Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Zwei atypische Fälle der Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne mit knöchernem Einbruch des Kalkdepots in den proximalen Humerus

Es wurde intraoperativ ein nur sehr kleines Präparat entnommen, welches vitales, fragmentiertes, knöchernes Gewebe ohne Knochenumbau und ohne entzündliche Veränderungen ohne wesentlichen pathologischen Befund ergab.

Klinisches Outcome

Die Patienten wurden postoperativ telefonisch kontaktiert. Fall 1 gab bzgl. Schmerzen 4,5 Monate postoperativ eine VAS von 1–2/10, Fall 2 nach 3 Monaten eine VAS 1/10 an. Beide Patienten gaben an, mit dem Ergebnis sehr zufrieden zu sein.

Diskussion

Zur Therapie der Tendinitis calcarea sind eine Reihe von Möglichkeiten der konservativen und operativen Therapie gegeben. In 90 % der Fälle führt eine konservative Therapie zu einer zufriedenstellenden Beschwerdelinderung [7]. Sollten nach etwa 6–12 Monaten erfolgloser konservativer Therapie noch starke Beschwerden bestehen, so ist eine operatives Vorgehen zu erwägen [26]. An erster Stelle steht zumeist die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika und Physiotherapie. Subakromiale Infiltrationen mittels Kortison bringen meist eine kurzzeitige effektive Linderung der Beschwerden, jedoch sind im Verlauf häufig mehrere Injektionen nötig.

Eine Reihe von Studien berichtete über den positiven Effekt der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT). So konnten Moretti et al. [19] bei der Behandlung von 54 Patienten mit einer Medium-energy-ESWT nach einem Follow-up von 6 Monaten in 70 % zufriedenstellende Ergebnisse ohne Komplikationen beschreiben. Bei 54 % verschwand radiologisch das Kalkdepot und in 35 % zeigte es sich vermindert. Cacchio et al. [3] konnten in einer einfach blinden randomisierten Studie mit 90 Patienten nach einem Follow-up von 6 Monaten bei Patienten in der Behandlungsgruppe ein Verschwinden der Kalzifizierung in 86 % der Fälle beobachten und in der Kontrollgruppe von nur 8,8 %. Es gibt noch eine Reihe anderer konservativer Therapiemaßnahmen wie die Nadelaspiration, Radiale Schockwellentherapie und Mikrowellen-Diathermie mit heterogenen Ergebnissen [1, 8, 11, 30].

Eine operative Möglichkeit ist die offene Kalkentfernung und Akromioplastik. So konnten Rochwerger et al. bei offenem operativen Vorgehen mit Entfernung des Kalkdepots und Akromioplastik bei 26 Patienten mit einem Follow-up von 23 Monaten einen Constan- Score-Anstieg von 55 auf 89 beobachten [24].

Jerosch et al. [14] behandelten 48 Patienten in einem arthroskopischen Vorgehen. In allen Fällen wurde eine Bursektomie und Resektion des coracoacromialen Band durchgeführt. Bei 15 Patienten mit einem subakromialen Impingement erfolgte zusätzlich eine Akromioplastik. Insgesamt zeigte sich ein Anstieg des Constant-Murley-Scores von 38 % auf 86 %, Patienten mit einer Akromioplastik erreichten eine Verbesserung im Constant-Score von 36,2 % verglichen mit Patienten ohne Akromioplastik mit 46 %. Fernandes et al. [9] untersuchten 55 Patienten nach, welche aufgrund einer Tendinitis calcarea arthroskopisch versorgt wurden. Bei 12 Patienten war eine Akromioplastik nötig. Die Autoren berichten von ca. 95 % zufriedenstellenden Ergebnissen. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Patienten mit oder ohne Akromioplastik beobachtet werden. Diese Ergebnisse konnten ebenfalls von Clement et al. [4] in einer randomisierten Studie von 80 Patienten bestätigt werden. Alle Patienten wurden arthroskopisch mittels Kalkentfernung und Bursektomie versorgt. 40 Patienten erhielten randomisiert zusätzlich eine subakromiale Dekompression. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Patienten mit oder ohne subakromialer Dekompression evaluiert werden.

Sabeti et al. [28] verglichen in einer prospektiven randomisierten kontrollierten Studie von 20 Patienten den Einfluss von ultraschallgestützter arthroskopischer Kalkentfernung. Die Operationszeit, um den Kalk zu lokalisieren, und die Anzahl der benötigen Nadelstiche war in der ultraschallgestützten Gruppe signifikant niedriger. Die klinischen Ergebnisse der beiden Gruppen zeigten jedoch keinen signifikanten Unterschied.

Bezüglich einer Return-to-sports-
Fähigkeit untersuchten Ranalletta et al. [21] ein Patientengut von 24 Fällen mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren. Alle Patienten wurden nach fehlgeschlagener konservativer Therapie mit einer arthroskopischen Kalkentfernung ohne Akromioplastik versorgt. 26 % der Patienten kehrten in weniger als 4 Monaten zum Sport zurück, 61 % kehrten zwischen 4 und 6 Monaten zurück und 13 % kehrten nach dem 6. Monat zurück. Der mittlere Constant-Murley-Score stieg von 26,9 präoperativ auf 89,7 postoperativ signifikant an.

Knöcherne Infiltrationen von Kalk wurden bereites vereinzelt im Bereich der hüftumgreifenden Muskulatur [13, 18, 29, 32] und der Schulter beschrieben [6, 16]. Mascarenhas et al. [17] beschreiben 2 Fälle einer knöchernen Begleitreaktion bei einer Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne. Die Patienten klagten über atraumatische Schulterschmerzen seit 10 Tagen bzw. einem Jahr. Beide Fälle wurden laut den Autoren erfolgreich über einen Zeitraum von 2–3 Wochen mit oraler Schmerztherapie und Physiotherapie behandelt.

Bezüglich der Bildgebung ist die Computertomografie die Methode der Wahl, um intraossäre Kalzifikationen zu diagnostizieren. In MRT-Untersuchungen sind Kalzifikationen oft nur schwer sichtbar oder führen zu Verwechslungen mit z.B. neoplastischen – oder wie in unserem vorliegenden externen MRT-Befund – traumatischen Diagnosen [13, 15, 16].

Malghem et al. [16] berichten in einer radiologischen Studie von 35 Fällen mit Tendinitis calcarea und knöcherner Begleitinfiltration. In 7 Fällen wurden kortikale sehnenansatznahe Infiltrationen beobachtet. In 28 Fällen schloss die Kalkinfiltration auch subkortikale Areale mit ein. 19 dieser 28 Fälle waren im Bereich des Tuberculum majus, also Folge einer Tendinitis calcarea der Supraspinatussehne.

Flemming et al. [10] berichten in einer retrospektiven Studie über eine Serie von 50 Fällen von ossären Begleitreaktionen bei vorliegender Tendinitis calcarea. Kortikale Erosionen waren die häufigste Manifestation der knöchernen Beteiligung mit 78 % der Fälle, Knochenmarkbeteiligung wurde in 36 % der Fälle beobachtet. Die Autoren schlussfolgern, dass das Erkennen dieser atypischen Erscheinung dieses häufigen Krankheitsbilds in manchen Fällen unnötige diagnostische Schritte vermeiden und die pathologische Interpretation erleichtern kann.

Schlussfolgerung

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