Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017
Zwei atypische Fälle der Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne mit knöchernem Einbruch des Kalkdepots in den proximalen Humerus
Michael Manzke1, Rainer Engers2, Lars Victor von Engelhardt1,3, Jörg Jerosch1
Zusammenfassung: Dieser Artikel beschreibt 2 Fälle der Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne mit Einbruch des Kalkdepots in den proximalen Humerus. Beide Patienten klagten seit über einem Jahr über zunehmende Schulterschmerzen nach bereits erfolgter konservativer
Therapie. In einem Fall bestand zusätzlich eine Rotatorenmanschettenläsion, in dem anderen eine adhäsive Kapsulitis. Beide Patienten wurden mit einer arthroskopischen Kalkentfernung versorgt, ein Patient erhielt zusätzlich eine Rotatorenmanschettennaht, der andere Patient arthroskopisch ein zusätzliches Kapselrelease. Beide Patienten zeigten zur Follow-up Untersuchung sehr zufriedenstellende Ergebnisse.
Schlüsselwörter: Tendinitis calcarea, knöcherne Begleitinfiltration
Zitierweise
Manzke M, Engers R, von Engelhardt LV, Jerosch J: Zwei atypische Fälle der Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne mit knöchernem Einbruch des Kalkdepots in den proximalen Humerus.
OUP 2017; 11: 569–573 DOI 10.3238/oup.2017.0569–0573
Summary: This article describes 2 cases of a tendinitis calcarea of the supraspinatus tendon with intraosseous migration of the calcifications. Both patients suffered from increasing shoulder pain for more than one year despite a continuous conservative treatment. In one case, there was also a rotator cuff lesion, the other patient presented with an adhesive capsulitis. Both patients were treated with an arthroscopic removal of the calcific deposits, one patient received an additional rotator cuff repair; the other patient received an additional arthroscopic capsular release. Both patients showed very satisfying results at the last follow-up examination.
Keywords: calcific tendinitis, intraosseous calcifications
Citation
Manzke M, Engers, von Engelhardt LV, Jerosch J: Two atypical cases of tendinitis calcarea of the supraspinatus tendon with intraosseous
migration of the calcifications.
OUP 2017; 11: 569–573 DOI 10.3238/oup.2017.0569–0573
Einleitung
Die Tendinitis calcarea ist eine häufige Erkrankung des Schultergelenks und mit einer der häufigsten Gründe für eine schmerzhafte Schulter [25, 31]. Die Prävalenz bei asymptomatischen Schultern beträgt nach Untersuchungen von Bosworth et al. in über 6000 Schultergelenken etwa 2,7 % [2]. In ca. 10 % der Fälle sind beide Schultern betroffen [5]. Das Hauptauftrittsalter liegt zwischen dem 30. bis 50. Lebensjahr [27]. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Die Ätiologie ist letztendlich noch nicht eindeutig geklärt. Einige Autoren vermuten eine ischämische Ursache im Bereich der Rotatorenmanschette [22], andere gehen vor allem von degenerativen Ursachen aus [23]. Harvie et al. [12] konnten eine Assoziation von
Patienten mit Schilddrüsen- und Östrogenstoffwechselfunktionsstörungen beobachten und klassifizierten die Tendinitis calcarea in idiopathische und sekundäre, bzw. endokrin-assoziierte Formen. Im Laufe der Zeit wurden eine Reihe von Klassifikationen beschrieben, welche unter anderem die Größe [2] als auch Heterogenität [45, 20] des jeweiligen Kalkdepots beschreiben.
Fall 1
Anamnese
Die 69-jährige Patientin wurde mit seit Jahren bestehenden atraumatischen Schmerzen der rechten Schulter vorgestellt. Vordergründig bestanden zunehmende Nachtschmerzen. Konservative Therapiemaßnahmen mit Schmerzmitteln und Infiltrationen brachten der Patientin kaum Beschwerdelinderung. Die Patientin gab keine Vorerkrankungen an.
Klinik und Bildgebung
In der klinischen Untersuchung zeigte sich als Hauptbefund ein Druckschmerz im Bereich der Supraspinatussehne. Die aktive Beweglichkeit war algogen stark eingeschränkt.
Im externen MRT-Befund wurde eine Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne sowie interessanterweise eine subkapitale Humerusfraktur beschrieben (Abb. 1 a–b). Nativröntgenbilder zeigten größere periarthropathische Kalzifikationen im Bereich der Supraspinatussehne (Abb. 2). Eine Fraktur konnte im Röntgen nicht diagnostiziert werden.
Nach Zusammenschau der Befunde erfolgte die stationäre Aufnahme zur Kalkausräumung mit Probenentnahme im Bereich des proximalen Humerus.
Operativer Vorgang
Als Zugang wurde ein Delta-Split gewählt. Es erfolgt das Ausräumen des Kalkdepots in der Bursa, der Sehne sowie aus dem Humeruskopf. Im Bereich des Einbruchs in den Humeruskopf findet sich eine Rotatorenmanschettenruptur, welche transossär mit nicht resorbierbaren Fäden genäht wurde.
Postoperativ wurde die Schulter zunächst für 4 Wochen nur passiv unter krankengymnastischer Anleitung beübt.
Patho-histologischer Befund
Mikroskopisch zeigt sich partiell fragmentiertes, spongiöses Konchengewebe mit wechselnd großen, scholligen Verkalkungen im Bereich der Markräume (Abb. 3a, c). Die Verkalkungen sind teilweise in ein Granulationsgewebe eingebettet und werden häufig von mehrkernigen Riesenzellen umsäumt (Abb. 3 c). Außerdem finden sich Anteile einer Sehne mit herdförmiger chondroider Metaplasie und psammomatösen Verkalkungen (Abb. 3 a, b).
Fall 2
Anamnese
Der 54-jährige Patient klagte seit mehreren Jahren über atraumatische Schmerzen und zunehmende Bewegungseinschränkung in der linken Schulter. Es bestanden vordergründig Nachtschmerzen. Anamnestisch wurden keine Vorerkrankungen angegeben.
Klinik und Bildgebung
Klinisch zeigten sich schmerzhafte, ausgeprägte Bewegungseinschränkungen im Sinne einer adhäsiven Capsulitis mit typischem Kapselmuster. Die Supraspinatussehne war druckschmerzhaft, der Jobe-Test positiv.
Ein auswärtiger MRT-Befund beschrieb ein ausgeprägtes Knochenmarködem im Bereich des Humeruskopfs (Abb. 4a, b). Eine ergänzende aktuelle Röntgenuntersuchung ergab Weichteilkalzifikationen angrenzend an das Tuberculum majus (Abb. 5).
Eine bereits im Vorfeld durchgeführte skelettszintigrafische Untersuchung belegt eine deutlich ausgeprägte Knochenstoffwechselerhöhung mit ortsgleicher, ebenfalls kräftiger Begleitreaktion in der Bloodpoolphase an der ventralen Zirkumferenz des linken Humeruskopfs. Letztlich konnte aufgrund der deutlichen Knochenstoffwechselerhöhung auch ein neoplastischer Prozess nicht sicher ausgeschlossen werden.
Operative Therapie
Es wurde eine Arthroskopie der Schulter mit 360° Kapselrelease, Adhäsiolyse inklusive Release der verdickten coracohumeralen Bänder, subakromialer Bursektomie, Kalkentfernung und Probenentnahme am Humeruskopf durchgeführt. Die Rotatorenmanschette zeigt sich entzündlich, jedoch intakt. Postoperativ wurde der Patient intensiv physiotherapeutisch betreut und zu Eigenübungen angehalten.