Originalarbeiten - OUP 01/2014
Aktueller Stand der Therapie des Morbus Perthes
Bei einem kindlichen Knieschmerz muss immer das Hüftgelenk mit untersucht werden. Weiterhin zeigt sich häufig ein schmerzfreies Schonhinken, welches durch die Eltern oder Dritte beobachtet wird.
In der klinischen Untersuchung sehen wir eine Einschränkung der Innenrotations- und Abspreizfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks.
Bildgebende Diagnostik
Sonografie
Standardmäßig erfolgt zunächst eine Sonografie der Hüftgelenke, diese wird zur Beurteilung eines initialen intraartikulären Ergusses herangezogen. Bei einem erfahrenen Untersucher kann die Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung der Hüftkopfform und der Kopfstellung in den Verlaufskontrollen ebenfalls genutzt werden.
Röntgen
Eine Beckenübersichtsaufnahme sowie eine Lauensteinaufnahme gehören zu den Standardaufnahmen. Die ersten Zeichen einer Pertheserkrankung zeigen sich meist erst nach einem Zeitraum von 4–6 Wochen, als leichte Abflachung der Epiphyse, eine Verdichtung (Kondensation) des Knochens, sowie eine Verbreiterung des Gelenkspalts.
MRT
Das MRT ist sehr spezifisch und zeigt schon frühzeitig eine Veränderung in der Epiphyse. Es kommt zur Anwendung bei anhaltenden unklaren schmerzhaften Befunden des Hüftgelenks, bei nativradiologisch unauffälligem Befund zur differenzialdiagnostischen Untersuchung.
Weitere bildgebende Verfahren wie CT oder Szintigrafie haben keinen Stellenwert in der Diagnostik des M. Perthes.
Klassifikationen
Der Morbus Perthes zeigt einen typischen stadienhaften Verlauf. Er beginnt mit der epiphysären Durchblutungsstörung und den hierdurch verbundenen Ossifikationsstörungen des Hüftkopfs bis zum Zerfall. Anschließend werden Reparationsprozesse aktiv. Die Dauer des natürlichen Verlaufs hängt von der Ausdehnung der Nekrose ab und variiert durchschnittlich zwischen 3–5 Jahren.
Sämtliche Klassifikationen des M. Perthes sind rein morphologisch aufgrund des radiologischen Befunds.
Die erste Klassifikation der Perthes-Erkrankung wurde im Jahre 1922 durch Waldenström veröffentlicht. Er teilte die radiologischen Veränderungen der Osteochondrose in 4 Stadien ein, eine rein morphologische Beschreibung des natürlichen Verlaufs ohne eine prognostische Abschätzung (Tab. 1) [14].
Im Jahre 1971 veröffentlichte Catterall eine Klassifikation, welche das Nekroseausmaß der Epiphyse, in Form der betroffenen Quadranten, beschreibt [15]. Diese wurde durch die „Head-at-risk-signs“ ergänzt (Tab. 2, 3) [15].
Herring und Mitarbeiter veröffentlichten 1992 eine weitere Klassifikation, um insbesondere eine Aussage zur langfristigen Prognose feststellen zu können. In dieser Einteilung wird der Fe-murkopf in 3 Säulen, eine mediale, zentrale und laterale Säule eingeteilt. Die Idee hierbei ist, dass keine wesentliche Deformierung des Femurkopfs und die Subluxationsphänomene auftreten, solange die laterale Säule besteht.
Ebenso hat diese Klassifikation unter Berücksichtigung des Alters bei Erstdiagnose einen besonders hohen Aussagewert bezüglich der Prognose (Tab. 4) [16].
Zuletzt ergänzte Herring seine Klassifikation um den sogenannten Subtyp B/C („boarder group“), da in seiner Multicenterstudie viele Hüften einen Grenzbefund zwischen den Typen B und C zeigten [17].
Das Ausheilungsstadium bzw. Endstadium des Morbus Perthes wird nach Stulberg at al. [18] eingeteilt. Die 5 Gruppen beschreiben das Ausmaß der Fehlform, sie nimmt in den Gruppen 1–5 zu und hängt vom Alter der Kinder bei der Erstdiagnose ab. Das Risiko für die Entwicklung einer Arthrose nimmt ebenfalls fortwährend in den Gruppen zu (Tab. 5) [17].
Prognose
Der prognostische Aussagewert einzelner klinischer und radiologischer Parameter ist für die Wahl der Therapie des M. Perthes von besonderer Bedeutung. Das Alter hat eine große prognostische Bedeutung, so hat ein Kind unter dem 6. Lebensjahr bei Erstdiagnose eine deutlich günstigere Prognose für den Verlauf [1, 19, 22].
Ebenso nahm in den letzten Jahren die Bedeutung der Herring-Klassifikation zu, so haben Kinder mit einem Herring B/C und C eine deutlich ungünstigere Prognose [19].
Das Ausmaß der Nekrose zeigt ebenfalls einen prognostischen Wert, so zeigen Patienten der Gruppen Catterall I und II eine bessere, Patienten der Gruppen Catterall III und IV eine schlechtere Prognose hinsichtlich der Defektausheilung [17, 25]. Die „Head-at-risk-signs“ haben hingegen einen größeren negativen prognostischen Aussagewert, insbesondere die laterale Kalzifizierung und die Subluxation. Diese beiden Faktoren sind Anzeichen des Containment-Verlusts [1, 15]. Auch hat die Beweglichkeit des Hüftgelenks sowie das Geschlecht eine Bedeutung für die Prognose. Kinder mit einem Skelettalter > 6 Jahre und einem Herring B und B/C Stadium zeigen signifikant bessere Ergebnisse nach operativer Therapie. Mädchen sind zwar weniger betroffen, so zeigen sie jedoch deutlich schlechtere Spätergebnisse (Tab. 6) [17, 25].
Therapie
Das Therapieziel ist die Erhaltung und/oder Wiederherstellung eines kongruenten Gelenks, eines sphärischen Kopfs mit möglichst geringer Defektheilung. Wichtigstes Therapieprinzip ist das Prinzip des Containments zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Gelenkzentrierung in Kombination mit der Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und teilweise Entlastung des betroffenen Hüftgelenks.
Konservative Therapie
Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Therapie sollte symptomorientiert in der initialen Phase der Erkrankung und bei Bedarf im Verlauf durch eine analgetisch-anti-phlogistische Schmerztherapie erfolgen, beispielsweise mit Ibuprofen. Eine dauerhafte Schmerztherapie ist in der Regel nicht notwendig.
Tierexperimentelle Studien zur medikamentösen Behandlung mit Bisphosphonaten konnten durch die Hemmung der Osteoklasten eine Verringerung des Abbaus des Femurkopfs zeigen, und durch ihre anabole Wirkung konnte eine beschleunigte Heilung beobachtet werden [20].
Die Gabe eines Prostaglandinanalogons (Ilomedin) zur Revaskularisierung zeigt jedoch bei bereits radiologisch evidenter Osteonekrose keine Auswirkung auf das Endergebnis [21].
Eine medikamentöse Therapie zur Verbesserung der Durchblutung des Femurkopfs mit vasoaktiven Substanzen (Prostaglandinanaloga) sowie eine adjuvante medikamentöse Behandlung mit Bisphosphonaten ist kein fester Bestandteil aktueller Therapiestrategien, da diese Substanzen zur Behandlung des M. Perthes nicht zugelassen und die Ergebnisse inkonsistent sind [19].