Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Therapie des adulten Pes planovalgus

Eine Einlagenversorgung mit passiver Korrektur der medialen Längswölbung zur Entlastung der Tibialis-posterior-Sehne ist zentraler Bestandteil der konservativen Therapie. Ziel der Einlagenversorgung ist die Korrektur des Rückfußvalgus in eine physiologische Position. Ab dem Stadium IIb ist eine Rückfuß-stabilisierende Orthese mit Korrektur des Rückfußvalgus und der abgeflachten Längswölbung zu erwägen wie z.B. ein knöchelhoher vorkonfektionierter Stabilschuh (z.B. Vario-Stabilschuh) oder eine individuell angefertigte Orthese. Über eine Erhöhung des lateralen Vorfußrandes kann der Vorfuß abductus in eine verbesserte Position korrigiert werden. Im Stadium III und IV liegt eine fixierte Fehlstellung vor, so dass eine Korrektur der Fehlstellung über eine Einlagen- oder Orthesenversorgung nicht möglich ist. Ziel der konservativen Therapie in fortgeschrittenen Stadien sind eine optimale Druckverteilung und Stabilisation des Rückfußes, die beispielsweise durch Komforteinlagen und einen knöchelhohen vorkonfektionierten Stabilschuh erreicht werden können. Als weitere Therapieoption besteht insbesondere bei grober Deformität die Anfertigung eines individuell angepassten orthopädischen Maßschuhs.

Gelenkerhaltende operative Therapie

Ziel der operativen Therapie des Pes planovalgus ist neben einer Beschwerdelinderung die Wiederherstellung von physiologischen Achsverhältnissen, um ein Fortschreiten der Deformität zu verhindern. Im Stadium I kann bei therapierefraktärer konservativer Therapie über 3–6 Monate eine Tenosynovektomie der TPS durchgeführt werden. Im Rahmen der Tenosynovektomie sollten kleinere Einrisse der Sehne genäht werden. Neben dem offenen Vorgehen besteht als Therapiealternative eine Tendoskopie der TPS mit Debridement, Synovektomie und Beurteilung einer Sehnendeformität [6]. In der Literatur zeigen sich nach Tenosynovektomie gute Ergebnisse, wobei der Patient über Restbeschwerden und eine Progredienz des Pes planovalgus informiert werden sollte [5]. Um schlechte Ergebnisse der Tenosynovektomie zu vermeiden, sollte präoperativ eine genaue Beurteilung struktureller Deformitäten erfolgen.

Im Stadium II besteht ein symptomatischer Pes planovalgus. Eine alleinige Tenosynovektomie stellt dann keine ausreichende Therapie dar. Es stehen verschiedene Optionen zur Korrektur des fortgeschrittenen flexiblen Pes planovalgus zu Verfügung. Diese können an das individuelle Ausmaß der Deformität angepasst werden (Abb. 2). Ein Standardvorgehen stellt die Kalkaneusverschiebeostoetomie in Kombination mit einer Augmentation der Tibialis-posterior-Sehne durch einen Transfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne dar [13, 23]. Folgende Eingriffe zur Korrektur des Pes planovalgus sind etabliert:

Medialisierende Kalkaneusverschiebeosteotomie (offen/minimalinvasiv)

Kalkaneusverlängerungsosteotomie

Augmentation/Ersatz der Tibialis-posterior-Sehne durch einen Transfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne (FDL)

Rekonstruktion des Springligaments

Cotton-Osteotomie (plantarflektierende Osteotomie des
1. Strahls)

Medialisierende Kalkaneusverschiebeosteotomie (MCO)

Ein zentrales Element zur Korrektur des Pes planovalgus ist die physiologische Ausrichtung des Rückfußvalgus. Durch die Medialisierung des Tuber calcanei kann der Ansatz der Achillessehne rezentriert werden. Ein lateralisierter Ansatz der Achillessehne kann zu einer Progredienz des Pes planovalgus beitragen. Neben dem offenen Vorgehen hat sich ein minimalinvasives Vorgehen etabliert. Die Indikation zur minimalinvasiven MCO ist dabei analog zum offenen Vorgehen [15]. Über einen kleinen Hautschnitt am lateralen Kalkaneus erfolgt die Osteotomie des Tuber calcanei mittels einer Fräse. Neben einer Verschiebung des Fersenbeins ist zusätzlich eine Rotation des Tuber calcanei möglich, wodurch sich der Korrektureffekt weiter steigert [28]. Um eine Translation des Tuber nach proximal zu vermeiden, ist eine V-förmige Schnittführung zu bevorzugen. Das Ausmaß der Verschiebung/Rotation erfolgt intraoperativ anhand der klinischen Beurteilung. Meist ist eine Verschiebung nach medial von ca. 1 cm erforderlich. Die Osteosynthese erfolgt über 1–2 perkutan eingebrachte Schrauben (Abb. 3, Abb. 5). Das perkutane Vorgehen zeigt in der Literatur eine geringere Rate an Wundheilungsstörung, Infektionen und eine reduzierte Liegedauer im Vergleich zum offenen Vorgehen [14, 18].

Kalkaneusverlängerungsosteotomie

Die Kalkaneusverlängerungsosteotomie ist bei einer ausgeprägten Abduktion des Vor-/Mittelfußes gegenüber dem Rückfuß indiziert. Die Beurteilung erfolgt anhand der talonavikularen Überdeckung (Subluxation im Talonavikular-Gelenk) im Röntgenbild des Fußes d.p. (Abb. 1). In der Literatur wird für die mangelnde talonavikulare Überdeckung ein Schwellenwert von 30 % [10] oder 40 % [7] zur Durchführung der Osteotomie angegeben. Bekannte Verfahren stellen die Osteotomie nach Evans und nach Hintermann dar. Die Osteotomie nach Evans erfolgt ca. 1,5 cm proximal des Kalkaneo-Kuboidalgelenks (CC-Gelenk) zwischen vorderer und mittlerer Gelenkfacette. Als Interponat kann ein Beckenkammspan verwendet werden. Die Osteotomie nach Hintermann wird weiter proximal zwischen der mittleren und posterioren Gelenkfacette durchgeführt und stellt eine unvollständige open-wedge-Osteotomie dar (Abb. 3). Das intraoperative Ausmaß der Verlängerung wird bei Hintermann klinisch entschieden. Die Verlängerung der lateralen Säule kann zu einer Supinationsstellung des Vorfußes führen oder eine bereits vorhandene Supination verstärken. Daher sollte bei der Planung des Eingriffes eine plantarflektierende Ostoetomie des 1. Strahls mit aufgeklärt werden. Studien weisen nach Durchführung einer Verlängerungsosteotomie auf die Überlastung des CC-Gelenkes hin [21]. Angepasst an das jeweilige Ausmaß der Pes planovalgus-Deformität sollte eine bedarfsadaptierte Kalkaneusverlängerungsosteotomie in Kombination mit einer MCO durchgeführt werden. Die Kombination bietet gute Korrekturmöglichkeiten. Komplikationen durch Überreizen eines Verfahrens werden vermieden.

Eine minimalinvasive Möglichkeit stellt die Arthrorise (Sinus tarsi Spacer) dar. Erste Versuche erfolgten 1999 durch Maxwell et al. mit jedoch ernüchternden Ergebnissen [24]. Die Idee des Einsatzes eines Sinus tarsi Spacers war, die Hypermobilität im Subtalargelenk zu begrenzen. In neueren minimalinvasiven Konzepten erfolgt der Einsatz der Arthrorise, wenn noch eine Vorfußabduktion oder Hypermobilität im Subtalargelenk nach Durchführung einer MCO besteht. Jedoch kommen einige Patienten aufgrund anhaltender Schmerzen nicht mit der Arthrorise zurecht. Die Entfernung des Spacers ist nach 12 Monaten möglich, wodurch sich die Schmerzen rückläufig zeigen. Ein Korrekturverlust nach Implantatentfernung ist bisher nicht beschrieben [27].

FDL-Sehnentransfer

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