Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Anmerkungen zur Mittelfußknochenosteotomie nach Weil
Anforderungen an die Indikationsstellung, Dokumentation und RisikoaufklärungRate of mistakes and malpractice claims

In nicht wenigen Fällen hatte der belastete Arzt bei Eingriffen am Vorfuß überhaupt zuvor keinen Befund dokumentiert, der damit als nicht erhoben gilt. Als Beleg für die Indikation dienten (lediglich) die Angabe einer Metatarsalgie und die Röntgenaufnahmen. Bereits daraus können aber ein Befunderhebungsfehler und somit ein Behandlungsfehler abgeleitet werden. Eine sorgfältige Untersuchung ist in Stichworten zu dokumentieren, Checklisten [14] und Scores [28] können dies erleichtern. Es sind grundsätzlich beide entkleideten Beine zu betrachten und auch das getragene Schuhwerk [25]. Auch die Spannungsverhältnisse im Gastrocnemius-Soleus-Komplex sollten überprüft werden [8]. Eine Übersicht gibt Tabelle 3 wieder.

Hinzuweisen ist hier nochmals auf die häufige Fehlbeurteilung des metatarsalen Alignments: Der am häufigsten vorliegende Index minus mit der Beschreibung einer Überlänge des 2. und 3. Metatarsale verführt dazu, darin von vornherein einen pathologischen und somit zu korrigierenden Befund zu sehen. Das ist falsch. Nur bei einer durch die klinische Untersuchung gesicherten Überlastung des betroffenen Kleinzehengrundgelenks (meist mit Subluxation), einer also tatsächlich vorliegenden Metatarsalgie auch aus diesem Grunde, ist eine Kürzung der entsprechenden Metatarsalia zu erwägen, sofern nicht z.B. das Alignment durch eine Korrektur am ersten Strahl zu verbessern ist. Unbedingt auszuschließen ist eine Morton-Neuralgie.

Zur Durchführung der Osteotomie nach Weil, Nachbehandlung und Komplikationsminderung

Es handelt sich um einen komplizierten, sehr sorgfältig durchzuführenden Eingriff. Dabei mögliche Fehler lassen sich u.U. zwar aus eingetretenen Komplikationen vermuten, aber zum Nachteil des Patienten sehr oft nach den Angaben im Operationsbericht oder der postoperativen Röntgenkontrolle nicht als tatsächlich geschehen belegen. Eine Fehlerhaftigkeit kann auch nur sehr selten nach dem Beweis des ersten Anscheins angenommen werden, weil es regelmäßig an der dafür notwendigen Typizität fehlt. Auf entsprechende Fehlervermeidung weist Tabelle 3 hin.

In der einschlägigen Literatur wird auf eine gesicherte und ständig beaufsichtigte Nachbehandlung hingewiesen. Dazu ein Zitat zu Typische Fehler und Gefahren: „Die größte Gefahr besteht in der nicht ausreichenden postoperativen Betreuung und Nachbehandlung“.

Diese Gefahr ist bedingt sowohl durch das häufige Auseinanderfallen von Operateur und weiterbehandelndem Arzt, durch fehlende Sorgfalt des weiterbehandelnden und damit verantwortlichen Arztes als auch durch fehlende Mitarbeit des Patienten, der die gegebenen Verhaltensmaßnahmen etc. nicht beachtet. Nicht nur sinnvoll, sondern erforderlich ist deshalb eine Sicherungsaufklärung über die notwendigen Maßnahmen nach der Operation. Hierauf sollte schon vor der Operation hingewiesen werden. Notwendig ist die Zügelung der operierten Zehe in eine leichte Beugestellung, worauf schon Barouk [4] mit der Formulierung „Grundphalanx postoperativ in Plantarflexion fixieren“ hinwies und auch Jerosch [20] mit: „der plantarisierende Tapezügelverband unmittelbar postoperativ ist absolut notwendig“. (Anmerkung: Bei der in Deutschland vorgegebenen strukturellen Situation können Kliniken nur sehr begrenzt die gesamte notwendige Nachbehandlung übernehmen. Deren Empfehlungen sind dann möglichst von einem Facharzt umzusetzen).

Aufklärungsmängel

Wie sich aus Tabelle 2 ergibt, prüft die Gutachterkommission auf Antrag auch, ob zu einer Haftung führende Aufklärungsmängel vorliegen. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die in § 630e BGB geregelte Eingriffs- oder Risikoaufklärung, durch die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewährleistet werden soll. Eine unzureichende oder gar unterbliebene Aufklärung macht die Einwilligung des Patienten (§ 630d BGB) unwirksam, sodass sich der Eingriff als rechtswidrige Körperverletzung erweist. Inhalt und Umfang der aufklärungspflichtigen Umstände sind in § 630e Abs. 1 BGB aufgeführt. Danach ist über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten.

Bei der Mittelfußknochenosteotomie nach Weil ist die Gefahr, dass dem Behandelnden ein Aufklärungsfehler unterläuft, aus dreierlei Gründen erhöht:

Der Eingriff ist regelmäßig nur relativ indiziert, weil die Maßnahme im Erfolgsfall für den Patienten lediglich vorteilhaft ist; sie verbessert zwar seine Lebensqualität, ist aber nicht zwingend, also absolut oder gar vital notwendig. Bei solchen Maßnahmen ist der Patient besonders ausführlich und eindrücklich über die Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen zu informieren1, was in der Praxis häufig nicht geschieht.

Ferner ist die Misserfolgsquote im Sinne postoperativer Komplikationen – wie dargelegt – sehr hoch. In solchen Fällen fordert die Rechtsprechung seit jeher klare Hinweise gerade auf diesen Umstand2. Freilich muss über das Misserfolgsrisiko nicht unter Angabe konkreter Prozentzahlen aufgeklärt werden; es muss aber stets deutlich darauf hingewiesen werden, dass der Eingriff in vielen Fällen fehlschlägt und sich der Gesundheitszustand sogar verschlechtern kann3. Auch hieran fehlt es in der täglichen Praxis nicht selten. Das OLG Nürnberg4 hat entschieden, dass die Angaben zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Komplikationen sich an der Häufigkeitsdefinition des „Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA)“, die in Medikamenten-Beipackzetteln Verwendung findet, zu orientieren habe. Ob sich das durchsetzen wird, ist zweifelhaft, weil die Komplikationsdichte in der Praxis regelmäßig stark vom Können und der Erfahrung des jeweiligen Operateurs und seines Teams sowie der medizinischen Einrichtung abhängt. Richtig ist, dass ein bestimmtes Risiko auf keinen Fall verharmlost werden darf. Bei der Operation nach Weil verwirklicht sich die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Einsteifung des Kleinzehengrundgelenks im Allgemeinen sehr häufig. Darauf muss unmissverständlich hingewiesen werden. Es muss mit dem Patienten erörtert werden, was dies für die Gebrauchsfähigkeit des Fußes bedeutet.

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