Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2013
Was gibt’s Neues in der Hüftendoprothetik?
Die Genauigkeit der computergestützten Verfahren lässt sich anhand von postoperativen CT-Messungen als Goldstandard abschätzen. Zusammenfassend zeigen sich für die navigationskontrollierte Implantation der Hüftpfanne im Vergleich zwischen den intraoperativ vom Navigationssystem ermittelten Messwerten und der postoperativen CT-Auswertung Abweichungen von maximal 3,5° für die Pfanneninklination und 6,5° für die Pfannenanteversion (Tab. 2) [20, 22–29]. Jedoch erschwert die Variabilität der verwendeten Operationstechniken sowie der verschiedenen Navigationssysteme eine generelle Beurteilung der Genauigkeit der navigationsgestützten Implantation. Darüber hinaus bestehen zudem Kritikpunkte bei der Beurteilung dieser Ergebnisse [30]. In einigen Untersuchungen ist die Interpretation der Winkelmaße innerhalb verschiedener Koordinatensysteme am Becken nicht einheitlich. Idealerweise erfolgt deshalb die intra- und postoperative Messung der Pfannenposition im selben Koordinatensystem und derselben Referenzebene.
Genauigkeit der Messung von Beinlänge und Offset
Zur Evaluation der intraoperativen Veränderung von Beinlänge und Offset wird bei der Anwendung bildfreier Navigationssysteme zu Beginn der Operation das Bein in einer frei wählbaren Stellung im Raum gehalten und vom System registriert. Diese Position im 3-dimensionalen Raum dient als Referenz für die Bestimmung der oben genannten biomechanischen Parameter. Nachdem die Implantation der Probekomponenten erfolgt ist, kann der Operateur unter visueller Kontrolle auf dem Monitor die identische (± 5°) Beinstellung wiederfinden und so die vom System errechnete Veränderung von Beinlänge und Offset durch die Operation ablesen (Abb. 3) [31]. Im Vergleich mit computertomografischen Messungen werden bezüglich der Genauigkeit dieses Verfahrens Abweichungen von unter 1 mm angegeben [32]. Ein weiteres Beurteilungskriterium stellt der Ausgleich einer präoperativ bestehenden Beinlängendifferenz dar. Arbeiten, die die computergesteuerte Implantation mit der konventionellen Freihand-Technik vergleichen, konnten sowohl keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Verfahren als auch eine signifikante Reduktion postoperativer Beinlängenunterschiede unter der Anwendung bildfreier Navigation zeigen [5, 33].
Pinless Navigation
Klassischerweise müssen bei der Anwendung bildfreier Navigationssysteme zu Beginn der Operation sogenannte Referenzsterne intraossär über Schanzschrauben oder Kirschnerdrähte mit Gewinde befestigt werden. Diese Referenzen enthalten, wie bereits oben beschrieben, die Markerkugeln, welche von der Infrarotkamera detektiert werden können. Von Fallberichten aus dem Bereich der navigierten Knieendoprothetik ist bekannt, dass die im Knochen verankerten Pins vereinzelt jedoch auch zu Komplikationen führen können. Diese sogenannte „Pinmorbidität“ beinhaltet Weichteilverletzungen bis hin zu Femurfrakturen [34]. Obwohl bisher bei der navigierten Hüftimplantation keine derartigen Komplikationen veröffentlicht wurden, besteht dennoch ein theoretisches Verletzungspotenzial insbesondere im Hinblick auf den ausgeprägten Weichteilmantel des Femurs. Zur Minimierung derartiger Risiken wurde ein femoral-pinfreies Verfahren entwickelt, das die femorale Verankerung durch ein epikutanes Referenzmarkersystem ersetzt. Hierzu wird eine anatomisch geformte Basisplatte auf den Oberschenkel aufgelegt, mit Inzisionsfolie fixiert und der Referenzstern daran befestigt (Abb. 4) [31]. Zuverlässigkeitsanalysen der femoral-pinfreien Navigation bezüglich der Bestimmung von Beinlänge und Offset konnten eine Differenz zu radiologischen Messungen von unter 3 mm nachweisen [35]. Operationstypische Beinbewegungen können dabei zu 3-dimensionalen Verschiebungen pinfreier Markersysteme auf der Hautoberfläche führen [36]. Komplexe navigationsbasierte Messungen wie bspw. der 3-dimensionalen Schaftposition oder der Hüftgelenkbeweglichkeit erfordern daher nach wie vor die knöcherne Verankerung eines Referenzsterns im Femur. Für die intraoperative Messung von Beinlängen- und Offsetveränderungen stellt die femoral-pinfreie Navigation ein valides Instrument dar.
Die Diskussion sozioökonomischer Aspekte bei der Anwendung computerassistierter Verfahren schließt neben den Anschaffungs- und Wartungskosten für die Navigationssysteme auch die etwaige Verlängerung der Operationszeit ein, wobei sich ein Mittelwert von etwa 15–20 Minuten herauskristallisiert [12, 37].
Kritiker computerassistierter Operationsverfahren weisen berechtigterweise auf die bisher fehlende Evidenz eines klinischen Vorteils der Technologie hin. Zukünftige Studien in diesem Bereich werden sich deshalb neben der Evaluation von Genauigkeiten auch vermehrt auf den Vergleich des postoperativen Ergebnisses konzentrieren. Das neue, nationale Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) könnte hier in der Hüftendoprothetik durch eine Co-Dokumentation computerassistierter Verfahren bei der retrospektiven Revisionsanalyse einen wichtigen Beitrag liefern.
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Korrespondenzadresse
Dr. Markus Weber
Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg
Asklepios Klinikum Bad Abbach
Kaiser Karl V. Allee 3
93077 Bad Abbach
markus.weber@klinik.uni-regensburg.de
Literatur
1. Learmonth ID, Young C, Rorabeck C. The operation of the century: total hip replacement. Lancet 2007; 370: 1508–1519.
2. Kennedy JG et al. Effect of acetabular component orientation on recurrent dislocation, pelvic osteolysis, polyethylene wear, and component migration. J Arthroplasty 1998; 13: 530–534.
3. Malik A, Maheshwari A, Dorr LD. Impingement with total hip replacement. J Bone Joint Surg Am 2007; 89: 1832–1842.
4. Clark CR et al. Leg-length discrepancy after total hip arthroplasty. J Am Acad Orthop Surg 2006; 14: 38–45.
5. Dastane M et al. Hip offset in total hip arthroplasty: quantitative measurement with navigation. Clin Orthop Relat Res 2011; 469: 429–436.
6. Konyves A, Bannister GC. The importance of leg length discrepancy after total hip arthroplasty. J Bone Joint Surg Br 2005; 87: 155–157.
7. Worner M et al. Minimally invasive surgery in total hip arthroplasty: Surgical technique of the future. Orthopade 2011; 40: 1068–74.