreicher prospektiv randomisierter Studien vor, die den klinischen Erfolg der ACT gegenüber anderen knorpelregenerativen Verfahren wie der Mikrofrakturierung, OATS-Plastik oder Knorpelglättung nachweisen [2, 16, 22]. Zudem liegen zahlreiche systematische Reviews inklusive Cochrane-Reviews vor [27, 31, 30, 32].

Im Vergleich hat dieser Weg von der Laborbank bis hin zur standardisierten klinischen Versorgung für MSCs gerade begonnen und zeigt erste recht vielversprechende Ergebnisse [1, 7].

MSCs bieten gegenüber Chondrozyten diverse potenzielle Vorteile. Sie sezernieren eine große Anzahl von Wachstumsfaktoren, Zytokinen und Chemokinen zur Vermittlung anti-inflammatorischer, anti-apoptotischer, anti-fibrotischer, angiogener, mitogener und wundheilender Prozesse [5]. Desweiteren besitzen sie bei entsprechendem Stimulus ein potentes chondrogenes Differenzierungspotenzial und somit die Fähigkeit zur Regeneration des geschädigten Knorpelgewebes. Diese Eigenschaften machen sie möglicherweise zu einem optimalen Zellmaterial für die Knorpelregeneration [6]. Die Anzahl der mesenchymalen Stammzellen im betroffenen Gelenk ist jedoch limitiert; insofern könnte eine additive Transplantation die Knorpelregeneration unterstützen. Dies darf auch als einer der Gründe dafür angesehen werden, warum die Mikrofrakturierung als knochenmarkstimulierendes Verfahren in den letzten Jahren flächendeckend bei großen Defekten weniger eingesetzt worden ist. Hier scheint die geringe Anzahl an tatsächlich in den Defekt austretenden Stammzellen eine wesentliche Rolle zu spielen, was wiederum den verstärkten Ansatz der AMIC in den letzten Jahren begründen dürfte.

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