Übersichtsarbeiten - OUP 10/2017

Vollständige Wiederherstellung der Schulterfunktion nach Humeruskopfresektion
Ein FallberichtA case report

Die Resektionsarthroplastik ist eine seltene Option im Falle einer fehlgeschlagenen Implantation einer Schulterprothese, bei chronisch persistierendem Infekt oder auch bei nicht-rekonstruierbaren völlig zerstörten Schultergelenk [1]. Es verbleibt dann meist eine erhebliche Bewegungseinschränkung des Schultergelenks. Die Resektionsarthroplastik kann zwar die vorbestehenden Schmerzen reduzieren, schließt aber auch nicht aus, dass noch Restbeschwerden bestehen können.

In der Arbeit von Rispoli et al [1] wird von einem Kollektiv von 18 Patienten mit Resektionsarthroplastik der Schulter berichtet. Die durchschnittliche seitliche Elevation erreichte 70° (0°–150°), wobei sicherlich die Funktion der Schulter im Wesentlichen auf dem intakten M. deltoideus und der parascapulären Muskulatur beruht.

In unserem Fall erreichte der Patient eine vollständige Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit mit einer Seitwärtshebung von fast 180° und völliger Beschwerdefreiheit, es bestand lediglich eine Einschränkung der Kraft bei längerer Überkopfarbeit. Ein solch gutes Resultat ist uns aus der vorliegenden Literatur nicht bekannt.

Es stellt sich die Frage, wie eine solch unübliche Funktionsverbesserung nach Verlust des Oberarmkopfs und der Rotatorenmanschette möglich ist. In einer Abbildung ist eine scheinbare Rekonstruktion des Oberarmkopfs durch Knochenneubildung zu beobachten, da sie jedoch keinen direkten Kontakt zum Glenoid hat, sondern dorsal und medial hiervon liegt, kann sie allein keine funktionelle Verbesserung bewirkt haben.

Bei retrospektiver Betrachtung der in Abbildung 3 schon dargestellten Kernspintomografie fanden sich in weiteren Schichtbildern Hinweise für einen nicht verfetteten Supraspinatusmuskel, wobei die Sehne möglicherweise durch Narbenbildung Anschluss an den proximalen Humerusschaft gefunden hat (Abb. 6). Bei unserem Patienten kommen daher 3 günstige Faktoren zusammen, die seine gute Schulterfunktion nach Humeruskopfresektion erklären: Der kräftig ausgebildete M. deltoideus, der narbig günstig angeheilte und funktionell wirksame M. supraspinatus und eine dem Humerusschaft aufsitzende, abgerundete Knochenneubildung, die in einer dorsalen Kapseltasche liegt und durch ihre medialisierte Position eine biomechanisch günstige Verlagerung des Drehzentrums bewirkt.

Hervorzuheben ist jedoch die besondere Compliance des Patienten, der über Jahre hinweg sehr intensiv mit aktiven und auch passiven Dehnungsübung seine Schulter beübte. Beides zusammen könnte ggfls. dieses herausragende Ergebnis mit nahezu vollständiger Restitutio ad integrum erklären.

Nachdem er auch die Folge des erwähnten Kleinhirninfarkts ohne verbleibenden Schaden überstanden hatte, hat die Geschichte dennoch kein glückliches Ende gefunden. Einige Monate nach der letzten Kontrolle im April 2016 erlitt der Patient erneut einen schweren Motorradunfall, an dessen Folgen er leider verstarb.

Interessenkonflikte: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Bodo von Ditfurth

Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie

Mönchebergstr. 41–43

34125 Kassel

ditfurth@klinikum-kassel.de

Literatur

1. Rispoli DM, Sperling JW, Athwal GS, Schleck CD, Cofield RH: Pain relief and functional results after resection arthroplasty of the shoulder. J Bone Joint Surg Br. 2007; 89: 1184–7

2. Skruodies B, Wening JV, Jungbluth KH: Humeruskopfresektion als Therapie bei Oberarmkopftrümmerfrakturen – Ergebnisse. Langenbecks Arch Chir 1990; 375: 225–30

Fussnoten

1 Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie, Klinikum Kassel

2 Adolfstr. 28, 34121 Kassel

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