Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014

Vaskularisierte ossäre und osteokartilaginäre Transplantate am Handgelenk: Ein Update

Die Verwendung des Os pisiforme als vaskularisiertes Transplantat für die Revaskularisation oder gar den Ersatz des Lunatums beim M. Kienböck ist aufgrund der hohen Hebestellenmorbidität gegenüber anderen Transplantaten (siehe unten) und der hohen sekundären radiokarpalen Arthroserate heute nicht mehr zu empfehlen [6, 7, 8].

Demgegenüber sind gestielte Transplantate vornehmlich aus dem Radius nach wie vor eine etablierte Option für vaskularisierten Knochentransfer in den Karpus ohne mikrovaskuläre Anastomosen, wohl aber mithilfe mikrochirurgischer Präparationstechnik [9]. Der große Vorteil dieser Transplantate gegenüber den metakarpalen besteht im wesentlich besseren Größenverhältnis zwischen Transplantat und Spenderknochen: Für alle gängigen Knochendefekte im Rahmen der Rekonstruktion von Skaphoidpseudarthrosen oder Lunatummalazien, aber auch der seltenen Kapitatumpseudarthrose können Späne ausreichender Größe gewonnen werden, ohne den Radius wesentlich in seiner Stabilität zu beeinflussen.

Das klassische vaskularisierte Transplantat für die Kahnbeinpseudarthrose stellt hierbei der „Zaidemberg“-Span dar, ein Knochenblock aus dem dorsoradialen Radius, welcher an der zwischen dem 1. und 2. Extensorsehnen-Kompartiment verlaufenden Arterie (1,2-ICSRA) und deren Begleitvene distal gestielt ist (Abb. 1) [10, 11, 12]. Sofern diese auf dem Retinaculum extensorum laufende feine Arterie noch intakt ist und nicht im Rahmen z.B. einer Sehnenfachspaltung bei Tendosynovitis de Quervain zerstört wurde, stellt sie eine gute Möglichkeit dar, Kahnbeinpseudarthrosen zur Ausheilung zu bringen [10, 13, 11]. Als Alternative hierzu besitzt das an der 2,3-ICSRA gestielte Transplantat einen noch etwas größeren Aktionsradius [14].

Für den dorsalen Zugang zum Karpus im Rahmen der Rekonstruktion proximaler Kahnbeinpseudarthrosen, Lunatummalazien oder Kapitatumpseudarthrosen stellt der distal gestielte 4,5-ECA-Span eine gute Option dar. Der vom ulnaren distalen Radius vorsichtig mit feinen Meißeln herausgearbeitete Span ist an den extrakompartimentalen, auf dem Boden des 4. und 5. Strecksehnenfachs verlaufenden Arterien gestielt und besitzt einen langen Stiel (Abb. 2) [14, 9]. Der Span ist relativ leicht zu heben, dies ist nach Voroperationen allerdings oft nicht mehr möglich, da die distale Verbindung ins Rete carpale dorsale zerstört ist. Hier verbleiben dann nur freie mikrovaskuläre Transplantate als Alternativen.

In manchen Studien besitzen gestielte vaskularisierte Transplantate vom distalen Radius – wenn sie von Ihrer Gefäßversorgung überhaupt noch möglich sind – gerade für proximale Kahnbeinpseudarthrosen jedoch eine Erfolgsquote von nur 50 % [16], weshalb freie mikrovaskuläre Transplantate auch schon primär eine sinnvolle Option sein können.

Freie mikrovaskuläre
Knochentransplantate

Vaskularisiertes
Beckenkammtransplantat

Nach den Erfahrungen mit der klassischen Matti-Russe-Plastik und ihren entsprechenden Modifikationen zur Rekonstruktion des Kahnbeins wurde für Fälle mit avaskulärem (meist proximalen) Pol das mikrovaskuläre Beckenkammtransplantat (DCIA-Lappen; „Deep circumflex iliac artery bone flap“) erfolgreich eingeführt. Basierend an den Vasa iliaca circumflexa profunda ist dieses Transplantat eigentlich am besten für großvolumige knöcherne Rekonstruktionen, z.B. zur metaphysären Rekonstruktion von Röhrenknochen, für die Rückfußrekonstruktion und zur Rekonstruktion des Unterkiefers optimal geeignet. Vor allem die Innsbrucker Gruppe um Gabl und Hussl konnte den gefäßtragenden Knochenanteil jedoch so minimieren, dass er zur Rekonstruktion des mittleren Kahnbeindrittels verwendet werden konnte [17]. Die exzellente Knochenqualität und der großlumige Gefäßstiel erleichterten den chirurgischen Einbau an der Hand. Wenn das Transplantat für vaskularisierte Rekonstruktionen des mittleren Kahnbeindrittels verwendet wurde, erfolgte der Zugang meist von palmar, ansonsten von dorsal. Da für die Handchirurgie nahezu beliebige Größen gehoben werden konnten, war es gut geeignet, auch ausgedehnte zystische Läsionen am Kahnbein oder am Lunatum zu ersetzen [18, 19].

Gerade bei adipösen Patienten ist das Transplantat jedoch deutlich erschwert zu heben und von einer nicht unbeträchtlichen Komplikationsrate an der Hebestelle begleitet: In einer Nachuntersuchung von 60 Fällen beschrieben Harpf et al. [20] zwar eine knöcherne Durchbauungsrate von 92 % im Gesamtpool von 21 konservativ behandelten oder unbehandelten Skaphoidpseudarthrosen, 26 avaskulären Polfragmenten nach B3-Fraktur und 13 erfolglosen Osteosyntheseversuchen, jedoch kam es in über 40 % aller Patienten zu Narbenschmerzen und in rund 32 % zu Schmerzen durch die knöcherne Entnahme des Beckenkammknochens. Konturunregelmäßigkeiten am Becken wurden in über 63 % der Patienten beschrieben und ca. 32 % der Patienten beschrieben eine postoperative Kompromittierung des N. cutaneus femoris lateralis.

Deshalb hat der vaskularisierte Beckenknochen mit der Entwicklung des wesentlich schneller und einfacher zu hebenden medialen Femurkondylentransplantats in den letzten Jahren an Bedeutung verloren.

Vaskularisierte mediale
Femurkondyle

Erstmalig von Sakai beschrieben, hat sich dieses Transplantat zunächst für die mikrochirurgische Therapie von Pseudarthrosen an den langen Röhrenknochen etabliert [21]. Ursprünglich kam es als reines kortikoperiosteales Transplantat zum Einsatz, welches durch segmentale Osteotomie der kortikalen Schuppe am periostealen “Scharnier“ um die Pseudarthroseregion genäht oder gewickelt werden konnte. In der Literatur ist eine Reihe von Fallserien beschrieben, welche die enorm hohe osteogene Potenz dieses Transplantats untermauern [22, 23, 24, 25, 26, 27, 28]. Mit zunehmender Erfahrung wurden auch spongiöse Knochenanteile en-bloc mitgenommen, und durch Doi et al. erstmalig die Verwendung des Transplantats am Karpus beschrieben [29].

Die operative Technik der Transplantathebung wird detailliert von Jones et al. und Del Pinal et al. erläutert. Die Spanhebung ist problemlos alleine in 30–40 Minuten zu erzielen. Durch einen Schnitt am inferioren Rand des M. vastus medialis gelangt man zwischen Faszie und Muskelbauch direkt auf die mediale Facette der Femurkondyle und findet die zuführenden Gefäße. Die vaskuläre Versorgung wird sehr ausführlich von Ioria et al., van Dijck et al. und Yamamoto et al. beschrieben [30, 31, 32]. In ca. 80 % aller Fälle sind die periostealen Gefäße im Wesentlichen durch die A. genicularis descendens und deren Begleitvenen versorgt [21]. An diesen gestielt, erlangt man einen für die Handchirurgie immer ausreichend langen Pedikel von 7–12 cm Länge. Weitere Zuflüsse erlangt das sehr gefäßreiche Periost durch die A. genicularis superomedialis, welches in bis zu 20 % die dominante Versorgung darstellt. Sie ist wesentlich kürzer (3–4 cm). Beide Gefäße besitzen einen für einen unkomplizierten mikrochirurgischen Anschluss ausreichenden Durchmesser an ihrem Ursprung von der A. femoralis bzw. der A. poplitea.

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