Arzt und Recht - OUP 03/2020
Weiteres erfreuliches Urteil zugunsten der Kostenerstattung bei gesetzlich versicherten Patienten Dem Artikel liegt die Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2019 zu dortigem Aktenzeichen S 14 KR 3166/18 zugrunde. Aus der anwaltlichen Praxis kann hier betont werden, dass die Herangehensweise an das mannigfaltig auftretende Problem der
Heiko Schott
Der Sachverhalt
Im Fall der streitgegenständlichen Entscheidung hatte die Patientin auf Anraten ihrer behandelnden Ärzte die Kostenübernahme einer Therapie bei ihrer Krankenkasse beantragt, die primär nicht Gegenstand des gesetzlichen Leistungskataloges, aber aus ärztlicher Sicht medizinisch notwendig war.
Die Krankenkasse informierte die Versicherte nach deren Kostenübernahmeantrag, dass zur Beurteilung der Erforderlichkeit der Operation/Behandlung der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) hinzugezogen werden würde.
Im weiteren Verlauf informierte der MDK die Krankenkasse, dass die persönliche Begutachtung der Patientin erforderlich wäre, weshalb die Krankenkasse ihre Versicherte wiederum informierte, aus diesen Gründen die gesetzlich vorgesehene 5-Wochen-Frist bis zur Bescheidung über den Antrag nicht werde einhalten werden können. Gezeichnet war dieses Schreiben – wie in der Praxis häufig – mit „Mit freundlichen Grüßen Ihre XY-Krankenkasse“
Nach tatsächlichem Ablauf der 5-Wochen-Frist lehnte die Krankenkasse sodann die Kostenerstattung unter Berufung auf die erfolgten Ausführungen des MDK ab.
Rechtlicher Hintergrund
Nach § 13 SBG V können gesetzlich Versicherte grundsätzlich statt der üblichen Sachleistung gleichfalls die Kostenerstattung wählen. Einen entsprechenden Antrag des Versicherten haben die Krankenkassen binnen 3 Wochen zu bescheiden. Statt der 3 Wochen hat die Bescheidung innerhalb von 5 Wochen zu erfolgen, wenn die Krankenkasse den medizinischen Dienst einschaltet, um eine gutachterliche Stellungnahme zu erlangen. Die Voraussetzungen für eine weitere, darüberhinausgehende Fristverlängerung zu Gunsten des Kostenträgers Krankenkasse stellt § 13 Abs. 3a, Satz 5 SGB V dar.
Hier heißt es konkret: „Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 (Anm. d.V.: s.o., 3 oder 5 Wochen) nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit.“
Bekanntlich führt eine Fristversäumnis der Krankenkasse grundsätzlich dazu, dass die Leistung als genehmigt gilt, § 13 Abs. 3a, Satz 6 und 7 SGB V.
„Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.“
In dem hier zu entscheidenden Fall hat das Sozialgericht Heilbronn festgestellt, dass es an einer schriftlichen Anzeige der (in diesem Fall sogar) begründeten Fristüberschreitung seitens der Krankenkasse fehlt.
Ausgangspunkt dieser Überlegung war indes, dass zwar die Krankenkasse die Versicherte auf der Grundlage des zwischenzeitlich beauftragten MDK-Gutachtens informierte, allerdings die Schriftform im Sinne des Gesetzes nicht eingehalten worden war. Hier griff, in dieser Eindeutigkeit bislang zuvor noch nicht geschehen, das Sozialgericht auf die Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurück, in der die Schriftform normiert ist. Hier heißt es in § 126 BGB:
„Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift (..) unterzeichnet werden.“
Vorliegend wurde das Schreiben jedoch lediglich mit der Grußformel „Mit freundlichen Grüßen Ihre XY-Krankenkasse“ abgeschlossen. Dies stelle keine Unterschrift dar. Es handelt sich bei dem Schreiben der Krankenkasse bei juristischer Betrachtung um ein Schreiben in bloßer Textform, nicht jedoch in Schriftform, da eine Unterschrift nicht erkennbar ist und noch nicht einmal ein Name genannt wurde.
Eine Ersetzung der Schriftform durch die Textform sei aufgrund des eindeutigen Wortlautes von § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V nicht möglich. Eine der Regelung des § 36a Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Regelung, wonach die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann, besteht für die Textform gerade nicht. Es fehlt daher vorliegend schlicht an einer schriftlichen Mitteilung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V. Mangels schriftlicher Mitteilung eines hinreichenden Grundes ist die Genehmigungsfiktion des Satzes 6 zu Lasten der Krankenkasse eingetreten. Obschon der Wortlaut von Satz 6 nur auf die fehlende Mitteilung eines hinreichenden Grundes Bezug nimmt, folgt nach beachtenswerter Ansicht des Gerichts aus der fehlenden Schriftform ebenso die Fiktionswirkung (Genehmigung). Denn die Beachtung der Schriftform stellt ein Wirksamkeitserfordernis der Mitteilung dar.
Weiter führt das Sozialgericht aus, dass für dieses Ergebnis der Sanktionscharakter der Vorschrift spreche. Um diesem gerecht zu werden, müsse nicht nur die fehlende, sondern auch die (form-)fehlerhafte Mitteilung zum Eintritt der Genehmigungsfiktion führen. Ferner wäre die Schriftformerfordernis ansonsten schlichtweg obsolet.
Die Krankenkasse hat der gesetzlich Versicherten demgemäß die Kosten für die beantragten Leistungen (nach GOÄ) zu erstatten.
Fazit
Zugestanden, Leidensgenossen der juristischen Provenienz überziehen mitunter hinsichtlich der Haarspalterei. In der Tat erscheint es nicht uneingeschränkt einfach, derartige Grundsätze, die wie hier beispielsweise die äußerst erhebliche Unterscheidung zwischen Schriftform und Textform, nachzuvollziehen. Allerdings ist aber eben diese haarspalterische Unterscheidung für die Behandlung, deren Kostenerstattung und somit selbstredend für den Arzt und den Patienten von hoher Bedeutung.
Kostenträger ihrerseits sind in Erstattungsverfahren, wenn es um Anträge der Versicherten, oder die Abrechnung durch den Behandler geht, oftmals äußerst formalistisch geprägt. So freut es, dass das Sozialgericht quasi eine Waffengleichheit herstellt und dem automatisierten Ablehnen von Gesuchen der Versicherten ebenfalls einen formalistischen Riegel vorschiebt.
Es ist sicherlich nicht unumstritten, ob der Arzt im Zuge einer angedachten Behandlung verpflichtet ist, den Patienten auf die Möglichkeit der Stellung eines Kostenübernahmeantrages bei seiner Krankenkasse hinzuweisen. Allerdings schadet, wie das hier geschilderte Beispiel zeigt, die Kenntnis um den groben Verfahrensablauf aber auch nicht. Da die Kostenträger in unzähligen Kosterstattungsverfahren – wie auch in diesem Fall – automatisiert agieren, wird sich zwangsläufig in naher Zukunft zeigen, ob das Verwaltungsverfahren um die Kostenerstattung sich bei den Kassen ändern oder ob die Kenntnis von genau dieser Entscheidung den Behandlern und Patienten als Joker dienen wird.