Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018
Stammzellen als PerspektiveHoffnungsträger und neue Ideen – regulatorische Aspekte in DeutschlandHope and new ideas – regulatory aspects in Germany
Stammzellen hierfür werden in der Regel aus dem Knochenmark (Bone Marrow-Derived Mesenchymal Stem Cells, BM-MSCs) oder dem Fettgewebe gewonnen (Adipose Tissue-Derived Mesenchymal Stem Cells, AD-MSCs); aber auch Entnahmen aus dem Periost, Nabelschnurblut, der Synovialmembran oder dem Muskel sind möglich.
Allerdings sind aktuell weder die Frage nach dem optimalen Spendergewebe in Bezug auf die Anzahl der zu verwendenden Zelle noch der optimale Entnahmeort hinreichend geklärt.
Die AD-MSCs scheinen gegenüber den aktuell noch besser untersuchten BM-MSCs zunehmend an Bedeutung zu gewinnen [7]. Die Gründe hierfür liegen in der relativen Häufigkeit der AD-MSCs (etwa 5 % der kernhaltigen Zellen; BM-MSCs: 0,0001–0,01 % der kernhaltigen Zellen), der weniger invasiven Entnahmetechnik, ihrer schnellen Expansion und dem relativ hohen Proliferationspotenzial.
Sowohl die Anwendungen von MSCs aus dem Fettgewebe als auch aus dem Knochenmarkaspirat ist bereits in klinischen Studien untersucht worden. So konnten Ko et. al in einer randomisierten Studie mit einem Follow-up von 2 Jahren die Sicherheit und bildmorphologische sowie klinische Wirksamkeit einer intraartikulären Injektion von AD-MSCs bei Patienten mit Knorpelschäden und beginnender Arthrose nachweisen. Allerdings zeigte sich in deren Arbeit ein dosisbezogener Effekt. Patienten mit einer höheren Dosierung an Stammzellen zeigten bessere klinische Ergebnisse im WOMAC, KOOS und VAS-Score. Auch im MRT war dosisabhängig bildmorphologisch eine bessere Knorpelregeneration zu sehen [25].
AD-MSCs können auf unterschiedliche Weise konzentriert bzw. isoliert werden. Das mittels Stanzen oder Kanülen entnommene Material enthält einen kleinen Anteil von Stammzellen, welche anschließend entweder im Labor isoliert oder durch kulturelle Expansion angereichert werden. Die Zentrifugation bietet den entscheidenden Vorteil eines einzeitigen und im Operationssaal bereits anwendbaren Verfahrens. Eine einfache Injektion ins Gelenk ist jedoch nicht ausreichend, um eine adäquate Zelladhärenz und Zellkonzentration zu erhalten, wobei die Frage nach der optimalen Kollagenmembran noch Gegenstand aktueller Forschungsprojekte ist.
Seitens der BM-MSCs wurden erste klinische Ergebnisse in der Behandlung von Knorpeldefekten vorgestellt [18, 19]. Randomisierte, kontrollierte Studien sind dringend notwendig, obgleich ihre Durchführung zumindest in Deutschland durch die Zuordnung der autologen Stammzelltransplantation in den Bereich der homologen Anwendung bisher kaum möglich ist, unabhängig von der Entnahmelokalisation. Es bedarf hierzu einer Herstellungserlaubnis des jeweiligen Regierungspräsidiums, die für die einzeitige operative Verwendung mesenchymaler Stammzellen aus dem Beckenkamm zur Therapie von Knorpelschäden am Kniegelenk nach unserem Kenntnisstand zwar von der Autorengruppe beantragt, in Deutschland aber bisher nicht erteilt wurde. Anders im Bereich der AD-MSCs, für welche die Infiltration in den Hoffaschen Fettkörper zuletzt als homologe Anwendung interpretiert und genehmigt worden ist.
Vergleich von BM-MSCs
und AD-MSCs
In-vitro-Studien sowie klinische Studien zum Vergleich von BM-MSCs vs. AD-MSCs wurden und werden durch das Problem motiviert, dass der Chondrozyten-basierte Knorpelersatz für große Defekte eine gewisse Menge an Chondrozyten benötigt, welche durch eine Monolayer-Expansion generiert werden. Hierbei wird die maximale Anzahl der zur Verfügung stehenden Chondrozyten durch die maximal mögliche Dauer der Monolayer-Expansion bestimmt, da eine zu lange Expansionszeit bekanntermaßen zu einer De-Differenzierung führt, welche mit einer Fibroblast-artigen Morphologie und einem Verlust des chondrogenen Expressionsprofils einhergeht [37]. Aus diesem Grund wurden und werden BM-MSCs – und seit einiger Zeit auch AD-MSCs – als „Ersatzzellen“ untersucht, um die umrissene Chondrozytenproblematik potenziell zu umgehen. Die isolierte Verwendung von BM-MSCs z.B. im Rahmen der Mikrofrakturierung wird jedoch kontrovers diskutiert, da das resultierende Reparaturgewebe instabil ist und in vivo zur Mineralisation und Ossifikation neigt [10–12, 28, 34] und BM-MSCs generell in einer geringen Anzahl vorliegen [26, 32, 39]. Vor diesem Hintergrund sind AD-MSCs möglicherweise eine Alternative zu BM-MSCs. Bereits 2005 wurde die Frage gestellt, ob AD-MSCs das gleiche osteogene und chondrogene Potenzial besitzen wie BM-MSCs [24]. Damals wurde die Frage so beantwortet, dass das osteogene und chondrogene AD-MSC-Potenzial wahrscheinlich geringer ist [24].
2010 wurde der Vergleich beider MSC-Typen unter der Gabe von Transforming growth factor beta 3 (TGFß3) und/oder Bone morphogenetic protein (BMP-2) sowie unter hypoxischen Bedingungen durchgeführt. Hier zeigte sich nach MSC-Expansion mit FGF-2, dass die BMP-2/TGF-?3-Kombination am geeignetsten war, um einen chondrogenen Phänotyp in Pellet-Kulturen von AD- und BM-MSCs zu induzieren [32]. Allerdings waren hypoxische Bedingungen mit einer geringeren Induzierbarkeit des chondrogenen Phänotyps in AD-MSCs assoziiert [32], was möglicherweise die Resultate früher Studien erklären kann und die wichtige Rolle der Sauerstoffspannung bei der chondrogenen Differenzierung von AD-MSCs unterstreicht.
2012 wurde festgehalten dass sich AD- und BM-MSCs viele gemeinsame biologische Charakteristika teilen, aber dass Unterschiede im Immunophänotyp, Differenzierungspotenzial, Transkriptom, Proteom sowie in der immunmodulativen Aktivität bestehen [35]. Interessanterweise wurden AD-MSCs jedoch in der klinischen Applikation als ebenso effektiv bewertet, in einigen Fällen sogar als besser geeignet als BM-MSCs [35].
2018 wurden humane AD- und BM-MSCs mit bovinen Chondrozyten in Alginatkultur verglichen sowie subkutan in die Maus implantiert verglichen [30]. Trotz einiger in vitro Unterschiede (z.B. eine Spezies-spezifische Genexpression) zeigte diese Studie, dass der Ersatz von 80 % aller Chondrozyten entweder mit BM-MSCs oder mit AD-MSCs keinen signifikanten Effekt auf die ECM-Synthese und -Stabilität hatte, und dass in vivo keine Unterschiede in der Knorpelmatrix-Synthese bestanden zwischen implantierten hAD-MSCs mit bovinen Chondrozyten vs. implantierten humanen BM-MSCs mit bovinen Chondrozyten, und dass in beiden Gruppen keine Ossifikation beobachtet wurde [30].