Originalarbeiten - OUP 11/2013

Ursachen und Therapie des vorderen Knieschmerzes nach Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP)
Causes and treatment of anterior knee pain after implantation of
a total knee arthroplasty (TKA)

Diese funktionellen Probleme können mit konservativen Maßnahmen adressiert werden [11]. Bei den konservativen Maßnahmen zur Therapie des funktionell bedingten vorderen Knieschmerzes besteht Evidenz für passive rezentrierende Maßnahmen (Tape und Orthesen) und Physiotherapie [19, 20]. Positive Erfahrungen wurden mit einer Rezentrierungsorthese (Patella pro, Otto Bock) gemacht, die die begleitende Physiotherapie unterstützen soll (Abb. 5). Durch die Rezentrierung soll die physiotherapeutische Korrektur des funktionellen Malalignements erleichtert und eine normale Ansteuerung der Muskeln ermöglicht werden. Physiotherapeutisch stehen die Muskeln des Oberschenkels, der Hüftregion und Rumpfstabilisatoren im Fokus.

Dieses Konzept basiert auf Studien mit Patienten mit patellofemoralem Schmerzsyndrom ohne K-TEP [19]. Für Träger einer Knieendoprothese stehen geeignete Studien im Hinblick auf die konservative Therapie des vorderen Knieschmerzes noch aus.

Mechanische Ursachen für den vorderen Knieschmerz

Die mechanischen Ursachen für patellofemorale Probleme nach Kniegelenkersatz können danach unterschieden werden, ob sie die Instabilität im Femoropatellargelenk erhöhen, zu Veränderungen in der Übertragung des Gelenkdrucks führen oder ob sie die muskulären Hebelarme beeinflussen. Zu den mechanischen Ursachen zählen die patellofemorale Instabilität, Prothesendesign, Patella baja, Chondrolyse, Offset-Fehler der femoralen Komponente, Rotationsfehler, tibiofemorale Instabilitäten, avaskuläre Nekrosen und synoviale Hyperplasien. All diese Ursachen können zu Schmerzen und funktionellen Defiziten des Patienten führen.

Patellofemorale Instabilität und Maltracking

Die patellofemorale Instabilität ist ein häufiger Grund für postoperative Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Femoropatellargelenk, der oft zu einer Revisionsoperation führt. Die Revisonsraten aufgrund femoropatellarer Instabilität liegen bei ca. einem Prozent [21].

Dabei handelt es sich jedoch nicht um Instabilitäten im Sinne rezividierender Patellaluxationen, sondern um ein Maltracking (Abb. 6). Die Ursachen für eine femoropatellare Instabilität oder Maltracking können in einer unzureichenden Weichteilbalancierung oder Komponenten-Positionierung (Patellaposition, femorale Rotation, Valgus Malalignement) liegen. Aber auch ein präoperativ vergrößerter TTTG-Abstand oder eine Patella alta können Instabilitäten bedingen. Meist kommt es zu lateralen Instabilitäten; aber auch mediale Instabilitäten kommen vor. Bei Vorliegen einer statischen femoropatellaren Instabilität ist diese auf tangentialen Patellaaufnahmen (Defilée-Aufnahmen, Merchants view) diagnostizierbar. Dabei ist auf eine Lateralisation und Verkippung der Patella zu achten (Tilt). Ein lateraler Osteophyt oder Überhang kann ein Maltracking fixieren. In diesen Fällen sind externe Rezentrierungsversuche (Orthese, Physiotherapie) meist erfolglos. Dynamische Subluxationsphänomene sind oft nur durch eine sorgsame klinische Untersuchung zu erfassen.

Einfluss des Prothesendesigns

Auch das Prothesendesign kann bei der Entstehung patellofemoraler Probleme eine Rolle spielen. So ist die Tiefe der Trochlea proportional zur Stabilität der Patella und den im Patellofemoralgelenk übertragenen Kräften. Ein asymmetrisches femorales Gleitlager mit lateraler Überhöhung führte experimentell zu einem stabileren Patellalauf als ein flaches Gleitlager, besonders bei mehr als 45° Flexion [22].

Auch das Design der Patellakomponente (symmetrische Wölbung, asymmetrisches Design) kann die Stabilität im patellofemoralen Gelenk beeinflussen [3]. Diese Faktoren müssen bei der Auswahl der Knieendoprothese bedacht werden.

Aber nicht nur das Design des Femoropatellargelenks hat einen Einfluss auf den vorderen Knieschmerz. Femorale Komponenten mit einem posterioren Rotationszentrum sollen einen günstigen Einfluss auf den vorderen Knieschmerz haben [13].

Auch der Kopplungsgrad kann einen Einfluss auf die Druckübertragung im Femoropatellargelenk haben. So konnten Becher et al. [23] zeigen, dass ein posterior stabilisiertes Prothesendesign zu geringeren femoropatellaren Gelenkdrücken führt als ein Kreuzband erhaltendes Design. Im Rahmen einer Metaanalyse konnte jedoch kein Unterschied hinsichtlich postoperativer Schmerzen zwischen kreuzbanderhaltenden und kreuzbandresezierenden Prothesen gefunden werden [24]. Klinisch relevant wird diese Beobachtung jedoch, wenn bei kreuzbanderhaltendem Inlay eine Insuffizienz der posterioren Stabilisatoren vorliegt (HKB, posterolaterale und posteromediale Gelenkecke). Daher sollten hintere Instabilitäten bei femoropatellaren Beschwerden immer ausgeschlossen werden (Abb. 7).

Patella baja

Auch eine tief stehende Patella (Patella baja, Abb. 8). kann zum vorderen Knieschmerz nach K-TEP führen [25]. Die Inzidenz der Patella baja nach K-TEP oder unikompartimenteller Arthroplastik ist jedoch gering [26]. Sharma et al. [26] haben 135 konsekutive Patienten nach K-TEP im Hinblick auf die Patellahöhe untersucht. In dieser Studie entwickelte nur ein Patient per definitionem eine postoperative Patella baja (Insall-Salvati weniger als 0.8). 5 Patienten hatten eine Verringerung des Insall Salvati Indexes von 10% ohne Patella baja. Die Eversion der Patella hatte nach Angaben dieser Autoren keinen Einfluss auf die Entstehung der Patella baja.

Die Patella baja nach K-TEP kann vorbestehend oder erworben sein [25]. Zu einer postoperativen Patella baja kann es durch Kontrakturen der Patellarsehne oder Vernarbungen oberhalb der Tuberositas tibiae kommen. Eine Pseudo-Patella baja kann durch eine elevierte Gelenklinie entstehen. Dabei bleibt die Patella in ihrer normalen Position relativ zur Trochlea; die Distanz zwischen Patella und Tibia ist jedoch verringert. Eine Pseudo-Patella baja kann Resultat einer femoralen oder tibialen Überresektion mit einem hohen Inlay sein.

Problematisch wird die Patella baja bei Revisionseingriffen. Hier ist oft eine Tuberositasosteotomie erforderlich. Dann kann ggf. eine Proximalisierung des Tuberositasfragments erfolgen. Eine Alternative zur Tuberositasproximalisierung ist die Verlängerung der Patellarsehne [25].

Chondrolyse

Bei nicht ersetzter Patella kann auch eine Chondrolyse zu femoropatellaren Schmerzen führen [3]. Die Chondrolyse kann die Fortsetzung des arthrotischen Prozesses sein; sie kann aber auch mit mechanischen Faktoren assoziiert sein, die auf die Knieprothesenimplantation zurückzuführen sind (z.B. Malrotation der Komponenten).

Offset-Fehler der femoralen
Komponente

Einen großen Einfluss auf die Mechanik des femoropatellaren Gelenkes hat der anteriore femorale Überhang (Offset) der femoralen Komponente. Ein anteriorer Überhang kann durch eine zu groß gewählte femorale Komponente oder eine zu geringe anteriore Resektion (Overstuffing) bedingt sein. Das kann zu einem erhöhten Anpressdruck der Patella und auf diese Weise zu femoropatellaren Problemen führen [3].

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