Originalarbeiten - OUP 04/2025
Warum reißt das vordere Kreuzband im Profifußball?Quadrizepskontraktion – ein neuer Unfallmechanismus
Frühere Studien ordneten die meisten Nicht-Kontakt-VKB-Verletzungen dem Valguskollaps zu [4, 8, 11]. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass eine explosive Quadrizepskontraktion eine eigenständige Verletzungsursache darstellt. Diese tritt in Situationen auf, in denen der Sportler sich aus einer „instabilen“ Körperposition durch eine reflexartige Quadrizepsaktivierung wieder stabilisieren möchte. Bei leichter Kniebeugung und innenrotiertem Oberschenkel löst der Muskel über das Ligamentum patellae eine vordere Schublade aus [12, 18]. Mit dem Bodenkontakt kommt es zu einer kurzfristigen Verhakung zwischen der Femurkondyle und der Tibiahinterkante.
Ein bemerkenswertes „Snap-Back“-Phänomen des Tibiakopfs konnte als indirektes Zeichen in diesem Zusammenhang beobachtet werden. Diese Befunde stimmen mit DeMorat et al. [6] überein, die nachwiesen, dass eine übermäßige Quadrizepskontraktion sehr hohe ventral gerichtete Schubladenkräfte erzeugt, die in der Lage sind, die Reißfestigkeit des Kreuzbandligaments zu übertreffen. Shelbourne [16] postulierte zudem, dass eine unsichere Körperlage kurz vor der Bodenberührung eine explosive Quadrizepsaktivierung begünstigt. Spieler in instabilen Spielsituationen, beispielsweise nach Sprüngen oder schnellen Richtungswechseln mit posteriorer Beckenposition, innenrotiertem Oberschenkel und leicht gebeugtem Knie mit X-Bein (dynamischer Valgus; Abb. 4), sind in Bezug auf das vordere Kreuzband einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt.
Die Erkenntnisse dieser Studie verdeutlichen, dass Präventionsprogramme nicht nur auf die Reduktion von statischen Valguskollaps-Risiken ausgerichtet sein sollten, sondern insbesondere auf die Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle der Quadrizeps-Hamstrings-Interaktion. Eine gezielte Aktivierung der Hamstrings kann helfen, die überschießende Quadrizepsmuskelaktivierung mit konsekutivem Zug am Schienbeinkopf zu verhindern. Zudem ist eine Prävention der posterioren Beckenposition notwendig, um eine ungünstige Kombination aus Oberschenkelinnenrotation und leichter Kniebeugung zu vermeiden [7].
Unsere Untersuchungen zeigten weiterhin, dass kreuzbandbezogene Verletzungshäufigkeiten und Spielposition korrelieren. Insbesondere sind offensive Mittelfeldspieler und Stürmer einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Diese Spieler sind durch häufige und schnelle Bewegungen, plötzliche Stopps und Richtungswechsel besonders gefährdet. Dies legt nahe, dass positionsspezifische Präventionsprogramme entwickelt werden sollten, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren.
Das StopX-Programm der Deutschen Kniegesellschaft [13] fokussiert sich auf die Prävention von Valguspositionen. Die in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse verdeutlichen erneut die Relevanz dynamisch instabiler Körperpositionen als Verletzungsrisiko im Fußball sowie die Notwendigkeit einer ausgewogenen Koaktivierung der Kniemuskulatur. Individuelle Trainingsmaßnahmen auf Basis von Bewegungs- und Risikoanalysen sollten konsequent implementiert werden, um gefährdete Spieler besser zu schützen. Die Bochumer Arbeitsgruppe von Klein et al. [11] konnte aufdecken, dass dies in den deutschen Profiligen nicht selbstverständlich ist.
Künftige Studien sollten hochauflösende Videos mit elektromyografischen Analysen kombinieren, um die Muskelaktivierungsmuster im Verletzungsmoment des Fußballsports genauer zu erfassen. Angesichts der steigenden Spielgeschwindigkeit im Profifußball sind diese Untersuchungen erforderlich, um das Verletzungsrisiko weiter zu minimieren.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Priv. Doz. Dr. med. Jens Richter
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Klinikum Dortmund
Münsterstr. 240
44145 Dortmund
JensAlexander.Richter@klinikumdo.de