Originalarbeiten - OUP 10/2016

Therapie nichttraumatischer Meniskusläsionen
Eine systematische Übersicht zur arthroskopischen Meniskusteilresektion versus nichtoperative BehandlungA systematic review comparing arthroscopic partial meniscectomy with non-surgical treatment

Wolf Petersen*1, Andrea Achtnich*2, Christian Lattermann3, Sebastian Kopf4

Zusammenfassung

Hintergrund: Die meisten Meniskusläsionen sind nichttraumatischer Genese. Es wird kontrovers diskutiert, welche Patienten von einer arthroskopischen Teilresektion profitieren.

Methode: Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche in der nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) gesucht wurde, die die partielle Meniskektomie mit nichtoperativen Therapieverfahren verglichen.

Ergebnisse: Sechs von 6870 identifizierten Arbeiten konnten eingeschlossen werden. In 5 dieser Studien wurde kein Unterschied in den klinischen Ergebnissen zwischen Patienten nach arthroskopischer partieller Meniskektomie und den Kontrollgruppen (arthroskopische Lavage, Physiotherapie, Glukokortikoide) entdeckt. In 3 Studien besserten sich die Symptome bei 21–30 % der Patienten der Physiotherapiegruppe jedoch erst nach einer arthroskopischen partiellen Meniskektomie (Cross-over-Design). In 2 Studien war der Anteil der Patienten, die von dem einen in den anderen Behandlungsarm wechseln (cross over) deutlich geringer, in einer Untersuchung fehlten entsprechende Daten. In einem RCT hatten Patienten nach arthroskopischer partieller Meniskektomie signifikant weniger Schmerzen und Symptome. Obwohl 5 der analysierten Studien akzeptable Methoden-Scores erzielten, ließen sich in allen Studien Schwächen nachweisen. Diese betrafen die Beschreibung der chirurgischen Technik und die fehlende Kontrolle der Analgetika-Gabe einschließlich der Verabreichung nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR).

Schlussfolgerungen: Die operative und nichtoperative Therapie der nichttraumatischen Meniskusläsionen scheinen für die meisten Patienten gleichwertig zu sein. Allerdings ergab eine Studie geringere Schmerz- und Symptom-Scores nach arthroskopischer partieller Meniskektomie. Die Cross-over-Analyse zeigte jedoch, dass bei einem Teil der Patienten die nichtoperative Therapie versagt. Diese Patienten können von einer arthroskopischen partiellen Meniskektomie profitieren. Künftige Studien müssen diese Subgruppe genauer definieren.

Summary

Background: Most meniscus lesions are of non-traumatic origin. The indications for partial meniscectomy are controversial.

Methods: We systematically searched the literature for randomized controlled trials (RCTs) comparing partial meniscectomy with non-surgical treatment.

Results: Of 6870 articles retrieved by the literature search, we were able to include 6 in this systematic review. Five trials showed no difference between the clinical outcomes of patients who underwent arthroscopic partial meniscectomy and those who underwent control treatment (arthroscopic lavage, physiotherapy, glucocorticoids). In 3 trials, however, symptoms improved in 21–30 % of the patients in the physiotherapy group only after they underwent arthroscopic partial meniscectomy (crossover design). In 2 trials, the percentage of patients who crossed over from one treatment arm to the other was markedly lower; in one, the frequency of crossing over was not reported. In one RCT, the patients who underwent arthroscopic partial meniscectomy had significantly less pain and other symptoms. Five of the 6 trials had acceptable scores for method, but all had weaknesses. These mainly concerned the description of the surgical techniques and the failure to take account of analgesic use – in particular, the use of non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs).

Conclusion: For most patients with non-traumatic meniscus lesions, surgical and non-surgical treatments seem to be of equal value; only one of the 6 included trials revealed lower pain and symptom scores after arthroscopic partial meniscectomy. In multiple trials, however, the crossover analysis showed that non-surgical treatment fails for some patients. These patients may benefit from arthroscopic partial meniscectomy. Further trials are needed to better define this subgroup of patients.

Zitierweise
Petersen W, Achtnich A, Lattermann C, Kopf S: The treatment of non-traumatic meniscus lesions – a systematic review comparing arthroscopic partial meniscectomy with non-surgical treatment. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 705–13. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0705

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Deutschen Ärzteblatt 42–2015, Seite 705–713

Meniskusrisse können Symptome wie Schmerzen oder Blockierungen verursachen und die sportliche Aktivität und Lebensqualität der betroffenen Patienten beeinflussen [1–5]. Radiologische Studien haben gezeigt, dass Meniskusverletzungen außerdem im Langzeitverlauf zur Osteoarthrose führen können [2, 6–8].

Die Mehrzahl der Meniskusläsionen entsteht ohne ein adäquates Trauma [3, 4, 9]. Die Prävalenz nichttraumatischer Meniskusläsionen liegt nach Angaben der Framingham-Studie bei 31 % [9]. Lange Zeit war die arthroskopische Meniskusteilresektion für diese Verletzungen die Therapie der Wahl [3, 4, 10–12]. Verschiedene Kohortenstudien konnten die klinischen Erfolge dieses Therapieverfahrens zeigen [10–12].

Aufgrund der hohen Prävalenz nichttraumatischer Meniskusläsionen in der Bevölkerung und wegen der weiten Verbreitung der Magnetresonanztomografie (MRT), mit der diese Läsionen diagnostiziert werden können, wurde die partielle Meniskusentfernung zu einer der häufigsten orthopädischen Operationen [13–16]. Die DRG-Statistik (DRG, „diagnosis related groups“; diagnosebezogene Fallgruppen) belegt, dass in deutschen Krankenhäusern im Jahr 2013 circa 300.000 Meniskusoperationen durchgeführt wurden [17].

Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie aus Finnland (Finnish Degenerative Meniscal Lesion Study: FIDELITY study) haben gezeigt, dass die Ergebnisse nach arthroskopischer Meniskusteilresektion nicht besser waren als die nach einer Scheinoperation [18, 19]. Diese Studie erhielt viel Aufmerksamkeit in der Laienpresse, und es wurden Zweifel an der Effektivität der arthroskopischen Meniskusteilentfernung geäußert [14]. Aufgrund dieser Berichte wurde das Verfahren der arthroskopischen Meniskusteilresektion bereits von Kostenträgern und Gesundheitsorganisationen infrage gestellt [14]. Einige Autoren haben jedoch Schwächen der FIDELITY-Studie aufzeigen können [20]. Diese Schwächen waren die niedrige Einschlussrate von nur 15 % und die Durchführung einer arthroskopischen Lavage anstatt einer richtigen Scheinoperation in der Kontrollgruppe [20].

Ziel dieser Arbeit ist es, systematisch alle kontrollierten randomisierten Studien zu analysieren, die den Effekt der arthroskopischen partiellen Meniskusresektion bei nichttraumatischen Läsionen untersuchen.

Da frühere nichtrandomisierte Studien Vorteile der chirurgischen Meniskusbehandlung gezeigt hatten [10–12], vertreten die Autoren der vorliegenden Arbeit die Hypothese, dass es eine Subgruppe von Patienten gibt, die von einer Operation profitieren.

Methoden

Suchdetails

Zwischen dem 30.09.2015 und dem 22.12.2015 erfolgte eine systematische Literatursuche in der Datenbank PubMed nach PRISMA-Kriterien, um Arbeiten zu identifizieren, in denen die Behandlung nichttraumatischer Meniskusläsionen untersucht wurden [21, 22]. Die vorliegende Studie wurde prospektiv registriert (www.crd.york.ac.uk/PROSPERO; Nr.: CRD42014013957).

Zur Literatursuche wurden verschiedene Schlüsselwörter verwendet: „meniscus“, „arthroscopic partial meniscectomy“, „meniscus surgery“. Wenn eine entsprechende Studie gefunden wurde, wurden verwandte Artikel in PubMed recherchiert und die Literaturverzeichnisse nach relevanten Publikationen durchsucht. Die Hauptsuche wurde mittels Reviewer (WP) durchgeführt.

Einschluss- und
Ausschlusskriterien

Einschlusskriterien für dieses systematische Review waren:

prospektive randomisierte Studien (Level 1)

Meniskusläsion als Einschlusskriterium

Studien, die klinische Ergebnissse nach arthroskopischer partieller Meniskektomie berichteten

englischsprachige Studien

Publikation in einem „Peer reviewed“-Journal

Mindest-Nachuntersuchungszeitraum ein Jahr.

Die Publikationen wurden anhand der Abstracts auf ihre Eignung geprüft. Wenn die Zusammenfassung darauf hinwies, dass die Studie die Einschlusskriterien erfüllte, wurde der gesamte Artikel gelesen. In einer gemeinsamen Konferenz wurden die Studien endgültig akzeptiert und ausgewertet oder abgelehnt (Reviewer: WP, AA, SK). Die Studien, die nicht alle Einschlusskriterien erfüllten, wurden ausgeschlossen. Das Erscheinungsdatum war nicht limitiert. Alle 3 Reviewer mussten beim Studieneinschluss übereinstimmen. Artikel aus früheren systematischen Reviews und Metaanalysen wurden nicht ausgeschlossen.

Analyse

Wenn 2 separate Studien mit denselben Autoren, aber unterschiedlichen Nachuntersuchungszeiträumen gefunden wurden, wurde nur die Studie mit dem längeren Follow-up eingeschlossen [21]. Für die methodische Analyse wurden jedoch Doppelpublikationen, Anhänge und Publikationen zum Studiendesign herangezogen.

Primäre und sekundäre Endpunkte

Folgende primäre Endpunkte wurden analysiert:

klinische Scores

Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS)

Lysholm Score

Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC)

Western Ontario Meniscus Evaluation Tool (WOMET)

Visual Analogue Scale (VAS)

Wechslerraten (Patienten, die von der einen in die andere Behandlungsgruppe gewechselt haben).

Sekundäre Endpunkte waren:

Subgruppenanalyse für Faktoren, die einen Effekt auf das Ergebnis nach partieller Meniskusresektion hatten

radiologische Ergebnisse

Häufigkeit unerwünschter Wirkungen

methodische Analyse der eingeschlossenen Studien.

Die Studienqualität wurde anhand der Jadad Scores [23], der Coleman-Methoden-Scores [24] und der CONSORT-Checkliste (CONSORT, „consolidated standards of reporting trials“) geprüft [25].

Limitationen

Folgende Prozesse, die potenziell mit Limitationen für Studien behaftet sein können, wurden systematisch analysiert:

Beschreibung und Standardisierung des Operationsverfahrens

Kontrolle der chirurgischen Prozessqualität

Ausschluss anderer chirurgischer Maßnahmen

Kontrolle der Verwendung von Schmerzmedikamenten einschließlich nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR)

Kontrolle der intraartikulären Applikation von Glukokortikoiden.

Ergebnisse

Suchergebnisse und Studiendesign

Die Suchergebnisse sind in Abbildung 1 wiedergegeben. Details des Studiendesigns werden in Tabelle 1 gezeigt. Die Ein- und Ausschlusskriterien der 6 eingeschlossenen Studien sind in Tabelle 2 aufgelistet.

In der FIDELITY-Studie wurden 6 Patienten aufgrund falschpositiver MRT-Befunde ausgeschlossen [19]. Gauffin et al. [14] berichten über 10 falschpositive MRT-Befunde in der Arthroskopiegruppe. In den anderen Studien finden sich keine Informationen über falschpositive MRT-Befunde [26–29].

Klinische Ergebnisse

In allen Studien bestand zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses kein Unterschied zwischen den klinischen Scores (Tab. 3).

Bei der letzten Nachuntersuchung gab es in 5 Studien keinen statistisch signifikanten Unterschied in den klinischen Ergebnissen chirurgisch und nichtchirurgisch behandelter Patienten (Tab. 3). In einer Studie hatten die Patienten nach arthroskopischer partieller Meniskektomie jedoch signifikant weniger Schmerzen („KOOS Pain“-Subskala) nach 3 und 12 Monaten sowie weniger Symptome („KOOS Symptoms“-Subskala) nach 12 Monaten [14]. In 2 anderen Studien wurde ebenfalls die „KOOS Pain“-Subskala als primärer Endpunkt verwendet. In diesen Studien bestand kein Unterschied nach einem oder 5 Jahren [26, 27].

In allen 3 Studien wurden auch Wechslerraten von der Physiotherapiegruppe in die Arthroskopiegruppe analysiert (Tab. 3). Diese Wechslerraten betrugen 21 % [14], 27,7 % [26] und 34,9 % [27]. In der Gauffin-Studie wechselten 2 Patienten von der Physiotherapie- in die Arthroskopiegruppe innerhalb der ersten 3 Monate und 14 Patienten zwischen dem 4. und 12. Monat [14]. In der METEOR-Studie wechselten 51 Patienten innerhalb der ersten 6 Monate aus der Physiotherapie- in die Arthroskopiegruppe (30,2 %), 8 Patienten (4,7 %) wechselten zwischen dem 6. und 12. Monat [19].

Zwei Studien berichten, dass sich die klinischen Scores vor dem Wechsel in die Arthroskopiegruppe im Vergleich zum Studienstart nicht verbessert haben [26, 27]. Herrlin et al. [26] konnten zeigen, dass die Wechsler nach 2 Monaten signifikant schlechtere Werte bei den KOOS-Subskalen „pain“ sowie „sport“ und „quality of life“, im Lysholm Score und auf der Visuellen Analogskala für Schmerz (bei Aktivität) erzielten. In der METEOR-Studie [24] kam es bei den Wechslern ebenfalls nicht zu einer Verbesserung im WOMAC (physical-function) Score. Nach der Operation verbesserten sich die Scores dann auf das gleiche Niveau wie in der Gruppe, in der primär eine partielle Meniskektomie durchgeführt worden war [26, 27].

Subgruppenanalyse

In 4 Studien wurde eine Subgruppenanalyse durchgeführt für Faktoren, die einen Effekt auf das Ergebnis nach partieller Meniskusentfernung haben könnten. Weder der Grad der Arthrose [19, 27] noch Blockierungsymptome [14, 27] beeinflussten das klinische Ergebnis.

Unerwünschte Effekte

Unerwünschte Effekte wurden in 3 Studien analysiert. In keiner diese Studien konnten Unterschiede in der Häufigkeit unerwünschter Effekte nachgewiesen werden [14, 19, 27].

Radiologische Ergebnisse

Nur 2 Studien berichten über die Progression der Osteoarthrose. In diesen Studien konnten keine Unterschiede in der Arthroseprogression zwischen beiden Behandlungsgruppen (Arthroskopie oder Physiotherapie) nachgewiesen werden [26, 29].

Studienqualität und Limitationen

Tabelle 4 zeigt die Analyse der Studienqualität mit dem Jadad Score, dem Coleman-Score (Methoden) und der CONSORT-Checkliste.

Die Ergebnisse der Klassifizierung der Kontrolle der chirurgischen Prozessqualität, des Ausschlusses anderer chirurgischer Maßnahmen, der Verwendung von Schmerzmitteln einschließlich NSAR und von Glukokortikoiden zeigt Tabelle 5. Eine bedeutsame Limitation war, dass in keiner der Studien der Gebrauch von Schmerzmedikamenten einschließlich NSAR kontrolliert wurde (Tab. 5).

Eine weitere relevante Limitation war, dass in den untersuchten Studien unspezifische und nichtvalidierte Scores verwendet wurden (zum Beispiel Lysholm-, WOMAC und Oxford Knee Score [OKS]).

Diskussion

Im vorliegenden systematischen Review konnte nur eine Studie zeigen, dass die arthroskopische partielle Resektion des Innenmeniskus Vorteile im Vergleich zur physiotherapeutischen Behandlung bringt [14]. In den anderen Studien bestand kein Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen [19, 26–29].

Die Analyse der Wechsler zeigt jedoch, dass es eine Subgruppe von Patienten mit einer nichttraumatischen Innenmeniskusläsion gibt, die nicht von einer Physiotherapie profitierten [14, 26, 27]. Diese Befunde bestätigen die initiale Hypothese. In 2 Studien, in denen eine signifikante Wechslerrate berichtet wird, war der Grund für den Wechsel in die Arthroskopiegruppe, dass die Symptome unter der Physiotherapie persistierten [26, 27]. Nach der arthroskopischen partiellen Meniskusentfernung besserten sich die klinischen Ergebnisse dann auf das gleiche Niveau wie bei Patienten, bei denen primär eine arthroskopische Meniskusteilentfernung durchgeführt worden war.

Offenbar spielen die Rissformen eine Rolle für das Ansprechen auf die operative oder nichtoperative Therapie. In die einzige Studie, in der keine Wechslerrate berichtet wurde, wurden nur Patienten mit horizontalen Meniskusläsionen eingeschlossen [29]. Das weist darauf hin, dass horizontale Läsionen gut auf eine nichtoperative Therapie ansprechen [29]. Herrlin et al. [26] untersuchten die Rissformen bei den Patienten, die von der Physiotherapiegruppe in die Arthroskopiegruppe wechselten. In dieser Studie hatten 3 von 13 Wechslern einen Lappenriss. Lappenrisse haben das Potenzial, mechanische Symptome zu verursachen. Diese Beobachtungen zeigen, dass Patienten mit Lappenrissen von einer arthroskopischen Meniskusteilentfernung profitieren.

In der Studie von Gauffin et al. [14] mussten sich alle Patienten präoperativ physiotherapeutisch behandeln lassen. Das bedeutet, dass in dieser Studie eher Patienten ausgewählt wurden, die nicht auf eine physiotherapeutische Behandlung ansprachen.

In der Subgruppenanalyse der einzelnen Studien hatten weder das Alter [14], noch mechanische Symptome (Blockierungen) [14], das Arthrosestadium [19, 27] oder der akute Beginn der Symptome [14, 19] einen Effekt auf das Ergebnis.

Es ist nicht klar, ob die partielle Meniskektomie oder die Meniskusläsion selbst ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Osteoarthrose ist. In der Studie von Herrlin et al. [26] bestand kein Unterschied in der Arthroserate der Behandlungsgruppen, und die Mehrheit der Patienten zeigte keine Arthroseprogression [26]. Nach 5 Jahren schritt bei jeweils 2 Patienten pro Behandlungsgruppe die Osteoarthrose fort [26]. Diese Befunde stehen im Gegensatz zu anderen Studien [6, 7]. Sie sind aber Hinweise dafür, dass die Entwicklung einer Osteoarthrose nicht durch eine arthroskopische partielle Meniskektomie bedingt ist. Die Meniskusläsion ist eher Folge der medialen Gonarthrose [30, 31].

Die Analyse der Studienqualität zeigte akzeptable Ergebnisse für 5 der untersuchten Studien. Nur eine Studie hatte in allen 3 Scores schlechte Ergebnisse [28]. Ihre Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden.

Limitationen

Kritikwürdig ist die Beschreibung der chirurgischen Technik in einigen Studien. Eine ungenaue Beschreibung und Standardisierung einer therapeutischen Variable ist bedenklich, da bekannt ist, dass intraoperative Komplikationen wie eine zu exzessive Resektion, iatrogene Knorpelschäden oder eine unzureichende Resektion das postoperative Ergebnis beeinflussen [32, 33]. Auch weitere arthroskopische Maßnahmen (Knorpelglättung, Notchplastik, partielle Synovialektomie et cetera) wurden nur in der FIDELITY-Studie ausgeschlossen [19]. Bedenklich ist außerdem, dass die chirurgische Prozessqualität in keiner der untersuchten Studien kontrolliert wurde. Künftige kontrollierte randomisierte Studien, die chirurgische Therapieverfahren untersuchen, sollten diese Faktoren berücksichtigen.

Bedenklich ist weiterhin, dass in keiner der untersuchten Studien der Verbrauch an Schmerzmedikamenten einschließlich NSAR dokumentiert wurde. Die Ergebnisse in beiden Behandlungsgruppen könnten demnach durch NSAR-Gebrauch maskiert gewesen sein. Die gastointestinalen Nebenwirkungen von NSAR sind weitgehend bekannt [34].

Ein weiterer Mangel der untersuchten Studien ist die fehlende Generalisierbarkeit. Fehlende Generalisierbarkeit ist eine typische Limitation randomisierter kontrollierter Studien. In die METEOR-Studie konnten nur 26 % und in die FIDELTY-Studie nur 15 % der infrage kommenden Patienten eingeschlossen werden. Daher können die Ergebnisse nur mit Vorsicht auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden [27].

Bedenklich ist weiterhin, dass in 3 Studien der Lysholm Score als primärer Endpunkt verwendet wurde. Dieser Score ist für zwei der in den jeweiligen Studien gebräuchlichen Landessprachen (Finnisch und Koreanisch) nicht validiert. Außerdem haben Briggs et al. zeigen können, dass für die Lysholm-Domänen Hinken, Instabilität, Hilfe und Blockierung unangemessen hohe Deckeneffekte (> 30 %) im Hinblick auf Meniskusprobleme bestehen [35]. Für den KOOS wiederum wurden Bodeneffekte beschrieben, wenn er für Meniskuspatienten verwendet wurde [36].

Weitere Limitationen umfassen fehlende Informationen über die Verteilung prognostischer Faktoren wie Extrusion, subchondrales Ödem, Varus-Fehlstellung oder Wurzelverletzungen [37–39].

Auch dieses systematische Review hat einige Limitationen. Eine Metaanalyse war aufgrund der Heterogenität der verwendeten Scores nicht möglich. Auch die Anzahl der eingeschlossenen Studien kann als Limitation betrachtet werden (nur 6 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), die zu einem systemischen Bias führen kann. Weitere klinische Studien sind notwendig, um die Subgruppe der Patienten, die von einer arthroskopischen partiellen Meniskusentfernung profitieren, genauer zu charakterisieren. Im Hinblick auf die Kontrolle der Behandlungsvariablen haben sich die Autoren der vorliegenden Arbeit nur auf die chirurgische Behandlungsgruppe fokussiert. Eine ähnliche Problematik ergibt sich auch für die Physiotherapie. Gauffin et al. [14] berichten, dass nur 53 % der Patienten das Übungstagebuch ausgefüllt und nur 19 von 24 der geforderten Übungseinheiten durchgeführt hatten. Zu beachten ist auch, dass sich alle untersuchten Publikationen auf den Innenmeniskus fokussieren. Aussagen zur Therapie der Außenmeniskusläsion sind nicht möglich.

Resümee

Vordergründig zeigen die eingeschlossenen Studien, dass die Ergebnisse nach arthroskopischer partieller Entfernung des Innenmeniskus und nach nichtoperativer Therapie gleichwertig sind – auch wenn eine der 6 Studien über weniger Schmerzen und Symptome in der Gruppe nach arthroskopischer partieller Meniskektomie berichten konnte. 21–30 % der Patienten scheinen jedoch nach fehlgeschlagener physiotherapeutischer Behandlung von einer arthroskopischen partiellen Meniskektomie zu profitieren. Es gibt Hinweise darauf, dass Patienten mit Lappenrissen zu dieser Gruppe gehören. Künftige Studien sollten diese Subgruppe genauer definieren.

Die Variabilität der Publikationen zu diesem Thema ist groß, so dass ein eindeutiger Konsensus derzeit nicht möglich ist.

Interessenkonflikt: Prof. Petersen hält Patente und Tantiemen der Firmen Karl Storz und Otto Bock. Er wurde für Beratertätigkeit honoriert von den Firmen Karl Storz, Otto Bock und AAP Implantate. Darüber hinaus erhielt er Vortragshonorare von der Firma AAP Implantate. Die anderen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Korrespondenzandresse

Prof. Dr. med. Wolf Petersen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

am Martin Luther Krankenhaus Berlin

Caspar-Theyss-Straße 27–31

14193 Berlin

Wolf.Petersen@pgdiakonie.de

Die vollständige Literatur und ein ausführlicher Methodenteil sind zu finden unter
www.aerzteblatt.de/15m0705.

Fussnoten

* W. Petersen und A. Achtnich haben gleichwertig zur vorliegenden Arbeit beigetragen.

1 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Martin Luther Krankenhaus, Berlin

2 Abteilung für Sportorthopädie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

3 Department of Orthopaedic Surgery, University of Kentucky, Lexington, Kentucky, U.S.A

4 Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Die Autoren sind Mitglieder des „Research“ Komitees der Deutschen Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA)

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