Originalarbeiten - OUP 01/2014

Aktueller Stand der Therapie des Morbus Perthes

S. Adolf1 , M. Manig1, A. Meurer1

Zusammenfassung: Die zweithäufigste Diagnose kindlicher Hüftgelenkerkrankungen betrifft den Morbus Perthes. Auch bis heute ist die Ätiologie der aseptischen Hüftkopfnekrose im Wachstumsalter nicht eindeutig geklärt.

Der Verlauf und die Prognose der Erkrankung ist sehr variabel und vom Ausgangsbefund und Alter und somit auch der Therapie der kleinen Patienten bei Erstdiagnose abhängig. Die Erkrankungsdauer erstreckt sich über mehrere Jahre und kann in einer Restitutio ad integrum oder aber in einer schweren Deformierung des Hüftkopfs enden. Das therapeutische Ziel ist heute ein optimales Containment von Hüftkopf und Hüftpfanne. So entwickelte sich die konservative und operative Therapie des M. Perthes in den letzten Jahrzehnten weg von abduzierenden und entlastenden Orthesen hin zu operativen gelenkzentrierenden Osteotomien, welche heute eine wesentliche Säule der Therapie sind.

Schlüsselwörter: M. Perthes, operative Therapie, konservative Therapie, Indikation, Prognose

 

Zitierweise

Adolf S, Manig M, Meurer A: Aktueller Stand der Therapie des Morbus Perthes.
OUP 2014; 1: 010–016, DOI 10.3238/oup.2014.0010–0016

Summary: The second most common diagnosis of childhood hip disease affects the Perthes disease. Even today, the etiology of aseptic osteonecrosis in growing children is not clear.

The course and prognosis of the disease is highly variable and on the initial findings and age, and thus the treatment of young patients at diagnosis dependent. The duration of illness is extending over several years and can result in a restitutio ad integrum or in a severe deformity of the femoral head. The therapeutic goal today is an optimal containment of the femoral head and acetabulum. Thus, the conservative and surgical treatment of Perthes’ disease joint developed in recent decades away from abducting and relieving orthoses towards operative centering osteotomies, which are essential components of therapy today.

Keywords: Perthes’ disease, surgical treatment, conservative therapy, indications, outlook

 

Citation

Adolf S, Manig M, Meurer A: Status quo of the therapy of M. Perthes. OUP 2014; 1: 010–016, DOI 10.3238/oup.2014.0010–0016

Einleitung

Der Morbus Perthes ist nach der Hüftdysplasie die häufigste Erkrankung des Hüftgelenks im Wachstumsalter. Es handelt sich definitionsgemäß um eine aseptische Osteonekrose der Epiphyse des proximalen Femurs. Die Erkrankung ist selbstlimitierend und verläuft stadienhaft. Der Erkrankungsverlauf variiert in einem Zeitraum von 2–5 Jahren und zeigt variable Verläufe, dieser erfordert von den kleinen Patienten, deren Familien und den Therapeuten Geduld und Disziplin bezüglich der individuellen Therapie.

Definition

Beim Morbus Perthes handelt es sich um eine im Wachstumsalter auftretende aseptische Nekrose des Femurkopfs mit daraus resultierender Ossifikationsstörung der Femurkopfepiphyse. Er stellt somit die häufigste aseptische Osteonekrose im Kindesalter dar.

Die Ursache der Durchblutungsstörung ist weiterhin unbekannt, jedoch spielen verschiedene Faktoren bei der Entstehung des M. Perthes eine Rolle und werden in verschiedenen Theorien diskutiert [1].

Historie

Die Erstbeschreibung dieser Erkrankung erfolgte unabhängig voneinander nahezu zeitgleich durch den Amerikaner Arthur Thornton Legg im Jahre 1909 [2], den Franzosen Jaques Calvé 1910 [3], sowie den Deutschen Georg Clemens Perthes 1910 [4] innerhalb weniger Monate.

Durch die im Jahre 1895 entdeckten Röntgenstrahlen wurde das Hüftgelenk somit erstmals darstellbar. Allen 3 Erstbeschreibern war die Ursache dieser Erkrankung unbekannt.

Epidemiologie und Ätiologie

Die Inzidenz in der weißen Bevölkerung liegt beim M. Perthes bei 10 : 100.000 Neuerkrankungen pro Jahr. In der schwarzen Bevölkerung hingegen beträgt die Inzidenz 0,45 : 100.000 [5]. Hinweise auf den Einfluss niedriger sozialer Schichten für die Region um Liverpool auf eine steigende Inzidenz der Pertheserkrankung von 15,6 : 100.000 zeigte Baker 1986 in seiner Untersuchung [6].

Das Verhältnis zwischen betroffenen Mädchen und Jungen beträgt 1 : 4. In 10–15 % zeigt sich bei den Kindern ein beidseitiger Befall der Hüftgelenke. Es findet sich ein Altersgipfel der Pertheserkrankung zwischen dem 5.–9. Lebensjahr.

Die Ursache der Pertheserkrankung ist bis heute letztendlich nicht geklärt. Es spielen verschiedene Faktoren bei der Entstehung eine Rolle, so existieren verschiedene Theorien zu seiner Entstehung.

Es hat sich zum einen in Untersuchungen gezeigt, dass die den Femurkopf versorgenden Gefäße wie die A. obturatoria und die A. circumflexa media häufig obliteriert sind [7, 8].

Neben den lokalen Durchblutungsstörungen konnte auch in tierexperimentellen Untersuchungen eine intraartikuläre Druckerhöhung nachgewiesen werden [9] sowie eine Druckerhöhung im Femurkopf selbst infolge einer venösen Abflussstörung [10]. Gerinnungsstörungen scheinen ebenfalls eine Rolle bei Kindern mit Morbus Perthes zu spielen [11]. Weiterhin gibt es die Theorie des Mikrotraumas, der retardierten Skelettentwicklung sowie der genetischen Disposition.

An Perthes erkrankte Kinder sind im Vergleich zu gesunden Kindern ihres Alters kleiner, als Erwachsene sind sie jedoch nicht mehr kleiner als der Bevölkerungsdurchschnitt [12]. Die genetische Disposition spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. So konnte gezeigt werden, dass erstgradige Verwandte ein 35-fach erhöhtes Risiko haben, an einem M. Perthes zu erkranken [1, 13].

Zusammenfassend muss von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen werden, allerdings spielt die lokale Durchblutungsstörung für die Entstehung eines M. Perthes eine entscheidende Rolle.

Klinik

Die typischen Beschwerden, welche die Kinder initial beklagen, sind Hüft- und Kniegelenkschmerzen, meist verursacht durch den begleitenden Hüftgelenkerguss.

Bei einem kindlichen Knieschmerz muss immer das Hüftgelenk mit untersucht werden. Weiterhin zeigt sich häufig ein schmerzfreies Schonhinken, welches durch die Eltern oder Dritte beobachtet wird.

In der klinischen Untersuchung sehen wir eine Einschränkung der Innenrotations- und Abspreizfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks.

Bildgebende Diagnostik

Sonografie

Standardmäßig erfolgt zunächst eine Sonografie der Hüftgelenke, diese wird zur Beurteilung eines initialen intraartikulären Ergusses herangezogen. Bei einem erfahrenen Untersucher kann die Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung der Hüftkopfform und der Kopfstellung in den Verlaufskontrollen ebenfalls genutzt werden.

 

Röntgen

Eine Beckenübersichtsaufnahme sowie eine Lauensteinaufnahme gehören zu den Standardaufnahmen. Die ersten Zeichen einer Pertheserkrankung zeigen sich meist erst nach einem Zeitraum von 4–6 Wochen, als leichte Abflachung der Epiphyse, eine Verdichtung (Kondensation) des Knochens, sowie eine Verbreiterung des Gelenkspalts.

 

MRT

Das MRT ist sehr spezifisch und zeigt schon frühzeitig eine Veränderung in der Epiphyse. Es kommt zur Anwendung bei anhaltenden unklaren schmerzhaften Befunden des Hüftgelenks, bei nativradiologisch unauffälligem Befund zur differenzialdiagnostischen Untersuchung.

Weitere bildgebende Verfahren wie CT oder Szintigrafie haben keinen Stellenwert in der Diagnostik des M. Perthes.

Klassifikationen

Der Morbus Perthes zeigt einen typischen stadienhaften Verlauf. Er beginnt mit der epiphysären Durchblutungsstörung und den hierdurch verbundenen Ossifikationsstörungen des Hüftkopfs bis zum Zerfall. Anschließend werden Reparationsprozesse aktiv. Die Dauer des natürlichen Verlaufs hängt von der Ausdehnung der Nekrose ab und variiert durchschnittlich zwischen 3–5 Jahren.

Sämtliche Klassifikationen des M. Perthes sind rein morphologisch aufgrund des radiologischen Befunds.

Die erste Klassifikation der Perthes-Erkrankung wurde im Jahre 1922 durch Waldenström veröffentlicht. Er teilte die radiologischen Veränderungen der Osteochondrose in 4 Stadien ein, eine rein morphologische Beschreibung des natürlichen Verlaufs ohne eine prognostische Abschätzung (Tab. 1) [14].

Im Jahre 1971 veröffentlichte Catterall eine Klassifikation, welche das Nekroseausmaß der Epiphyse, in Form der betroffenen Quadranten, beschreibt [15]. Diese wurde durch die „Head-at-risk-signs“ ergänzt (Tab. 2, 3) [15].

Herring und Mitarbeiter veröffentlichten 1992 eine weitere Klassifikation, um insbesondere eine Aussage zur langfristigen Prognose feststellen zu können. In dieser Einteilung wird der Fe-murkopf in 3 Säulen, eine mediale, zentrale und laterale Säule eingeteilt. Die Idee hierbei ist, dass keine wesentliche Deformierung des Femurkopfs und die Subluxationsphänomene auftreten, solange die laterale Säule besteht.

Ebenso hat diese Klassifikation unter Berücksichtigung des Alters bei Erstdiagnose einen besonders hohen Aussagewert bezüglich der Prognose (Tab. 4) [16].

Zuletzt ergänzte Herring seine Klassifikation um den sogenannten Subtyp B/C („boarder group“), da in seiner Multicenterstudie viele Hüften einen Grenzbefund zwischen den Typen B und C zeigten [17].

Das Ausheilungsstadium bzw. Endstadium des Morbus Perthes wird nach Stulberg at al. [18] eingeteilt. Die 5 Gruppen beschreiben das Ausmaß der Fehlform, sie nimmt in den Gruppen 1–5 zu und hängt vom Alter der Kinder bei der Erstdiagnose ab. Das Risiko für die Entwicklung einer Arthrose nimmt ebenfalls fortwährend in den Gruppen zu (Tab. 5) [17].

Prognose

Der prognostische Aussagewert einzelner klinischer und radiologischer Parameter ist für die Wahl der Therapie des M. Perthes von besonderer Bedeutung. Das Alter hat eine große prognostische Bedeutung, so hat ein Kind unter dem 6. Lebensjahr bei Erstdiagnose eine deutlich günstigere Prognose für den Verlauf [1, 19, 22].

Ebenso nahm in den letzten Jahren die Bedeutung der Herring-Klassifikation zu, so haben Kinder mit einem Herring B/C und C eine deutlich ungünstigere Prognose [19].

Das Ausmaß der Nekrose zeigt ebenfalls einen prognostischen Wert, so zeigen Patienten der Gruppen Catterall I und II eine bessere, Patienten der Gruppen Catterall III und IV eine schlechtere Prognose hinsichtlich der Defektausheilung [17, 25]. Die „Head-at-risk-signs“ haben hingegen einen größeren negativen prognostischen Aussagewert, insbesondere die laterale Kalzifizierung und die Subluxation. Diese beiden Faktoren sind Anzeichen des Containment-Verlusts [1, 15]. Auch hat die Beweglichkeit des Hüftgelenks sowie das Geschlecht eine Bedeutung für die Prognose. Kinder mit einem Skelettalter > 6 Jahre und einem Herring B und B/C Stadium zeigen signifikant bessere Ergebnisse nach operativer Therapie. Mädchen sind zwar weniger betroffen, so zeigen sie jedoch deutlich schlechtere Spätergebnisse (Tab. 6) [17, 25].

Therapie

Das Therapieziel ist die Erhaltung und/oder Wiederherstellung eines kongruenten Gelenks, eines sphärischen Kopfs mit möglichst geringer Defektheilung. Wichtigstes Therapieprinzip ist das Prinzip des Containments zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Gelenkzentrierung in Kombination mit der Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und teilweise Entlastung des betroffenen Hüftgelenks.

Konservative Therapie

Medikamentöse Therapie

Eine medikamentöse Therapie sollte symptomorientiert in der initialen Phase der Erkrankung und bei Bedarf im Verlauf durch eine analgetisch-anti-phlogistische Schmerztherapie erfolgen, beispielsweise mit Ibuprofen. Eine dauerhafte Schmerztherapie ist in der Regel nicht notwendig.

Tierexperimentelle Studien zur medikamentösen Behandlung mit Bisphosphonaten konnten durch die Hemmung der Osteoklasten eine Verringerung des Abbaus des Femurkopfs zeigen, und durch ihre anabole Wirkung konnte eine beschleunigte Heilung beobachtet werden [20].

Die Gabe eines Prostaglandinanalogons (Ilomedin) zur Revaskularisierung zeigt jedoch bei bereits radiologisch evidenter Osteonekrose keine Auswirkung auf das Endergebnis [21].

Eine medikamentöse Therapie zur Verbesserung der Durchblutung des Femurkopfs mit vasoaktiven Substanzen (Prostaglandinanaloga) sowie eine adjuvante medikamentöse Behandlung mit Bisphosphonaten ist kein fester Bestandteil aktueller Therapiestrategien, da diese Substanzen zur Behandlung des M. Perthes nicht zugelassen und die Ergebnisse inkonsistent sind [19].

 

Physiotherapie

Die Verbesserung und Erhaltung der freien Gelenkbeweglichkeit ist ein wichtiges Behandlungsziel beim M. Perthes und während des gesamten Krankheitsverlaufs von Bedeutung. Auch ist die Erhaltung der Beweglichkeit eine Grundvoraussetzung für verschiedene operative Behandlungsmethoden.

Dabei stehen physiotherapeutisch die Zentrierung des Gelenks und Aufrechterhaltung der Beweglichkeit durch geeignete mobilisierende Maßnahmen im Vordergrund [1, 19].

Für die konservative Therapie können die Eltern angelernt werden und unter Nutzung einer Traktionsvorrichtung (Abb. 2) die Kapselmobilisierung und Dehnübungen zuhause unterstützend zur ambulanten Physiotherapie durchführen. Diese Technik wird im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthaltes erlernt. Auch durch Bewegungen unter reduzierter Belastung wird die trophische Situation gefördert, so kann durch eine Schlingenaufhängung (Abb. 3) im Rahmen einer Heiminstallation die hubfreie Flexion, Abduktion und Rotation geübt werden [23].

 

Hilfsmittel

Die Verordnung von entlastenden Orthesen, beispielsweise der Thomas-splint, ist heute obsolet. Untersuchungen haben ihre Wirksamkeit bezüglich der Entlastung widerlegt und sogar teilweise erhöhte intraartikuläre Drücke nachgewiesen [24].

Abduzierende Orthesen, wie die Atlanta-Orthese, schränken die Kinder motorisch in ihrem Alltag stark ein. Diese Orthesen werden nur bei besonders aktiven Kindern als motorische Bremsung verwendet.

Die Entlastung an Unterarmgehstützen ist nicht unproblematisch, da entlastende Maßnahmen den Alltag des Kindes stark beeinflussen, so orientiert sich die Intensität und Konsequenz von deren Nutzung am Ausmaß der Symptomatik. Sie können jedoch als Erinnerung dienen, mechanische Belastungen wie Hüpfen und Springen zu vermeiden. Zeigt das Kind Überlastungssymptome, können sie zur (Teil-)Entlastung der betroffenen Extremität und Schmerzreduktion bis zum Abklingen der Symptome vorübergehend genutzt werden. Es gilt das Prinzip: Soviel Entlastung wie nötig, soviel Alltag wie möglich.

Insgesamt sollten unnötige Gehstrecken vermieden werden, die Kinder sollten Schritte sparen und für lange Strecken ist die Nutzung eines Rollstuhles sinnvoll. Leichte sportliche, gelenkschonende Betätigungen wie Schwimmen und Radfahren sind während der Behandlungszeit
erlaubt. Es sollten jedoch Belastungsspitzen (Sprungbelastung/Kontaktsportar-ten) vermieden werden.

Milde Verlaufsformen einer Perthes-erkrankung in einem Alter von < 6 Jahren bei Erstdiagnose und einem guten Containment können allein konservativ behandelt werden.

Für Kinder in einem Alter von > 6 Jahren bei Diagnosestellung sowie einer Herring-Klassifikation B/C und C zeigt die operative Therapie signifikant bessere Ergebnisse [25].

Operative Therapie

Die operative Therapie verfolgt ebenfalls das Prinzip der Containment-Verbesserung und somit der Zentrierung des Hüftgelenks. Die operative Versorgung kann am proximalen Femur durch eine varisierende Umstellungsosteotomie oder am Becken beispielsweise als korrigierende Beckenosteotomie nach Salter oder als Triple-Osteotomie erfolgen. So kommt die Triple-Osteotomie ab dem 8. Lebensjahr bei reduzierter Elastizität des Beckens zur Anwendung [1]. Von einer Kombination beider Verfahren profitieren ältere Kinder ab dem 6.–8. Lebensjahr.

Voraussetzung für eine operative Behandlung ist jedoch eine Abspreizfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks von mindesten 30°, um den operative Erfolg zu gewährleisten.

 

Die intertrochantäre Varisationsosteotomie (IVO)

Die intertrochantäre Varisationsosteotomie war lange die favorisierte Methode zur operativen Containmentverbesserung beim M. Perthes. Dieses technisch einfache operative Verfahren hat jedoch zugleich auch Nachteile. Durch die Varisation kommt es zu einer Verkürzung des proximalen Femurs, sie führt zu einem Trochanterhochstand sowie zu einer Vergrößerung des Offsets. Bei unseren jungen Patienten (< 7 Jahre) führt das weitere Längenwachstum zu einer Revalgisierung des Schenkelhalses und somit verringert sich die Gefahr des persistierenden Trochanterhochstands. So sollte eine alleinige IVO nur im entsprechend jungen Alter erfolgen, um das bekannte Problem der Glutealinsuffizienz durch den relativen Trochanterhochstand zu minimieren. Eine Varisierung mit einem CCD-Winkel < 110° ist aus diesem Grund zu vermeiden [27, 28]. Trotz der genannten Nachteile hat die Varistationsosteotomie weiterhin ihren Stellenwert in der operativen Behandlung des M. Perthes. So zeigt eine multizentrische Analyse aus Norwegen signifikant bessere Ergebnisse der operativ behandelten Patienten gegenüber einer konservativen Behandlung, und die Autoren empfehlen die intertrochantäre Varisationsosteotomie bei Kindern jünger als 6 Jahre und > 50 % Hüftkopfbefall [26] (Abb. 4).

Bei starker Dezentrierung und sekundärer Pfannenbeteiligung sollte die intertrochantäre Varisationsosteotomie mit einem Beckeneingriff kombiniert werden, im Sinne des „advanced Containment“, um ein ausreichendes Containment zu erreichen. Ein Vorteil des advanced Containment ist, das Erreichen eines vollen Containments mit Kombination der Vorteile beider Verfahren und Reduktion der Nachteile (Abb. 5).

 

Beckenosteotomie

Die Vorteile der Beckenosteotomie gegenüber einer Varisationsosteotomie sind die Vermeidung der Beinverkürzung und keine Veränderung der Hebelarme der Abduktoren. Sie zeigen jedoch, vor allem bei der Salter-Osteotomie, eine intraartikuläre Druckerhöhung, da das Pfannendach neben der Lateralisation und Verlagerung nach ventral auch distalisiert wird. Eine günstigere Situation wird durch die Triple-Osteotomie erreicht, sie ist besonders geeignet für die Fälle mit einer ausgeprägten Kopfbeteiligung, einem plumpen und verkürzten Schenkelhals bei noch vorhandenem Remodellierungs-Potenzial. Die Triple-
Osteotomie ist jedoch deutlich anspruchsvoller und birgt größere OP-Risiken und Komplikationsraten (Abb. 6) [29].

Wenger et al. konnten 2010 in ihrer retrospektiven Untersuchung bei 39 Patienten mit einen M. Perthes 83 % gute Ergebnisse bei Herring C und einem Alter < 8 Jahren durch eine Triple-Osteotomie zeigen [30].

Eine Einigkeit über die operative Therapie des M. Perthes gibt es derzeit nicht. Aufgrund der oben beschriebenen Nachteile der IVO geht der Trend bei älteren Kindern mit einer schlechten Prognose in den vergangenen Jahren hin zur Triple-Osteotomie, ggf. in Kombination mit einer sparsamen Varisierung des proximalen Femurs.

 

Komplikationen

Kommt es im Krankheitsverlauf zu einer Coxa vara mit Trochanterhochstand und konsekutivem schweren Trendelenburg-Hinken, besteht die operative Möglichkeit, durch eine revalgisierende, ggf. schenkelhalsverlängernde Korrekturosteotomie oder bei erhaltenem CCD-Winkel alternativ durch eine alleinige Trochanterdistalisierung, die Deformierung des Gelenks zu verbessern [31, 32].

Bei einem Hinge-abduction-Phänomen ist ebenfalls eine revalgisierende Osteotmie erforderlich, hier wird der mediale, besser erhaltene Anteil des Femurkopfs in die Hautbelastungszone eingestellt und reduziert die Adduktionskontraktur, distalisiert den Trochanter und verlängert somit funktionell den Schenkelhals (Abb. 7) [31, 32]. Als weitere therapeutische Alternative gibt es bei noch offenen Wachstumsfugen die Apophyseodese des Tochanter major, um die Biomechanik zu erhalten [33].

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Dr. Stefanie Adolf

Orthopädische Universitätsklinik
Friedrichsheim gGmbH

Marienburgstraße 2

60528 Frankfurt am Main

S.Adolf@friedrichsheim.de

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Fussnoten

1 Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim, Frankfurt am Main

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