Arzt und Recht - OUP 02/2014
Aufklärung und Einwilligung – Grenzen und FreiräumeRechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe
Die Entscheidungen zeigen, dass Aufklärungspflichten nicht uferlos und Einwilligungserklärungen nicht grundsätzlich minimal sind. Aufzuklären ist nur über Risiken, die nach dem medizinischen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Maßnahme als ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft gelten und nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan werden können. Die Einwilligung umfasst mangels ausdrücklich abweichender Erklärungen des Patienten jedenfalls auch eine Art und Weise der vom Patienten bewilligten Maßnahme, die intraoperativ in der Abwägung des Arztes für den Patienten die bessere Alternative darstellt.
Klar ist: Je weitgehender und konkreter Aufklärung und Einwilligung erfolgen und dokumentiert werden, desto besser ist die Position des Arztes in einem sich ggf. anschließenden Arzthaftungsprozess. Hierbei soll abschließend auf folgende wirklich neue Regelung hingewiesen werden, die durch das Patientenrechtegesetz in das BGB eingefügt wurde. Gemäß § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB sind dem Patienten Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen. Da in der Gesetzesbegründung von „Durchschrift oder Kopie“ die Rede ist, sollte von digitaler Aushändigung (E-Mail, Speichermedium) abgesehen werden, zumindest bis insofern eine Entwicklung durch neue Rechtsprechung erfolgt ist. Den Erhalt der Kopien sollte der Arzt sich vom Patienten auf den Unterlagen durch Vermerk mit Datum und Unterschrift vor der Kopie quittieren lassen. Diese Formerfordernisse sind erforderlich, um nicht den Nachweis der wirksamen Aufklärung (und damit auch der Einwilligung) zu gefährden.
Nach eigenen Angaben wollte der Gesetzgeber die Rechtslage übersichtlicher gestalten und vereinfachen. Dies ist ihm im Hinblick auf die nun noch weitergehenden Dokumentationspflich-ten bei der Aufklärung nicht geglückt. Wenigstens hat er jedoch durch die gesetzliche Kodifizierung die von der Rechtsprechung in jahrzehntelanger Entwicklung herausgearbeiteten Grundsätze nicht wesentlich infrage gestellt. Letztendlich wird es auch in Zukunft im Einzelfall der Beurteilung durch medizinische und juristische Fachleute überlassen bleiben, ob Aufklärungsversäumnisse oder Einwilligungsdefizite vorliegen.
Korrespondenzadresse
RA Dr. Christoph Osmialowski
Kanzlei für ArztRecht
Fiduciastraße 2
76227 Karlsruhe
kanzlei@arztrecht.org
Internet: www.arztrecht.org
Fussnoten
1 Bundesgesetzblatt I, Seite 277
2 Drucksache 17/10488
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