Übersichtsarbeiten - OUP 12/2014

Therapeutisches Klettern bei chronisch unspezifischem Rückenschmerz

M. Dittrich1, G. Eichner1, A. Bosse1, W.F. Beyer1

Zusammenfassung: In einer kontrollierten Pilotstudie mit Wartezeitmodell im Prä-Post-Design mit 3-monatigem Follow-up konnten eindeutige Effekte durch ein 12-mal 30-minütiges therapeutisches Klettertraining bei freiwilligen berufstätigen Probanden mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen ermittelt werden. Der Pobandenpool von 55 Teilnehmern im Alter von 30 bis 65 Jahren zeigte unabhängig von Geschlechts- bzw. Gruppenzugehörigkeit sowie von den soziodemografischen Daten statistisch relevante Verbesserungen in Bezug auf den subjektiven Gesundheitszustand, die Schmerzintensität und die Funktionsbeeinträchtigung. Insbesondere verbesserten sich die Teilnehmer im motorischen Bereich, so steigerte sich die dynamische sowie statische Rumpfkraft, aber auch die Beweglichkeit.

Schlüsselwörter: Therapeutisches Klettern, chronisch unspezifischer Rückenschmerz, motorische Fähigkeiten, Gesundheitszustand, Schmerzintensität

Zitierweise
Dittrich M, Eichner G, Bosse A, Beyer WF. Therapeutic climbing in patients with chronic low back pain.
OUP 2014; 12: 581–583 DOI 10.3238/oup.2014.0581–0583

Summary: In a controlled pilot study with waiting period model and a pre-post-design with 3-month follow-up unequivocal effects could be determined after 12 therapeutic climbing interventions of 30 minutes with voluntary employed test persons with chronic low back pain. The test person’s poll of 55 participants at the age of 30 to 65 years showed statistically relevant improvements concerning the subjective health and pain state as well as functional interference on account of the back discomfort, independent of gender or group affiliation as well as the social demographic data. The participants improved especially in movement abilities. Above all, the dynamic abilities increased as well as static body strength and mobility.

Keywords: therapeutic climbing, chronic low back pain, movement abilities, state of health and pain

Citation
Dittrich M, Eichner G, Bosse A, Beyer WF. Therapeutisches Klettern bei chronisch unspezifischem Rückenschmerz.
OUP 2014; 12: 581–583 DOI 10.3238/oup.2014.0581–0583

Einleitung

Das Therapeutische Klettern als eine neue Therapieform findet immer häufiger Anwendung in der Rehabilitation – nicht nur bei orthopädischen, sondern auch bei neurologischen sowie psychosomatischen Indikationen (vgl. Abb. 1). Insbesondere eine Verbesserung der konditionellen Fähigkeiten (Kraft, Koordination, Beweglichkeit), aber auch ein positiver Einfluss auf die Konzentration und auf das Körperbewusstsein werden dem Therapeutischen Klettern zugeschrieben [1, 2]. In diesem Zusammenhang wurde im Orthopädie-Zentrum Bad Füssing eine Pilotstudie durchgeführt, in der die Wirksamkeit des Therapeutischen Kletterns überprüft werden sollte.

Studiendesign und
Untersuchungsmethode

Bei dem vorliegenden Forschungsprojekt handelt es sich um eine prospektive, quasi randomisierte und kontrollierte Pilotstudie im Prä-Post-Design mit 3-monatigem Follow-up und einem zusätzlichen Wartezeitmodell. Insgesamt wurden 55 Freiwillige zwischen 30 und 65 Jahren mit der Indikation chronisch unspezifischer Rückenschmerz geschlechtsunspezifisch den Gruppen zugeteilt. Das durchschnittliche Alter der Interventionsgruppe (IG) lag bei 48,9 Jahren (BMI = 24,6), das der Kontrollgruppe (KG) bei 54,5 Jahren (BMI = 25,3). Die Studienteilnehmer erhielten 12 Trainingseinheiten (2x pro Woche) à 30 min an einer stufenlos hydraulisch verstellbaren Kletterwand. Angewandt wurden Grundtechniken des Therapeutischen Kletterns [3].

Haupt- und Nebenzielgrößen

Zur Analyse der Hauptzielgrößen wurden die Teilnehmer anhand von Fragebögen zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand (SF-12), zu alltäglichen funktionellen Beeinträchtigungen (FFbH-R) und zu ihrem Schmerzempfinden (mod. Schmerzintensität in Anlehnung an Von Korff) befragt.

Darüber hinaus wurden im Hinblick auf die Nebenzielgrößen zu den 3 bzw. 4 Testzeitpunkten (t0 = 3 Monate vor der Intervention, nur Wartezeitgruppe; t1 = unmittelbar vor dem Interventionsbeginn; t2 = unmittelbar nach der Intervention; t3 = 3 Monate nach der Intervention) motorische Leistungstests durchgeführt. Folgende standardisierte Subtests wurden angewandt:

zur Beurteilung der isometrischen Rumpfkraft das Back-Check-Messsystem der Firma Dr. Wolff (Flexion, Extension, Lateralflexion links/rechts),

für die Analyse der dynamischen Rumpfkraft das computergestützte medizinische Trainingsgerät Rumpfrotator der Firma Proxomed (Wiederholungen links/rechts im Sitz) sowie der Globaltest nach Spring,

zur Beurteilung des statischen und dynamischen Gleichgewichts die MFT-Disc der Firma Bodyteamwork und

für die Rumpfbeweglichkeit der Finger-Boden-Abstand seitlich links und rechts sowie der Sit- and Reach-Test.

Die RPE-Borg-Skala wurde herangezogen, um direkt nach den Krafttests und nach jeder Trainingseinheit das subjektive Anstrengungsempfinden der Probanden zu erfassen. Um mögliche äußere Einflüsse auf die Testergebnisse zu berücksichtigen, wurde in die letzte Befragung (Follow-up) eine Checkliste zu evtl. Änderungen der ADL’s in den vergangenen 3 Monaten mit einbezogen (zusammengestellt von der Studienleitung).

Ergebnisse

Infolge der Intervention bei Probanden mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen zeigte sich bei folgenden Subtests ein signifikanter Gruppenunterschied im Vergleich zur Kontrollgruppe (Wartezeitmodell):

Für die Hauptgütekriterien der psychischen Summenskala des subjektiven allgemeinen Gesundheitszustands (SF12) sowie der Schmerzintensität (mod. nach Von Korff) konnte für die Klettergruppe eine signifikante Verbesserung mit einem großen Effekt ermittelt werden.

Für die Funktionsbeeinträchtigung aufgrund der Rückenschmerzen, gemessen anhand des FFbH-R, konnten keine Zusammenhänge gefunden werden (vgl. Abb. 2).

Bei den Nebengütekriterien dieser Pilotstudie kam es zu statistisch relevanten Steigerungen bei den statischen Rumpfkraftests (IPN Back-Check, Fa. Dr. Wolff) für die Extension und Lateralflexion links (vgl. Abb. 3).

Bei den Tests der dynamischen Rumpfkraft konnten im Vergleich zur Kontrollgruppe eindeutige Effekte für die Wiederholungszahlen des Rumpfrotators nach links und rechts (Proxomed) und für den Globaltest nach Spring ermittelt werden (vgl. Abb. 4).

Zusätzlich zeigte sich eine einheitliche Tendenz für den Beweglichkeitstest der Rumpfseitneige nach links (Finger-Boden-Abstand) zum Zeitpunkt nach der Intervention.

In Bezug auf das statische sowie dynamische Gleichgewicht, gemessen anhand der MFT-Disc (Fa. Bodyteamwork), wurden für beide Gruppen zu beiden Messzeitpunkten (KG: t0?t1/ IG: t1?t2) signifikante Steigerungen festgestellt.

Für die Follow-up-Tests (t3) zu den Haupt- bzw. Nebengütekriterien konnten weder bei der Klettergruppe noch bei der Wartezeitgruppe statistisch signifikante Veränderungen ermittelt werden. Tendenziell blieben die erzielten Verbesserungen nach dem Therapeutischen Klettern erhalten. Auch zwischen den Gruppen bestanden zum 3. Messzeitpunkt keine statistisch relevanten Unterschiede.

Diskussion

Durch das regelmäßige Klettertraining kam es zu einer Verminderung der Schmerzintensität sowie zu einer Verbesserung des psychischen Gesundheitszustands, zum Teil der Rumpfkraft und der Rumpfbeweglichkeit. Die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten und das körperliche Gesundheitsempfinden haben sich, vermutlich aufgrund der hohen Ausgangswerte, nicht auffällig verändert. Die Kontrollgruppe zeigte nach der Wartezeit in keinem der genannten Hauptgütekriterien eine statistisch relevante Veränderung. Für 4 der 7 gewählten Subtests zur Bestimmung der statischen und dynamischen Rumpfkraft konnten eindeutige statistisch relevante Effekte der Klettergruppe nachgewiesen werden. Auch Heitkamp et al. verwiesen auf die Wirksamkeit des Therapeutischen Kletterns durch eine signifikante Steigerung der Rumpfkraft [4].

Fazit für die Praxis

Als Fazit dieser Pilotstudie kann man von einem positiven Effekt durch ein regelmäßiges therapeutisches Klettertraining bei Probanden mit chronischem Rückenschmerz sprechen. Diese Effekte werden in einer Folgestudie anhand von stationären orthopädischen Rehabilitanden mit Kontrollgruppe überprüft und verglichen. Erste Ergebnisse befürworten die Therapieform des Therapeutischen Kletterns insbesondere bei Patienten mit chronisch unspezifischen Rückenbeschwerden als Alternative zu herkömmlichen Bewegungstherapien. Das Therapeutische Klettern kann demnach als eine gleichwertige oder ergänzende Möglichkeit zu den multimodalen aktiven Therapieformen des Standardkonzepts der Deutschen Rentenversicherung bei chronischem Rückenschmerz gesehen werden. Hierbei ist die Wertigkeit des motivationalen Aspekts während des therapeutischen Kletterns noch nicht berücksichtigt bzw. wurde in diesem Forschungsprojekt nicht untersucht.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.?

Korrespondenzadresse

Marcel Dittrich (Dipl. Sportwiss.)

Orthopädie-Zentrum Bad Füssing

Waldstraße 12, 94072 Bad Füssing

forschung.orthopaedie@drv-bayernsued.de

Literatur

1. Lechner C. Klettern – Neue Kraft für Muskeln und Seele. In: Die Presse; 13: 18.09.2006

2. Lazik D. Therapeutisches Klettern. Stuttgart: Thieme Verlag 2008

3. Friederich H. Therapeutisches Klettern. http//www.hajo-friederich/in-stitut/therapeutisches-klettern

4. Heitkamp HC. Frank T, Rapp W. Die Aktivierung der Rücken- und Bauchmuskulatur beim Klettern. Dt. Zeitschrift für Sportmedizin 2009: 60: 173

Fussnoten

1 Orthopädie-Zentrum Bad Füssing der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd, Bad Füssing (Leiter: Prof. Dr. med. W.F. Beyer)

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