Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021
Aspekte der perioperativen Schmerztherapie für Orthopädie und Unfallchirurgie?
Bei Operationen der oberen Extremität haben sich Plexusblockaden gerade im Hinblick auf die postoperative Analgesie als vorteilhaft erwiesen [26, 32]. Für die Rotatorenmanschettenoperation wird eine interskalenäre Plexusblockade (ISK) als bevorzugtes regionales Verfahren von Prospect empfohlen; der ISK sollte postoperativ als kontinuierliche Blockade (z.B. mit Ropivacain 0,2 %) einige Tage weitergeführt werden [32]. Anteriore und posteriore interskalenäre Blockaden sind ebenfalls (auch als single shot-Verfahren) gut geeignet bei anderen Operationen an der Schulter, am proximalen Oberarm und lateraler Clavicula [26, 27]. Jerosch et al. verglichen die Wirksamkeit i.a. Analgesie, supraskapulärer Blockade (SSB) [14] und die interskalenäre Blockade (ISB) (jeweils single shot) nach arthroskopischen Schulteroperationen. Sie konnten dabei eine Überlegenheit der ISB in den ersten 24 Stunden postoperativ gegenüber dem supraskapulären Nervenblock (SSNB) und der i.a. Injektion von Lokalanästhetika aufzeigen. Bei der konservativen oder postoperativen Therapie der „frozen shoulder“ ist ein ISK oder ein SSNB ebenfalls effektiv, auch in Form einer kontinuierlichen LA-Applikation eine geeignete Analgesieform. Infraklavikuläre und axilläre Blockaden empfehlen sich bei Operationen des Ellenbogens sowie distal davon. Der SSNB kann gut vom Operateur vor oder nach dem sterilen Abdecken gesetzt werden.
Der Nervus suprascapularis-Block ist eine etablierte Technik und hat seine Sicherheit und Effektivität unter Beweis gestellt. Der Nervus suprascapularis entspringt von der Wurzel C5 und C6 des superioren Anteils des Plexus brachialis. Ein gewisser Anteil der Wurzel C4 ist ebenfalls mit involviert. Er verläuft in den posterioren Abschnitten, geht durch den suprascapularen Sulcus und innerviert den M. supraspinatus und distal den Nervus infraspinatus (Abb. 2). Sensibel versorgt der Nervus suprascapularis einen erheblichen Anteil des posterioren Schulterbereiches. Zusammen mit dem Nervus pectoralis lateralis innerviert er ebenfalls das AC-Gelenk, die subacromiale Bursa und das coracoclaviculare Ligament.
Bisher wurde diese Technik in verschiedenen Bereichen der Schultertherapie eingesetzt, hierzu zählen offene und arthroskopische Schulteroperationen, chronische Schmerzpatienten, Karzinompatienten und adhäsive Kapsulitispatienten.
Technik des Nervus suprascapularis-Blocks: Der SSNB wird in sitzender Position gesetzt (beachchair-Position). Die anatomischen Landmarken wurden identifiziert und markiert (Clavicula, Acromion, Scapula, Spina scapulae, Proc. coracoideus (Abb. 3).
Der Arm wird zur Operation steril abgewaschen und steril abgedeckt. Dann erfolgt die Anlage des Nervenblockes. Der Nervenblock wurde durch den Operateur selber durchgeführt. Hierzu wird die Fossa supraspinata mit einer langen Spinalnadel punktiert und es wird 5 ml Lokalanästhesie appliziert (0,5 % Carbostesin).
Es gibt mehrere Landmarken um die adäquate Injektionsstelle zu identifizieren. Eine Möglichkeit ist es, den Übergang des lateralen zum distalen Drittels der Spina scapula zu identifizieren und die Injektion etwa 2–3 cm ventral davon durchzuführen. Eine andere Technik ist die Lokalisation des s.g. „soft spot“ medial der Vereinigung der Spina scapulae und der Clavicula.
Nach Aufsuchen dieses Injektionspunktes wird die Nadel so geführt, dass sie in Richtung Spina scapulae anguliert wird (Abb. 3). In einer Tiefe von etwa 3–5 cm (je nach Subcutangewebesituation) trifft die Nadel auf knöcherne Begrenzung der Scapula, mit vorsichtiger Palpation der Nadel ist die ventrale Begrenzung der Scapula zu palpieren. Sobald dieser Punkt erreicht ist, wird die Nadel wieder etwas nach dorsal anguliert. Mit dieser Technik kann man die Nadelspitze an die Basis des Proc. coracoideus platzieren; dies ist die anatomische Landmarke, an welcher der N. suprascapularis läuft (Abb. 3a–b). Zur ausreichenden Umflutung des N. suprascapularis reicht ein Volumen von 5 ml.
Von einer kontinuierlichen intraartikulären Gabe von Lokalanästhesie sollte Abstand genommen werden, da hierdurch schwere Knorpelschäden zu erwarten sind.
Eingriffe an der Hüfte (Tab. 2)
Operationen der unteren Extremitäten werden häufig in Spinal- oder seltener in Epiduralanästhesie durchgeführt. Ein epidural platzierter Katheter wird nur noch selten, z.B. bei Hüft-TEP-Revisionen oder ausgedehnten Tumoroperationen im Hüftbereich empfohlen; er kann in den ersten postoperativen Tagen z.B. im Rahmen einer Patientenkontrollierten Epiduralanalgesie (PCA) verwendet werden. Bei der Periduralanästhesie gilt zu beachten, dass das sensorische Niveau etwa 1–4 Etagen über dem motorischen Niveau liegt, d.h. für eine gute Relaxation des M. iliopsoas muss bspw. eine Periduralanästhesie mindestens bis TH 8 reichen. Dieses ist insbesondere für minimalinvasive Hüftprothesenimplantationen und Hüftarthroskopien wichtig, da diese Verfahren unbedingt eine gute Muskelrelaxation benötigen. Psoas-Blockaden erlauben in Kombination mit einem proximalen Ischiadicusblock operative Eingriffe ab dem distalen Oberschenkel, gleiches gilt für Femoralis-Blockaden. Eine Wundinfiltration ist auch an der Hüfte sinnvoll.
Eingriffe am Kniegelenk (Tab. 2)
Verschiedene Studien und eine große Meta-Analyse und auch die klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass periphere Nervenblockaden einer Epiduralanalgesie bei Kniegelenkseingriffen jeglicher Art analgetisch gleichwertig sind; da die Epiduralanalgesie gerade im Lumbalbereich erhebliche Risiken birgt, werden periphere Nervenblockaden bevorzugt empfohlen [26]. Periphere Nervenblockaden z.B. eine Nervus femoralis-Blockade (NFK), ggf. in Kombination mit einer Nervus ischiadikus-Blockade (NIK)) werden deshalb in vielen Häusern auch als Regionalanalgesieverfahren der 1. Wahl eingesetzt, insbesondere mit niedrig-konzentrierter Lokalanästhetika-Infusion, ggf. patientenkontrolliert als kontinuierliche periphere Nervenblockade postoperativ weitergeführt [26]. Dass dies das effektivste Verfahren ist, bestätigt auch eine relativ aktuelle große Metaanalyse.
Darüber hinaus hat sich in der Praxis auch die lokale Infiltrationsanästhesie (LIA), insbesondere im Bereich des Kniegelenkes bewährt [17]. Sie benötigt eine gezielte Injektion (wichtig ist hier auch die dorsale Kapsel) und sehr hohe Lokalanästhetikadosierungen, die direkt ins Kniegelenk injiziert werden (mit potentiell toxischer Wirkung). Der Operateur infiltriert sukzessiv verschiedene Bereiche (dorsale Kapsel, Seitenbänder, Ligamentum patellae und das Subcutangewebe) in 3 verschiedenen Portionen. Mit einem eingelegten Katheter intraartikulär positioniert, der am Abend und am nächsten Tag mit einer weiteren Gabe mit dem o.g. Schmerzcocktail bestückt wird und nach der morgendlichen Gabe entfernt wird, können auch anhaltendere Effekte erzielt werden Ein Kompressionsverband mit großflächiger Kühlung mit Kühlelementen für 4–6 Stunden verlängert die Analgesiedauer. Allerdings wird die Einlage eines Katheters im operierten Knie nicht von allen Operateuren favorisiert und die hohen Dosierungen der Lokalanästhetika machen potentiell systemische Komplikationen möglich.