Originalarbeiten - OUP 11/2013
Ursachen und Therapie des vorderen Knieschmerzes nach Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP)Causes and treatment of anterior knee pain after implantation of
a total knee arthroplasty (TKA)
a total knee arthroplasty (TKA)
Aber auch eine vermehrte anteriore Resektion („Undercutting“, „Notching“) kann zu femoropatellaren Problemen führen. In diesem Fall ist die passive Quadrizeps-Insuffizienz als Ursache für den vorderen Knieschmerz zu sehen. Durch die Vergrößerung des posterioren „Offset“ kann es außerdem zu Beugeeinschränkungen kommen. Ein weiteres Problem des „Notching“ ist natürlich das Risiko supracondylarer periprothetischer Femurfrakturen.
Rotationsfehler der femoralen oder tibialen Komponente
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine zu sehr innenrotierte femorale oder tibiale Komponente einen erhöhten lateralen Tilt-Winkel und eine Lateralisation der Patella bedingen kann [27, 28].
Von manchen Autoren werden Fehlrotationen der femoralen Komponente als der häufigste Grund für Patella-Komplikationen nach K-TEP gesehen [27, 28]. Schon eine Innenrotation der femoralen Komponente von 3–7° kann zu chronischen Problemen führen [27]. Bhattee et al. [28] haben zeigen können, dass schlechte Ergebnisse nach einem sekundären Patellarückflächenersatz häufig auf Rotationsfehler der femoralen Komponente zurückzuführen sind.
Aber auch ein Innenrotationsfehler der tibialen Komponente kann nach Angaben von Nicoll und Rowley [29] zu femoropatellaren Problemen führen. Das gilt besonders für fixierte Gleitlager. In der Serie von Nicoll und Rowley [29] hatten mehr als die Hälfte der 38 Patienten mit einen fixierten Gleitlager einen Innenrotationsfehler der femoralen und tibialen Komponente. Inzidenz und Ausmaß des Innenrotationsfehlers waren tibial ausgeprägter als femoral. Im Gegensatz zur Innenrotation der tibialen Komponente wurden Außenrotationsfehler gut toleriert.
Aufgrund dieser Befunde sollte bei Patienten mit vorderem Knieschmerz ein Rotations-CT angefertigt werden, wenn keine anderen Ursachen evaluierbar sind (Abb. 9).
Tibiofemorale Instabilitäten
Auch hintere tibiofemorale Instabilitäten, die sich vor allem in Flexion manifestieren, können das Femoropatellargelenk beeinflussen, da sich der Gelenkdruck durch die hintere Subluxationsstellung erhöht (Abb. 7).
Ursachen für eine Flexionsinstabilität kann ein erhöhter tibialer Slope oder eine iatrogene oder traumatische Schädigung der hinteren Weichteilstabilisatoren (hinteres Kreuzband, posteromediale und posterolaterale Gelenkecke) sein [30].
Patellarückflächenersatz
Die Notwendigkeit des Patellarückflächenersatzes wird im Schrifttum kontrovers diskutiert. Fu et al. [31] haben eine Metaanalyse zur Effektivität des Patellarückflächenersatzes durchgeführt. 10 Studien mit 1003 endoprothetisch versorgten Kniegelenken konnten eingeschlossen werden. In dieser Studie bestand kein Unterschied in der Inzidenz des vorderen Knieschmerzes. Das Risiko für eine erneute Operation war in der Rückflächenersatzgruppe allerdings niedriger als in der Gruppe ohne Rückflächenersatz. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen He et al. [32] in einer Metaanalyse in die 16 Studien mit über 3000 Kniegelenken eingeschlossen wurden. Auch in dieser Analyse zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen in Bezug auf die vordere Knieschmerzen-Rate, Knie-Schmerz-Score, Knee-Society-Score und Kniefunktion. Auch in dieser Studie war die Inzidenz an Reoperationen bei Patienten ohne Rückflächenersatz niedriger als bei Patienten mit Rückflächenersatz. Wurden nur qualitativ hochwertige Studien analysiert, bestand kein Unterschied in den Reoperationsraten zwischen beiden Gruppen. Aufgrund dieser Ergebnisse kann derzeit keine klare Empfehlung hinsichtlich der Notwendigkeit eines Rückflächenersatzes gegeben werden.
Eine Indikation sehen wir bei fortgeschrittenen destruktiv konkaven Veränderungen der Patellarückfläche bei klinischen Symptomen für vorderen Knieschmerz. Ansonsten wird ein „Trimming“ mit zirkulärer Synovialektomie und Denervierung durchgeführt.
Beide Verfahren können mit Komplikationen assoziiert sein. Zu den Problemen bei nicht ersetzter Patellarückfläche zählt die Chondrolyse (s.o.). Bei Patellarückflächenersatz kann es zu aseptischer Lockerung, zu Frakturen (s.u) oder zu einem „Overstuffing“ kommen [33]. Bei einem zu geringen Resektionsausmaß kann es zum „Overstuffing“ mit vermehrter Spannung auf den Retinakular kommen [33]. Bei zu großem Resektionsausmaß steigt das Risiko einer Patellafraktur. Eine unbedeckte laterale Facette aufgrund eines kleinen medialisierten Implantats kann zu einem lateralen Facettensyndrom führen.
Die Indikation zu einem sekundären Patellarückflächenersatz bei vorderem Knieschmerz sollte jedoch vorsichtig gestellt werden, da im Schrifttum nur begrenzte Erfolgsraten von ca. 50–60% mitgeteilt werden [6, 7]. Ein Grund für diese Beobachtungen kann darin liegen, dass der retropatellare Knorpelschaden nicht bei allen Patienten Ursache für den vorderen Knieschmerz ist. Bhattee et al. [28] haben zeigen können, dass bei Patienten mit einem schlechten Ergebnis nach sekundärem Patellarückflächenersatz oft Innenrotationsfehler der femoralen Komponente von mehr als 3° vorlagen.
Avaskuläre Nekrose
Lokaler Schmerz über der Patella unter Belastung des Streckapparats kann ein Hinweis auf eine avaskuläre Nekrose oder eine transiente Ischämie sein [3] (Abb. 10). Die Inzidenz klinisch manifester ischämischer Nekrosen ist jedoch gering. Trotzdem soll es bei bis zu 10% der Patienten nach einer K-TEP-Implantation zu einer pathologischen Radionuklidaufnahme kommen [34]. Die Inzidenz ischämischer Zustände soll nach Angaben von Gelfer et al. [35] bei Patienten ohne lateral release bei 19,5% liegen. Bei Patienten, bei denen ein lateral release notwendig war, ist die Inzidenz wahrscheinlich noch höher [36]. Nach Angaben von Kohl et al. [37] korreliert der intraossäre Blutfluss jedoch nicht immer mit postoperativem vorderen Knieschmerz.
Patellafraktur
Die Patellafraktur ist mit einer Prävalenz von 0,68% eine eher seltene Komplikation nach K-TEP [38].
Bei intaktem Streckapparat und stabilem Patellaimplantat können Patellafrakturen konservativ behandelt werden (Typ-I-Fraktur) (Abb. 11). Eine Streckapparat-Insuffizienz erfordert meist ein operatives Vorgehen (Typ-II-Fraktur). Auch eine Fraktur, die mit einem gelockerten Rückflächenersatz assoziiert ist erfordert meist ein operatives Vorgehen (Typ III).
Patellar-clunk
Als “Patellar-clunk” wird ein „Weichteil-Impingement” hinter der Patella bezeichnet. Ursache ist ein fibröser Knoten oberhalb der Patella der in Beugung in der Fossa intercondylaris klemmt [39]. Die Inzidenz dieses Phänomens war bei älteren Prothesenmodellen mit kurzem Gleitlagerschild häufiger; es wird heute nur noch selten beobachtet.