Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018
Anmerkungen zur Mittelfußknochenosteotomie nach WeilAnforderungen an die Indikationsstellung, Dokumentation und RisikoaufklärungRate of mistakes and malpractice claims
Christian Holland1, Rainer Rosenberger2, Beate Weber3
Zusammenfassung: Unter den von der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein bearbeiteten und abgeschlossenen Fällen befanden sich im Zeitraum von 2005–2016 knapp 2 % Patientenbeschwerden bezüglich vermuteter Behandlungsfehler bei Vorfußoperationen. Über Eingriffe ausschließlich an den Kleinzehen berichteten wir aus gleicher Quelle 2012 in der OUP [29]. Auffallend häufig waren Klagen über nicht zufriedenstellende Ergebnisse nach der die Mittelfußknochen verkürzenden Operationsmethode nach Weil. Beklagt wurden vor allem eingesteifte Zehengrundgelenke, meist in Streckstellung.
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Häufigkeit dieser Komplikation, den möglichen Ursachen, Vermeidungsstrategien, aber auch besonders mit der präoperativen Aufklärung und der Dokumentation mit dem Ziel, zur Verbesserung der Ergebnisse und damit auch zur Verringerung von Behandlungsfehlervorwürfen beizutragen.
Schlüsselwörter: Weil-Osteotomie, Fehlervermeidung, Indikation, Durchführung, Aufklärung
Zitierweise
Holland C, Rosenberger R, Weber B: Anmerkungen zur Mittelfußknochenosteotomie nach Weil.
OUP 2018; 7: 408–414 DOI 10.3238/oup.2018.0408–0414
Summary: Malpractice claims occurring with the so-called Weil osteotomy, are reviewed and judged by the Expert Committee for Medical Malpractice Claims of the Medical Association of North Rhine. Small toe-operations come to nearly 2 % of all patient complaints brought to the Gutachterkommission (conciliation board). Very often the patients – when operated because of metatarsalgia – were not content with the results of the shortening of the metatarsalia 2–4: In a high percentage (until 50 % in medical reviews), small toes grew stiff in extension or loose mobility in the metatarsophalangeal joint. This report presents causes of the insufficient results and what is to do to avoid pitfalls and malpractice claims.
Keywords: Weil osteotomy, rate of mistakes, malpractice claims, documentation, how to inform patients
Citation
Holland C, Rosenberger R, Weber B: Observations in the Weil osteotomy.
OUP 2018; 7: 408–414 DOI 10.3238/oup.2018.0408–0414
1 St. Willibrord Spital, Emmerich
2 Erster Stellvertretender Vorsitzender der Gutachterkommission Nordrhein, Vors. Richter am Oberlandesgericht a. D., Köln
3 Datenbankarchivierung und -auswertung, Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf
Einleitung
Der folgende Beitrag entstand aus einer Sichtung der von der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein erstellten gutachterlichen Entscheidungen über vermutete Fehler bei Operationen komplexer Vorfußdeformitäten. Über einen Teil des Materials berichteten wir bereits 2012 bei einer Auswertung der nur an den Mittel- und Endgelenken der Kleinzehen vorgenommenen Operationen [29]. Eingriffe an den Kleinzehengrundgelenken, die bei kontrakten Kleinzehendeformierungen (besonders bei Krallenzehen mit Sub-/Luxation in den Grundgelenken) zusätzlich erforderlich werden, wurden dabei jedoch nicht besprochen. Diesen dient u.a. besonders der das Metatarsale verkürzende Eingriff nach Weil, der seit Propagierung der Operationstechnik durch Barouk 1996 [4] eine starke Verbreitung fand. Bei der Sichtung dieses Materials fielen die relativ häufigen unbefriedigenden Ergebnisse dieser köpfchennahen Mittelfußosteotomien auf. Über das Gesamtmaterial informieren Tabellen 1 und 2.
Es ergibt sich die Frage, welche Ursachen den unbefriedigenden Ergebnissen sowohl bei den anerkannten als auch bei den (trotz Fehlschlagens der Operation!) nicht bestätigten Behandlungsfehlerfällen zugrunde lagen und welche Konsequenzen gezogen werden können, um bessere Ergebnisse zu erreichen und Beschwerden (Anträge auf Klärung eines vermuteten Behandlungsfehlers) durch sorgfältigere Aufklärung zu vermeiden, denn: postoperative Komplikationen im Sinne einer Einsteifung der Kleinzehengrundgelenke (stiffness/stiff toe/floating toe/floppy toe) werden neben anderen (Infektionen, Pseudarthrosen, Schraubenperforationen, Transfer- und Rezidivmetatarsalgie, Köpfchennekrosen, Achsenabweichungen, Rotationen und Gelenkverlust) in einer Häufigkeit bis 50 % und darüber hinaus in der Literatur genannt [10, 11, 12, 17, 18, 22, 23, 28].
Anatomie und Technik
Es kann hier nicht der Platz sein, um die Pathomorphologie (-mechanik) insbesondere des Vorfußes ausführlich abzuhandeln, dazu wird auf das Schrifttum verwiesen, zuletzt auf die ausführlichen Beiträge von Arbab et al. 2016 [1], ferner auf weitere Autoren wie Arnold 2005 [2] und 2016 [3] sowie Dohle 2016 [5], besonders in dieser Zeitschrift, Fuhrmann mit mehreren Beiträgen [7, 9], Jerosch und Heisel 2009 [20] und Sabo 2010 [26].
Bezüglich der Anatomie sei lediglich auf Folgendes hingewiesen: Der negative Metatarsalindex ist häufiger als der ausgeglichene (+/–) oder positive, also per se keine pathologische Fußform. Auf die Kleinzehengrundglieder hat funktionell nur die kurze Fußmuskulatur direkte Wirkung, sie muss bei einem gesunden Fuß im Zusammenspiel mit den langen Beugern und Streckern harmonieren [12]. Ihr Versagen führt zu den Kleinzehenfehlstellungen (wie dies auch durch die Ruptur der plantaren Platte geschehen kann mit Ausbildung einer Krallenzehe). Der Index +/–, die „harmonische Metatarsalköpfchenparabel“ nach Maestro, ist hingegen deutlich seltener (aber dann durch einen indizierten Eingriff anzustreben).
Es können auch nicht Einzelheiten zur technischen Durchführung der Operation nach Weil (und in wenigen Fällen der nach Helal [15, 16, 32] und der von Hamel und Nell 2014 [13] angegebenen Schrägdurchtrennung ohne Osteosynthese mit der gleichen Indikation) ausführlicher beschrieben werden. Dazu sind Operationslehren und Übersichtsartikel in der einschlägigen Literatur ausreichend vorhanden [2, 3, 6, 9, 12, 21, 31].
Der Eingriff nach Weil besteht in einer Arthrolyse des Kleinzehengrundgelenks mit Kapseldurchtrennung, teilweiser oder vollständiger Ablösung der Seitenbänder, plantarparalleler Osteotomie distal beginnend vom oberen Teil des Köpfchens ausgehend schräg durch das Metatarsale fersenwärts, Verschiebung des plantaren Teilstücks im erforderlichen Ausmaß nach proximal und Osteosynthese meist mit einer Twist-off-Schraube (einige Autoren entnehmen eine Scheibe, um eine Plantarisierung des zu verschiebenden Köpfchens zu vermeiden und auch einer Extensionskontraktur vorzubeugen [30]). Der distal dann ins Gelenk hineinragende spitze Anteil des Metatarsale wird abgetragen. Der Eingriff wird häufig mit Strecksehnenverlängerungen verbunden. Gelegentlich wird eine K-Draht-Transfixation in leichter Beugestellung durchgeführt, wobei die Gefahr einer Kollision mit der Schraube besteht [24]. Die Technik erfuhr auch Variationen [13]. Bezüglich des Verschlusses von Defekten der plantaren Platte besteht kein einheitliches Vorgehen (z.B. pro. Dohle 2016 [5], kontra Mittag und Wülker 2011 [24]).