Arzt und Recht - OUP 02/2014

Aufklärung und Einwilligung – Grenzen und Freiräume
Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einer Aufklärung über eine mögliche allergische Reaktion habe es ebenso wenig bedurft wie eines vorherigen Allergietests. Letzterer sei schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil sein Ergebnis nach den Ausführungen des Sachverständigen letztlich keine hinreichende Aussagekraft für ein bestehendes Risiko hat. Selbst wenn der Patient exogen keine Reaktion zeigt, könne dies endogen sehr wohl eintreten, wobei dies auch umgekehrt der Fall sein könne. Weiter habe der Sachverständige darauf hingewiesen, dass es bis dato kein geeignetes Testverfahren gibt, um einen Ursachenzusammenhang belegen zu können. Ist ein Allergietest aber letztlich im Hinblick auf ein Risiko ohne hinreichende Aussagekraft, könne selbst die Mitteilung eines Ergebnisses (eines solchen Tests) keine sichere Grundlage für die Entscheidung des Patienten bilden. Vor diesem Hintergrund musste selbst bei bekannter Nickelallergie kein vorheriger Test im Jahr der Knieimplantation durchgeführt werden.

In Fällen, in denen theoretisch ein zusätzliches Risiko denkbar ist (in der Vergangenheit z.B. Fälle bei Verwendung vom Amalgam oder Silikon), bestehe eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte, mit einer Behandlung verbundene Gefahren hinweisen, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan werden können, sondern als gewichtige Warnungen angesehen werden müssen (BGH, Urteil vom 13.06.2006, Az. VI ZR 323/04 = ArztR 2007, 207; siehe auch OLG Köln, Urteil vom 12.10.1995, Az. 5 U 234/94 = ArztR 1996, 259: Keine Aufklärung über Risiken von Silikon, wenn es zwar bereits wissenschaftliche Arbeiten dazu gibt, diese aber weder zu gesicherten Erkenntnissen noch zu einer offiziellen Reaktion geführt haben [etwa einer Änderung eines ärztlichen Standards]). Die Sachverständigen haben dargelegt, dass es bis dato keine gesicherten Kenntnisse über einen Zusammenhang zwischen nickelhaltiger Prothese und einer allergischen Reaktion gab.

Zwar gab es zu dieser Frage Stellungnahmen in der Literatur. Ältere Beiträge gingen aber bereits von anderen Voraussetzungen aus (Verwendung von Scharnierprothesen mit Metall-auf-Metall-Kontakt an Stelle der heute verwendeten Oberflächenprothese) und sind heute ohne konkrete Aussagekraft. Solche lassen sich auch nicht aus den von der Klägerin in Mengen vorgelegten Stellen aus dem medizinischen Schrifttum herleiten. Dies muss schon deshalb gelten, weil diese Literaturstellen ganz überwiegend aus der Zeit nach der Operation stammen und damit für den Wissensstand damals ohne Aussagekraft sind.

Oberlandesgericht Köln, Beschlüsse vom 19.12.2011 und 18.01.2012, Az. 5 U 146/11

Zum Sachverhalt

Dem Kläger wurde im Jahr 1992 eine Hüfttotalendoprothese links eingesetzt. In den Jahren 1995, 1997 und 2001 wurden Revisionsoperationen erforderlich. Am 13.07.2006 implantierten die operierenden Ärzte im Krankenhaus der Beklagten eine zementfreie Hüfttotalendoprothese rechts. Der Kläger, der sich am 30.01.2007 einem Revisionseingriff auf der rechten Seite unterzog und der u.a. andauernde Schmerzen im rechten Bein und im Rücken auf die Operation zurückführt, hat die Beklagte wegen eines angeblich behandlungsfehlerhaften und eigenmächtigen Vorgehens auf Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Insbesondere hat er geltend gemacht, dass er auf einem Einzementieren der Hüftprothese bestanden habe.

Mit der Berufung, die ausschließlich auf das Fehlen einer wirksamen Operationseinwilligung gestützt ist, verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen zu dem nach seiner Auffassung eigenmächtigen Vorgehen der handelnden Ärzte.

Aus den Gründen

Die Berufung hatte nach einstimmiger Überzeugung des Oberlandesgerichts offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht sei nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Zeuginnen mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Kläger seine Operationseinwilligung nicht auf den Einsatz einer zementierten Hüftprothese beschränkt hat. Nach den Bekundungen des Klägers und der Zeuginnen hat der Kläger in einem im Vorfeld der stationären Aufnahme geführten Gespräch gegenüber dem für die Beklagte tätigen Arzt erklärt, dass er gerne eine zementierte Hüftprothese hätte, weil er kein Standbein habe. Darauf habe der Arzt sinngemäß gesagt: „Wir gucken mal bei der OP“ bzw. „Dann sehen wir mal“.

Bei dieser Sachlage habe weder der das Vorgespräch führende Arzt noch der Operateur von einer Beschränkung der Einwilligung auf den Einsatz einer zementierten Prothese ausgehen müssen. Der Gesprächspartner des Klägers habe durch seine Antwort klar gemacht, dass es für die Frage einer zementierten oder nicht zementierten Prothese grundsätzlich auf die intraoperativ vorgefundenen Verhältnisse ankommt. Sofern der Kläger nach der Antwort des Arztes nicht zum Ausdruck brachte, gleichwohl an seinem Wunsch festzuhalten, habe der Arzt annehmen dürfen, dass der Kläger der ärztlichen Empfehlung einer erst intraoperativ zu treffenden Festlegung folgen wollte. Aus dem in der Berufungsbegründung herausgestellten Umstand, dass der an der linken Hüfte voroperierte Kläger durch den Hinweis auf das fehlende Standbein den Wunsch nach schneller Festigung und Stabilität besonders zum Ausdruck gebracht habe, folge nichts anderes. Hierbei handele es sich ersichtlich um einen Gesichtspunkt unter vielen – der Sachverständige hat die besseren Langzeitergebnisse und geringeren Revisionsraten nicht zementierter Prothesen hervorgehoben, sodass für den Gesprächspartner des Klägers, der auf den aus medizinischer Sicht maßgeblichen intraoperativen Befundes hingewiesen hatte, ohne klarstellende Äußerung des Klägers nicht erkennbar geworden sei, dass dieser ausschließlich in der zunächst angesprochenen Weise operiert werden wollte.

Erst recht gelte dies für den operierenden Arzt, nachdem der Kläger auch nach seinem eigenen Vorbringen in dem eigentlichen, am 12.07.2006 geführten Aufklärungsgespräch (Aufklärungsbogen/ die Einwilligungserklärung) den Wunsch nach einer zementierten Hüftprothese nicht wiederholt hatte und die Frage, ob mit Zement oder ohne Zement implantiert werden sollte, in der vom Kläger unterschriebenen Einwilligungserklärung offen gelassen war. Weder die eine noch die andere Alternative ist angekreuzt.

Fazit

SEITE: 1 | 2 | 3