Arzt und Recht - OUP 07-08/2014

Wirtschaftliche Aufklärung – auch eine Berufspflicht

Der Arzt werde auch nicht daran gehindert, trotz fehlender kassenärztlicher Zulassung gesetzlich Versicherte zu behandeln. Ein behandelnder Arzt müsse immer davon ausgehen, dass ein Patient gesetzlich krankenversichert ist und damit rechnet, dass die in Anspruch genommene Leistung in der Regel nicht von ihm, sondern durch seine gesetzliche Krankenkasse bezahlt wird. Der Arzt kenne die entsprechenden Regelungen aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit. Er dürfe nicht ohne Weiteres bei einem Patienten unterstellen, dass dieser weiß oder wissen muss, dass er von sich aus seine Versichertenkarte soll vorlegen müssen, was sich im Übrigen so aus § 19 Abs. 1 BMV-Ärzte, der von einer unaufgeforderten Vorlage nicht spricht und dem Patienten im Zweifel auch gar nicht bekannt ist, nicht ergebe. Es gehöre in jedem Fall zu den Pflichten des Arztes, den Versicherten nach der Versichertenkarte zu fragen und gegebenenfalls darauf hinzuweisen, dass, sofern eine Vorlage nicht erfolgt, der Patient für die Behandlungskosten unmittelbar einzustehen hat.

Bereits § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä bestimme im Übrigen, dass eine Vergütung nur gefordert werden darf, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. Die Regelung namentlich der schriftlichen Bestätigung dieser Vorgehensweise solle den Patienten schützen und mache deutlich, dass es dem Arzt obliegt, den Patienten vor der Behandlung auf die Übernahme der Kosten hinzuweisen und aufzuklären, ob es sich um einen Privatpatienten handelt, dem eine entsprechende Liquidation übersandt wird oder um einen gesetzlich Versicherten, der belehrt werden muss, dass er die Gesundheitskarte vorlegen oder nachbringen muss, wenn er nicht für das entstehende Honorar nach der GOÄ im Wege der Privatliquidation einstehen will. Auch wenn der BMV-Ä den Arzt nicht binden sollte, übernehme die Vorschrift jedenfalls in ihrem Kern nur eine – selbstverständliche – Pflicht redlichen ärztlichen Verhaltens.

Dem könne auch nicht entgegnet werden, die konkrete Behandlungssituation habe einer Aufklärung entgegengestanden oder das Patienten-Arzt-Verhältnis werde durch derartige Gespräche unnötig belastet: Insoweit könne dahinstehen, ob die Berufspflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung in bestimmten Krankheitsfällen erfüllt werden kann oder ihre Verletzung jedenfalls nicht vorwerfbar ist. Schließlich habe der Arzt den hochfiebrigen Patienten im konkreten Fall vor Durchführung der Behandlung ein Formular über die privatärztliche Liquidation unterzeichnen lassen, also statt der gebotenen Aufklärung über die von ihm beanspruchte privatärztliche Liquidation ihre vertragliche Grundlage ohne Hinweis auf Handlungsalternativen aufgrund der zu beachtenden Rechtslage ausschließlich in seinem Sinne zu schaffen versucht.

Fazit

Nicht lediglich aus haftungsrechtlichen, sondern auch aus berufsrechtlichen Gründen sollte die Ärztin/der Arzt demnach nicht nur auf die Höhe der privatärztlichen Kosten hinweisen, sondern insbesondere auch nachweisbar und ausdrücklich darüber informieren, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung nicht gegeben oder nicht sicher ist. Die bloße Vorlage und Unterzeichnung von Unterlagen hinsichtlich der privatärztlichen Abrechnung reicht nicht. Bei Verstoß droht auf Antrag der Ärztekammer eine Maßnahme des Berufsgerichts (Warnung/Verweis/Geldbuße). Im Ausnahmefall bei entsprechend hoher Intensität (Wiederholung, Ausmaß) droht zudem der Widerruf der Approbation durch die Approbationsbehörde gemäß § 5 der Bundesärzteordnung (Unwürdigkeit/Unzuverlässigkeit). Um Unklarheiten zu minimieren, sollte zusätzlich zur mündlichen Aufklärung ein entsprechender Passus in den vom Patienten zu unterzeichnenden Aufklärungsbogen aufgenommen werden.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2, 76227 Karlsruhe

kanzlei@arztrecht.org

www.arztrecht.org

Fussnoten

1 BGBl. I, S. 277.

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