Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023

Vierdimensionale Computertomographie des Hüftgelenkes bei Femuroacetabulärem Impingement (FAI)
Was ist ein 4D-CT und welchen Vorteil bringt es?

Christoph Gebhart, Wolfram Veitl, Alexander Gebhart, Clemens Felsing

Zusammenfassung:
Die Evidenz des femuroacetabulären Impingement (FAI) als Verursacher von Hüftschmerzen und Koxarthrose-Trigger erscheint gesichert. Die chirurgische Behandlung besteht in der Herstellung einer einklemmungsfreien Beweglichkeit und Reparatur der Folgeschäden. Die bisherigen Nachweismethoden (Röntgen, 3D-CT, MRT-Arthrographie) können die tatsächliche Kinematik präoperativ nicht exakt darstellen. Die dreidimensionale Echtzeit-Computertomographie-Videoaufnahme (= 4D-CT) einer vollständigen Hüftgelenksrotation zeigt genau den individuellen Ort und Zeitpunkt knöcherner Kontaktpunkte unter Berücksichtigung aller interaktiv agierenden Weichteile. Ausmaß, Richtung und Winkelgeschwindigkeit der pathologischen Gelenkkinematik sowie des mitbewegten Beckens und des Hüftgelenkes der Gegenseite werden dargestellt.

Schlüsselwörter:
Vierdimensionale Computertomographie, femuroacetabuläres Impingement (FAI), Koxarthrose

Zitierweise:
Gebhart C, Veitl W, Gebhart A, Felsing C: Vierdimensionale Computertomographie des Hüft-
gelenkes bei Femuroacetabulärem Impingement (FAI). Was ist ein 4D-CT und welchen Vorteil
bringt es?
OUP 2023; 12: 0164–0167
DOI 10.53180/oup.2023.0164-0167

Summary: Evidence for femoroacetabular impingement (FAI) as undelying mechanism for hip pain and
osteoarthritis development seems established. The surgical treatment is establishing friction free joint range of motion and repairing of the cartilage or labrum damage when possible. Conventional two-dimensional bi
planar standard x.rays, CT or MRI scans can not determine the exact impingement mechanism. The 4D CT method shows all the bone contact points and simultaneously counteracting movements of the femur, the
adjacent pelvic bone and contra lateral hip joint from all directions in a 17 seconds single real time CT movie.

Keywords: Four-dimensional computer tomography, femuroacetabular impingement (FAI), hip osteoarthritis

Citation: Gebhart C, Veitl W, Gebhart A, Felsing C: Four-dimensional computer tomography of the hip joint at femoroacetabular impingement (FAI). What is a 4D CT and what is its benefit?
OUP 2023; 12: 0164–0167. DOI 10.53180/oup.2023.0164-0167

Zentrum für minimal invasive Hüftchirurgie, Privatklinik Döbling, Wien, Österreich

Einleitung

Femuroacetabuläres Impingement (FAI) wurde als Auslöser anteriorer Hüftschmerzen und Koxarthrose-Trigger beschrieben [1]. Bei Vorliegen eines FAI kommt es im Zuge einer Hüftbeugung, mit eventuell gleichzeitig kombinierter Rotation, zu einem pathologisch verfrühten Knochenkontakt zwischen Hüftkopf (Femurkopf) und Hüftpfanne (Acetabulum). Das verursacht vermehrte Reibung mit Druckspitzen und kann in der Folge zu Schmerzen mit verfrühter Abnützung führen [2]. Wenn eine Fehlform oder Rotation von Becken oder Femur als pathologische Ursache des verfrühten Knochenkontaktes ausgeschlossen ist, unterscheidet man zwischen einem CAM- oder einem Pincer-FAI-Typ [2]. Bei einem CAM-Typ fehlt entweder die normale Taillierung des coxalen Femurendes am Kopf/Schenkelhals-Übergang oder es liegt sogar eine pathologische Ausbuchtung bzw. Höckerbildung (Bump) anstelle einer Taillierung vor.

Beim Pincer-Typ kommt es zu knöchernen Anlagerungen am Pfannenrand (Pincer), welche den Bewegungsumfang frühzeitig durch Knochenkontakt einschränken. Sind die Pinceranlagerungen kurzstreckig, spricht man von einem segmentalen Pincer. Größere langstreckige Pincerareale werden als globaler Pincer bezeichnet. Häufig treten Mischformen von kombinierten Cam-/Pincer-Deformitäten auf.

Obwohl eine chirurgische Intervention üblicherweise am Ende eines Behandlungsplanes steht, sind knöcherne Veränderungen nicht kausal konservativ mittels physikalischer Therapie reversibel behandelbar. Die Schwierigkeit besteht daher darin, nach Bewegungsanpassung den optimalen chirurgischen Interventionszeitpunkt zu wählen, bevor irreversible Gelenkzerstörungen eintreten [3]. Die chirurgische Behandlung, ob offen oder arthroskopisch, besteht in der Herstellung einer einklemmungsfreien Beweglichkeit des Hüftgelenkes und, falls möglich, Reparatur der Folgeschäden an labrum acetabulare und Gelenkknorpel.

Hypothese

Die bisherigen Nachweismethoden, ob Röntgen, 3D-CT mit digitaler Kinematiksimulation oder MRT-Arthrographie können aufgrund fehlender Weichteilinteraktion die tatsächlich vorliegende degenerativ veränderte Kinematik präoperativ nicht exakt darstellen.

Die dreidimensionale Echtzeit-Computertomographie-Bewegungsvideoaufnahme (= 4D-CT) einer vollständigen Hüftgelenksrotation in 0-gradiger Flexion (Log-roll-Test) zeigt genau den individuellen Ort und Zeitpunkt knöcherner Kontaktpunkte unter Berücksichtigung aller interaktiv agierenden Weichteile. Ausmaß, Richtung und Winkelgeschwindigkeit der durch pathologische Strukturen (Knochen und kontrakte oder elongierte Weichteile – Kapsel, Bänder, Muskel, …) veränderten Gelenkkinematik sowie des mitbewegten Beckens und kontralateralen Femurs werden dargestellt.

Aufgrund dieser Daten kann eine präoperative Planung knöcherner Resektionen zur Wiederherstellung einer einklemmungsfreien Gelenkbeweglichkeit individuell optimiert werden.

Material/Methoden

Mit einem Single Source CT (SOMATOM Def. AS+, Siemens Germany) mit 0,30 sec Rotationszeit und 38,4 mm Kollimator wurden die simultanen Untersuchungsvideos beider Hüftgelenke mit einem eigenen 4D-Spiral-Protokoll in einem cranio-caudalen Scanbereich von 27 cm in Rückenlage aufgenommen.

Die Patientinnen und Patienten werden mit den Beinen voran in den Computertomographen eingefahren. Das untersuchte Bein wird dabei beginnend von 65° maximaler Außenrotation bei 0°-Hüftflexion innerhalb ca. 17 sec maximal 54° innen rotiert entsprechend klinischer Plausibilitätskontrolle mittels an der Fußsohle
fixiertem Goniometer (Abb. 1).

Nach manueller Topogramm-Fokussierung (kVp 120, 60 mA, 512 mm) wurde das CT-Video bei effektiver Kollimation von 128*0,6 mm mit einer isotropischen Auflösung von 0,33 mm erstellt. Unser 4D-Spiralmodell basiert auf kVp 100, 70 mAs, CTDIvol 20,61 mGy, 3 sec Durchlaufzeit und einer Scanzeit von 1 sec.

Nach Datenaquirierung wurden die Videos im Zuge der Original-Erstbeschreibung 2009 auf einer 4D-Computer-Workstation mit der syngo InSpace 4D-Software (Siemens, Germany) mit einem Weichteilalgorithmus (B20 Beckenfenster) und einem Knochenalgorithmus (B60 Knochenfenster) in 0,75 mm Schichtdicke rekonstruiert. Exakte digitale Planungen und Messungen wurden ausschließlich in den zweidimensionalen CT-Rekonstruktionsschnitten vorgenommen. Im ersten Planungsschritt wurde das Rotationszentrum des Femurkopfes ermittelt und gekennzeichnet (Abb. 2).

Danach wurde eine horizontale Messebene durch das Femurkopf-Rotationszentrum festgelegt. Die Schafthalbierende durch den Schenkelhals und das Femurkopf-Rotationszentrum wird zu einer Pfanneneingangsebene und einer posterioren Referenzlinie durch die hinteren Darmbeinschaufel-Kortikalisenden im Sacroiliacalgelenk referenziert (Abb. 3).

Winkelmessungen erfolgten zu Beginn und am Ende des Bewegungszyklus (Abb. 4). Appliziert wurde eine effektive Dosis von 3,3 mSv. In Relation dazu beträgt die Strahlenbelastung der durchschnittlichen österreichischen Hintergrundstrahlung 2,9 mSv. Zusammenfassend ist die ionisierende Strahlenexposition eines 4D-Acetabulum-CTs niedriger als jene eines normalen Becken- oder Abdomen-CTs [5]. Um eine Korrelation der Strahlenbelastung zu anderen medizinischen Untersuchungen herstellen zu können, verglichen die Autoren die Strahlenexposition zu einer Studie von Fazel et al., welche die effektive Dosis eines Abdomen-CTs mit 8 mSv und eines Becken-CTs mit 6 mSV definiert [6].

Ergebnisse

FAI, insbesondere anteriore CAM-/Pincerosteophyten, führen durch Anheben des Beckens durch den anstoßenden Hüftkopf bereits ab Neutralstellung zu Beckenrotation.

Das Becken bewegt sich dann in derselben Richtung wie das rotierende coxale Femurende. Wir zeigen, dass vom degenerativen FAI-Gelenk dadurch ab 0°-Rotation eine anteilige simultane Innenrotation im kontralateralen Hüftgelenk ausgelöst wird. Das bedeutet, die frühzeitige Anhebung des Beckens durch FAI löst an der Hüfte der Gegenseite ebenfalls eine Innenrotation im Hüftgelenk aus, obwohl das Femur der Gegenseite gar nicht bewegt wird.

Im Vergleich 4D-Video-CT des Autors erfolgt ohne Vorliegen einer klinischen Impingement-Symptomatik ebenfalls überraschend frühzeitig bereits ab 10°-Innenrotation eine vordere Beckenanhebung an der untersuchten Seite. Das führt aber zu einer geringeren Hüftinnenrotation auf der nicht aktiv bewegten Gegenseite.

Schlussfolgerung

4D-CT-Videoevaluation des Hüftgelenkes gibt bei FAI derzeit präoperativ die bestmögliche Information über die zugrundeliegende knöcherne Gelenkkinematik.

Das schafft die optimalen Voraussetzungen zur Planung der knöchernen Resektionen, um einen Bewegungsablauf zu etablieren, welcher pathologische Druckspitzen vermeidet.

Die individuelle knöcherne Pathologie der Patientin/des Patienten kann im Zusammenspiel mit der tatsächlich vorliegenden simultanen Weichteilinteraktion detailliert aufgezeichnet werden.

Unter Zugrundelegung dieser Daten kann eine speziell auf die jeweilige vorliegende Knochendeformität zugeschnittene exakte OP-Planung der erforderlichen Resektionen ermöglicht werden. Die korrekten individuell erforderlichen physiologischen Druckspitzen für Hüftgelenke müssen altersabhängig noch festgelegt werden [4]. Vielversprechend erscheinen aktuelle MRT basierten Arbeiten, welche auf eine akkurate vierdimensionale knöcherne Gelenkkinematik-Analyse ohne Strahlenbelastung hoffen lassen.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Primarius Dr. med. univ.

Christoph Gebhart

Zentrum für minimal invasive

Hüftchirurgie

Privatklinik Döbling

Heiligenstädter Straße 55–63

1190 Wien

Österreich

privatklinik@pkd.at

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