Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2017

Verletzungen des hinteren Kreuzbands – operativ oder konservativ?
Ein Beitrag des Ligament Komitees der Deutschen Kniegesellschaft (DKG)A contribution of the Ligament Committee of the German Knee Society

Die MRT spielt für die Diagnostik chronischer Instabilitäten nur eine untergeordnete Rolle, da aufgrund der MRT keine funktionellen Aussagen möglich sind. Bei akuten Verletzungen kann die MRT jedoch wichtige Hinweise auf das Verletzungsmuster geben. Das gilt besonders auch für akute Begleitverletzungen der posterolateralen und posteromedialen Gelenkecke.

Besteht inspektorisch der Verdacht auf eine varische Beinachse, so sollte bei chronischen Instabilitäten eine radiologische Bestimmung der Beinachse erfolgen, da diese bedeutsam für die Therapie der posterolateralen Instabilität ist.

Arthroskopie

Arthroskopisch ist das HKB nur schwierig zu visualisieren. Zum einen ist von vorne nur das proximale Drittel des HKB zu sehen. Zum anderen ist es von Synovialgewebe umgeben, sodass die direkte Beurteilung der Bandfasern erst nach partieller Synovialektomie möglich ist. Selbst wenn die Bandfasern sichtbar gemacht wurden, besteht bei chronischen Instabilitäten die Schwierigkeit, dass aufgrund des guten Heilungspotenzials oft ein kontinuierlicher Bandverlauf erkennbar ist, das HKB jedoch in Elongation ausgeheilt ist. Aus diesem Grunde sind die arthroskopischen Befunde nur in Kombination mit der Narkoseuntersuchung zu werten.

Tückisch kann die scheinbare Elongation des vorderen Kreuzbands sein (Floppy ACL, Abb. 6). Zum Eindruck einer scheinbaren Elongation des vorderen Kreuzbands kann es kommen, wenn das Knie in der hinteren Schublade hängt. Dann verliert das vordere Kreuzband seine Spannung und erscheint elongiert. Wird dieser Befund fehlinterpretiert und in dieser Situation eine Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands durchgeführt, wird das Kniegelenk in der hinteren Schublade fixiert (fixierte hintere Schublade).

Hilfreich kann die Arthroskopie jedoch bei der Erfassung posterolateraler Instabilitäten sein. Öffnet sich der laterale Gelenkspalt in der Figure-4-Position, so spricht dieser Befund für eine posterolaterale Begleitinstabilität (Abb. 6). Das gleiche gilt auch medial.

Therapie

Die Therapie posteriorer Instabilitäten ist ebenso komplex wie deren Diagnostik. Bei den akuten Verletzungen ist von Relevanz, ob eine isolierte HKB-Ruptur oder ob eine Kombinationsverletzung vorliegt. Isolierte HKB-Rupturen haben ein gutes Heilungspotenzial und können konservativ behandelt werden [1, 13]. Die konservative Therapie ist jedoch sehr aufwendig. Daher sollte ein konservativer Therapieversuch nur gemacht werden, wenn er erfolgversprechend erscheint.

Bei symptomatischen chronischen Instabilitäten richtet sich die Therapie nach dem Ausmaß der posterioren tibialen Translation, nach den Begleitinstabilitäten und nach der Beinachse. Wichtig für die Therapie chronischer Instabilitäten ist außerdem, ob eine fixierte hintere Schublade vorliegt.

Akute Verletzungen

Konservative Therapie

Ahn et al. berichten über positive Ergebnisse nach einer konservativen Therapie mit einem geraden Gipstutor mit Wadenpolster in Streckung [1]. In der Studie wurden 49 Patienten mit isolierter HKB-Ruptur auf diese Weise behandelt. Die im KT 1000 gemessene Stabilität besserte sich von 6,7 mm auf 5,2 mm. Im Lysholm-Score, Hospital for Special Surgery Score und IKDC-Score erreichten die Patienten 88,91 und 83 Punkte.

Komfortabler als ein Gipstutor ist eine abnehmbare Orthese (PTS Brace, Medi, Bayreuth). Zur konservativen Therapie der isolierten HKB-Ruptur wird der Patient für 6 Wochen mit dieser Orthese versorgt. Die Schiene hat ein Polster unter der Wade, dass das Zurücksacken der Tibia im Liegen verhindern soll. Krankengymnastische passive Bewegungsübungen sind nur in Bauchlage erlaubt (2 Wochen 20°, 2 Wochen 40° und 2 Wochen 60°). Danach werden die Patienten noch für 6 Wochen mit einer beweglichen Knieorthese versorgt. Die PTS-Schiene soll dann nur noch in der Nacht getragen werden [18].

Operative Therapie

Bei akuten Kombinationsverletzungen wird eine frühzeitige Naht der posteromedialen oder posterolateralen Strukturen angestrebt [5]. Dabei kommen Anker-Refixationen und intraligamentäre Nähte zum Einsatz [5]. Forkel et al. berichten über 13 Patienten nach Naht des medialen Kapselbandapparats bei akuter posteromedialer Kombinationsverletzung. In allen Fällen kam es zu einer stabilen Ausheilung der medialen Strukturen. In 3 Fällen trat jedoch eine Arthrofibrose auf.

Bei intraligamentären posterolateralen Verletzungen kann zusätzlich eine primäre Augmentation mit einem Sehnen-Transplantat erfolgen [32]. Dabei bietet sich die von Larson beschriebene fibulofemorale Schlinge an [32]. In Abhängigkeit von den übrigen Begleitverletzungen muss dann individuell entschieden werden, ob auch eine frühzeitige Rekonstruktion des hinteren Kreuzbands sinnvoll ist.

Eine Alternative für den frühen Bandersatz ist die Naht und Augmentation mit kräftigen Fadenkordeln (Ligament Bracing) [7]. Dabei werden die Fadenkordeln (z.B. Fiber tape oder Fiberwire, Arthrex) parallel zu den Kreuzbändern eingezogen um die tibiale Translation zu verhindern. So sollen die ruptierten Bänder ausheilen können. In einer Studie haben Heitmann et al. 20 Patienten auf diese Weise behandelt. Von diesen konnten 8 Patienten nach einem Zeitraum von 12–15 Monaten nachuntersucht werden. Sechs Patienten hatten ein stabiles Knie. Bei 2 Patienten ist es zu einer Rezidivinstabiliät des VKB gekommen. Die klinischen Scores waren zufriedenstellend [7].

Auch die rupturierten Kollateralbänder können mit dem Ligament Bracing versorgt werden.

Insgesamt handelt es sich beim Ligament bracing um ein vielversprechendes neues Konzept zur Therapie akuter Multi-Ligament-Verletzungen, das aber weiterer wissenschaftlicher Abklärung bedarf.

Chronische Instabilitäten

Trotz optimalen Managements enden viele HKB-Läsionen in einer chronischen Instabilität. Bei chronischen Instabilitäten muss zwischen ligamentären Rekonstruktionseingriffen und ossären Korrekturen unterschieden werden.

Indikation zur Bandrekonstruktion

Zu den ligamentären Rekonstruktionen zählen die Ersatzplastik des HKB sowie die posterolaterale oder posteromediale Rekonstruktion [15, 17, 32].

Bei einer symptomatischen Instabilität besteht ab einer posterioren tibialen Translation von mehr als 10 mm die Indikation zu einer Rekonstruktion des HKB mit einem autologen Sehnentransplantat. Bei einer posterioren tibialen Translation von unter 10 mm kann ein sogenannten Brace-Test durchgeführt werden. Dabei wird der Patient für ca. 4 Wochen mit einer beweglichen Knieorthese versorgt, die gegen die posteriore tibiale Translation stabilisiert (z.B. Genu Arexa, Otto Bock). Bessern sich die Instabilitätssymptome durch die Applikation einer beweglichen HKB-Orthese, besteht in diesen Fällen eine Indikation zur operativen Stabilisierung des Kniegelenks. Bei zusätzlichen drittgradigen peripheren Instabilitäten sollte die Indikation zur posterolateralen oder posteromedialen Rekonstruktion gestellt werden.

Indikation zur ossären Korrektur

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