Originalarbeiten - OUP 01/2014

Aktueller Stand der Therapie des Morbus Perthes

 

Physiotherapie

Die Verbesserung und Erhaltung der freien Gelenkbeweglichkeit ist ein wichtiges Behandlungsziel beim M. Perthes und während des gesamten Krankheitsverlaufs von Bedeutung. Auch ist die Erhaltung der Beweglichkeit eine Grundvoraussetzung für verschiedene operative Behandlungsmethoden.

Dabei stehen physiotherapeutisch die Zentrierung des Gelenks und Aufrechterhaltung der Beweglichkeit durch geeignete mobilisierende Maßnahmen im Vordergrund [1, 19].

Für die konservative Therapie können die Eltern angelernt werden und unter Nutzung einer Traktionsvorrichtung (Abb. 2) die Kapselmobilisierung und Dehnübungen zuhause unterstützend zur ambulanten Physiotherapie durchführen. Diese Technik wird im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthaltes erlernt. Auch durch Bewegungen unter reduzierter Belastung wird die trophische Situation gefördert, so kann durch eine Schlingenaufhängung (Abb. 3) im Rahmen einer Heiminstallation die hubfreie Flexion, Abduktion und Rotation geübt werden [23].

 

Hilfsmittel

Die Verordnung von entlastenden Orthesen, beispielsweise der Thomas-splint, ist heute obsolet. Untersuchungen haben ihre Wirksamkeit bezüglich der Entlastung widerlegt und sogar teilweise erhöhte intraartikuläre Drücke nachgewiesen [24].

Abduzierende Orthesen, wie die Atlanta-Orthese, schränken die Kinder motorisch in ihrem Alltag stark ein. Diese Orthesen werden nur bei besonders aktiven Kindern als motorische Bremsung verwendet.

Die Entlastung an Unterarmgehstützen ist nicht unproblematisch, da entlastende Maßnahmen den Alltag des Kindes stark beeinflussen, so orientiert sich die Intensität und Konsequenz von deren Nutzung am Ausmaß der Symptomatik. Sie können jedoch als Erinnerung dienen, mechanische Belastungen wie Hüpfen und Springen zu vermeiden. Zeigt das Kind Überlastungssymptome, können sie zur (Teil-)Entlastung der betroffenen Extremität und Schmerzreduktion bis zum Abklingen der Symptome vorübergehend genutzt werden. Es gilt das Prinzip: Soviel Entlastung wie nötig, soviel Alltag wie möglich.

Insgesamt sollten unnötige Gehstrecken vermieden werden, die Kinder sollten Schritte sparen und für lange Strecken ist die Nutzung eines Rollstuhles sinnvoll. Leichte sportliche, gelenkschonende Betätigungen wie Schwimmen und Radfahren sind während der Behandlungszeit
erlaubt. Es sollten jedoch Belastungsspitzen (Sprungbelastung/Kontaktsportar-ten) vermieden werden.

Milde Verlaufsformen einer Perthes-erkrankung in einem Alter von < 6 Jahren bei Erstdiagnose und einem guten Containment können allein konservativ behandelt werden.

Für Kinder in einem Alter von > 6 Jahren bei Diagnosestellung sowie einer Herring-Klassifikation B/C und C zeigt die operative Therapie signifikant bessere Ergebnisse [25].

Operative Therapie

Die operative Therapie verfolgt ebenfalls das Prinzip der Containment-Verbesserung und somit der Zentrierung des Hüftgelenks. Die operative Versorgung kann am proximalen Femur durch eine varisierende Umstellungsosteotomie oder am Becken beispielsweise als korrigierende Beckenosteotomie nach Salter oder als Triple-Osteotomie erfolgen. So kommt die Triple-Osteotomie ab dem 8. Lebensjahr bei reduzierter Elastizität des Beckens zur Anwendung [1]. Von einer Kombination beider Verfahren profitieren ältere Kinder ab dem 6.–8. Lebensjahr.

Voraussetzung für eine operative Behandlung ist jedoch eine Abspreizfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks von mindesten 30°, um den operative Erfolg zu gewährleisten.

 

Die intertrochantäre Varisationsosteotomie (IVO)

Die intertrochantäre Varisationsosteotomie war lange die favorisierte Methode zur operativen Containmentverbesserung beim M. Perthes. Dieses technisch einfache operative Verfahren hat jedoch zugleich auch Nachteile. Durch die Varisation kommt es zu einer Verkürzung des proximalen Femurs, sie führt zu einem Trochanterhochstand sowie zu einer Vergrößerung des Offsets. Bei unseren jungen Patienten (< 7 Jahre) führt das weitere Längenwachstum zu einer Revalgisierung des Schenkelhalses und somit verringert sich die Gefahr des persistierenden Trochanterhochstands. So sollte eine alleinige IVO nur im entsprechend jungen Alter erfolgen, um das bekannte Problem der Glutealinsuffizienz durch den relativen Trochanterhochstand zu minimieren. Eine Varisierung mit einem CCD-Winkel < 110° ist aus diesem Grund zu vermeiden [27, 28]. Trotz der genannten Nachteile hat die Varistationsosteotomie weiterhin ihren Stellenwert in der operativen Behandlung des M. Perthes. So zeigt eine multizentrische Analyse aus Norwegen signifikant bessere Ergebnisse der operativ behandelten Patienten gegenüber einer konservativen Behandlung, und die Autoren empfehlen die intertrochantäre Varisationsosteotomie bei Kindern jünger als 6 Jahre und > 50 % Hüftkopfbefall [26] (Abb. 4).

Bei starker Dezentrierung und sekundärer Pfannenbeteiligung sollte die intertrochantäre Varisationsosteotomie mit einem Beckeneingriff kombiniert werden, im Sinne des „advanced Containment“, um ein ausreichendes Containment zu erreichen. Ein Vorteil des advanced Containment ist, das Erreichen eines vollen Containments mit Kombination der Vorteile beider Verfahren und Reduktion der Nachteile (Abb. 5).

 

Beckenosteotomie

Die Vorteile der Beckenosteotomie gegenüber einer Varisationsosteotomie sind die Vermeidung der Beinverkürzung und keine Veränderung der Hebelarme der Abduktoren. Sie zeigen jedoch, vor allem bei der Salter-Osteotomie, eine intraartikuläre Druckerhöhung, da das Pfannendach neben der Lateralisation und Verlagerung nach ventral auch distalisiert wird. Eine günstigere Situation wird durch die Triple-Osteotomie erreicht, sie ist besonders geeignet für die Fälle mit einer ausgeprägten Kopfbeteiligung, einem plumpen und verkürzten Schenkelhals bei noch vorhandenem Remodellierungs-Potenzial. Die Triple-
Osteotomie ist jedoch deutlich anspruchsvoller und birgt größere OP-Risiken und Komplikationsraten (Abb. 6) [29].

Wenger et al. konnten 2010 in ihrer retrospektiven Untersuchung bei 39 Patienten mit einen M. Perthes 83 % gute Ergebnisse bei Herring C und einem Alter < 8 Jahren durch eine Triple-Osteotomie zeigen [30].

Eine Einigkeit über die operative Therapie des M. Perthes gibt es derzeit nicht. Aufgrund der oben beschriebenen Nachteile der IVO geht der Trend bei älteren Kindern mit einer schlechten Prognose in den vergangenen Jahren hin zur Triple-Osteotomie, ggf. in Kombination mit einer sparsamen Varisierung des proximalen Femurs.

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