Übersichtsarbeiten - OUP 03/2018

Augmentationstechniken bei Osteoporose-assoziierten Frakturen

Stefan Mehaffey1, Daniel Pfeufer1, Deborah Schray1, Wolfgang Böcker1, Christian Kammerlander1, Carl Neuerburg1

Zusammenfassung: Als Folge des demografischen Wandels stellen Osteoporose-assoziierte Frakturen eine zunehmende Herausforderung für die erfolgreiche unfallchirurgische Behandlung älterer Patienten dar. Zur Reduktion chirurgischer und internistischer postoperativer Komplikationen wie Thrombosen, Pneumonien, aufsteigenden Harnwegsinfektionen oder Delir sollte eine rasche, vollbelastende Mobilisation das vorrangige Ziel der Operation darstellen. Um eine höhere Stabilität beispielsweise einer Osteosynthese zu erreichen, wurden daher neue Implantate und Operationstechniken konzipiert. Von wachsender Bedeutung ist hierbei die Augmentation der Implantate mit verschiedenen Biomaterialien wie dem Knochenzement Polymethylmethacrylat. Ziel der Implantatlager-Augmentation ist die Vermeidung von Repositionsverlust, „Cut-out“ von Osteosynthesematerial und anderweitiger Implantatdislokationen. Im Folgenden sollen gängige Augmentationstechniken anhand verschiedener Frakturlokalisationen näher beleuchtet und verfügbare Biomaterialien vorgestellt werden.

Schlüsselwörter: Augmentation, Osteoporose, Alterstraumatologie, Zement

Zitierweise
Mehaffey S, Pfeufer D, Schray D, Böcker W, Kammerlander C,
Neuerburg C: Augmentationstechniken bei Osteoporose-assoziierten Frakturen. OUP 2018; 7: 145–150 DOI 10.3238/oup.2018.0145–0150

Summary: In an aging population, osteoporosis associated fractures are an increasing challenge for successful surgical treatment of elderly patients. For reduction of postoperative complications like thromboses, pneumonias, urinary tract infections or delirium, facilitation of full weight bearing has to be the main objective of surgery. To achieve higher stability e.g. in osteosyntheses, new implants and surgical techniques have been designed. Augmentation of implants with different biomaterials, like bone cement polymethylmethacrylate, is gaining in importance for prevention of postoperative loss of reduction, cutting-out of screws and implant migration. Hence, considering different fractures and biomaterials, in the following article augmentation techniques will be explained.

Keywords: augmentation, osteoporosis, ortho-geriatrics, cement

Citation
Mehaffey S, Pfeufer D, Schray D, Böcker W, Kammerlander C,
Neuerburg C: Augmentation strategies for osteoporotic fractures. OUP 2018; 7: 145–150 DOI 10.3238/oup.2018.0145–0150

1 Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum der Ludwig-Maximillians-Universität München

Der demografische Wandel unserer alternden Bevölkerung wird von großen Herausforderungen für die Gesundheit und Gesundheitssysteme begleitet. Eine dieser Herausforderungen stellt die wachsende Zahl an Osteoporose-assoziierten Fragilitätsfrakturen dar. Trotz der reduzierten Knochenqualität, die oftmals eine chirurgische Herausforderung darstellt, ist eine belastungsstabile Frakturversorgung gerade bei diesen älteren unfallchirurgischen Patienten von übergeordneter Bedeutung.

Die Gebrechlichkeit (Frailty) gemäß der Definition von Fried et al. [18] nimmt einen wichtigen Stellenwert in der weiteren operativen und medizinischen Therapiefindung ein. Gebrechlichkeit wird hierbei als Symptomkomplex mit mindestens 3 der folgenden Kriterien definiert:

unbeabsichtigter Gewichtsverlust

zunehmende Erschöpfung

Einschränkung der maximalen Handkraft

reduzierte Ganggeschwindigkeit

eingeschränkte körperliche Aktivität.

Oft liegt bei gebrechlichen Patienten neben einer Multimorbidität der altersbedingte Verlust von Skelettmuskelmasse und/oder -funktion und/oder -kraft vor, im Sinne einer Sarkopenie. Zwischen 5 und 13 % der über 60-Jährigen leiden an einer Sarkopenie, bei über 80-jährigen Patienten steigt die Prävalenz auf bis zu 50 % [12, 38]. Dies erschwert die weitere Rehabilitation alterstraumatologischer Patienten einerseits, andererseits muss eine posttraumatische Immobilisierung zwingend vermieden werden, um einen weiteren Verlust von Muskelmasse sowie mit Immobilisierung assoziierte Komplikationen wie Infektionen, Delir oder Thrombosen mit konsekutiven Embolien zu vermeiden.

Zudem ist die Einhaltung einer Teilbelastung in vielen Fällen bei orthogeriatrischen Patienten nicht möglich. Aus diesem Grund sind neue Behandlungsoptionen erforderlich, um postoperativ unmittelbar die vollbelastende Mobilisierung zu gewährleisten. In älteren Hüftfrakturpatienten, die erst verzögert nach 2-wöchiger Immobilisation im Bett mobilisiert wurden, zeigte sich nach 6 Monaten eine signifikant höhere Mortalität gegenüber unmittelbar postoperativ mobilisierten Patienten [47].

Den führenden Risikofaktor für Frakturen älterer Patienten stellt jedoch die Mineralsalzminderung des Knochens dar, die Osteoporose. Mit ca. 8 Millionen Osteoporose-Patienten in Deutschland und ca. 27,5 Millionen europaweit (EU-Gebiet), erleiden jährlich ca. 3,5 Millionen Menschen in Europa Osteoporose-assoziierte Frakturen [4, 20, 22]. (Zum Vergleich: In den USA sind es ca. 2 Millionen Frakturen jährlich [7]) Aufgrund des bereits erwähnten demografischen Wandels werden diese Zahlen signifikant steigen, Hernlund et al. schätzten 25 % höhere Kosten bis 2025, der Anteil der über 85-jährigen Patienten soll bei Männern um 129 % steigen, bei Frauen um 79 %.

Im Wesentlichen treten bei Osteosynthesen osteoporotischer Frakturen folgende 3 Komplikationen auf: „Cut-out“ der Schrauben [34], Implantatdislokation [1] und Repositionsverlust [26]. Neben der Einführung winkelstabiler Plattenosteosynthesen adressiert die Augmentation das Problem eines Mangels trabekulärer Knochenstruktur. Aufgrund der dadurch verbesserten Stabilität treten o.g. Osteosynthese-spezifische Komplikationen seltener auf und sind sichern eine frühestmögliche vollbelastende Mobilisation. Im Folgenden sollen dazu die gebräuchlichsten Augmentationstechniken beschrieben werden.

Definition und
Augmentationsmöglichkeiten

Augmentation leitet sich vom lateinischen Wort augmentatio für Vermehrung ab. Im Rahmen der Zementaugmentation von Osteosynthesen versteht man Augmentation a.e. als Vergrößerung der Kontaktfläche von Implantat und Knochen, vereinfacht als Vergrößerung des Knochen-Implantat-Interfaces. Bei Anwendung des Zements als Knochenersatzmaterial kann mit dem Begriff Augmentation auch die Vermehrung der knöchernen bzw. knochenähnlichen Substanz bezeichnet werden.

Bei Implantation des Augmentationsmaterials müssen verschiedene Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Eine Leckage des Zements sollte unter allen Umständen vermieden werden, um die Sicherheit des operativen Eingriffs nicht zu beeinträchtigen. Die Verwendung wasserlöslicher Kontrastmittel unter Durchleuchtung vor Injektion des Augments lassen möglichen Zementmittelaustritt in Gelenke oder den Spinalkanal antizipieren.

Aktuelle Anwendungsgebiete der Zementaugmentation sind insbesondere metaphysäre Frakturen (vornehmlich proximale Humerus- und Femurfrakturen) sowie Augmentation der Pedikelschrauben im Rahmen dorsaler Stabilisierungen. Ferner finden Knochenzemente in der Endoprothetik, bei Vertebro- und Kyphoplastien sowie als Knochenersatzmaterial bei größeren Defekten Anwendung.

Verfügbare Biomaterialien zur Augmentation

Je nach Anwendungsgebiet sind verschiedene Knochenzemente am Markt verfügbar, eine Vielzahl unterschiedlicher Biomaterialien wurde bereits untersucht. Folgende Eigenschaften müssen dabei erwogen werden: Osteoinduktion (Aktivierung der Knochenneubildung), Osteokonduktion (Eigenschaft als Leitstruktur für die Knochenneubildung), Osteogenität (Wachstum neuen Knochens) Defektfüllungsvermögen, Verfügbarkeit, Kosten, strukturelle Unterstützung und Nebenwirkungen.

Bei alterstraumatologischen Patienten liegt hierbei der Fokus auf höchster Stabilität zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Remodelling und sukzessive Umwandlung in Knochen treten deshalb in den Hintergrund, um eine postoperative Vollbelastung durch den Patienten zu ermöglichen.

Die Liste für die Augmentation geeigneter Stoffe erstreckt sich von Calcium-Derivaten über bioaktive Polymere bis hin zum weit verbreiteten Polymethylmethacrylat (PMMA). Die Eigenschaften bestimmter Zemente können sich selbst innerhalb der Stoffgruppen deutlich unterscheiden, sofern die Anteile bestimmter Additive variiert oder ergänzend weitere Komponenten beigemischt werden.

Calciumphosphat

Die Stabilität und Festigkeit menschlichen Knochens wird hauptsächlich durch Einbau von Calciumphosphatkristallen vermittelt. Um physiologische Eigenschaften zu erzielen, werden folglich viele Knochenersatzmaterialien auf Calciumphosphat-Basis eingesetzt. Für Calciumphosphat konnte eine erhöhte Verwindungssteifigkeit bei Patienten mit winkelstabilen Plattenosteosynthesen nach hoher Tibiaosteotomie im Vergleich mit einer Kontrollgruppe ohne Zementaugmentation nachgewiesen werden [46]. Wie auch für Calciumsulfat besteht in der Gruppe der Calciumphosphate eine große Variabilität zwischen verschiedenen Mischungen in Hinblick auf die Druckfestigkeit nach Aushärtung des Materials. Bei guten osteokonduktiven Eigenschaften, struktureller Verstärkung des Knochens und gutem Defektfüllungsvermögen könnte die Beimischung osteoinduktiver Mittel die Knochenheilung und Bildung neuen Knochens weiter begünstigen. Für die Beimengung von Bisphosphonaten konnten keine signifikanten positiven Auswirkungen auf die Knochenheilung nachgewiesen werden [42]. Für „bone morphogenetic proteins“ und Thrombozytenkonzentrate alleine konnte kein signifikanter Vorteil nachgewiesen werden [51], während die Kombination aus Calciumphosphat und thrombozytenreichem Plasma osteoinduktive Eigenschaften im Tierversuch bei der Wirbelkörperaugmentation von Ratten zeigte [8].

Calciumsulfate

Bis heute sind die Anwendungsgebiete für Calciumsulfat nicht genau abgegrenzt. Hauptsächlich wurden Calciumsulfate bisher vorwiegend zur Defektfüllung bei Tibiaplateaufrakturen eingesetzt [53]. Trotz der relativ bröckeligen Konsistenz konnten injizierbare Zemente entwickelt werden, deren Druckfestigkeit unmittelbar nach Applikation Spongiosa entspricht. Im Vergleich mit anderen Zementen zersetzen sich Calciumsulfate sehr rasch. Calciumphosphate und -sulfate konnten im Tierversuch nach Injektion in defekte Wirbelkörper von Schafen nicht dieselbe Stabilität wie intakte oder PMMA augmentierte Wirbelkörper erreichen, die Stabilität konnte jedoch signifikant erhöht werden [55]. Calciumsulfat zeigte im Vergleich mit PMMA und Calciumphosphat deutliche osteoinduktive Wirkung. Aufgrund der raschen Zersetzung lässt auch die Druckfestigkeit rasch nach. Urban et al. konnten im Tierversuch nach Applikation höhere Festigkeiten im Vergleich mit Spongiosa erzielen, welche allerding nach 26 Wochen deutlich nachließ [50]. Die gute Osteoinduktion scheint unmittelbar mit der raschen Zersetzung von Calciumsulfaten einherzugehen. Aus diesem Grund sollten Calciumsulfate insbesondere bei jungen Patienten mit guter Knochenqualität eingesetzt werden, bei denen eine starke Osteoinduktion gegenüber dauerhaft erhöhter Stabilität des Zements vorzuziehen ist.

Hydroxyapatit

Um größere metaphysäre Defektzonen zu füllen, können außerdem Hydroxyapatitblöcke eingesetzt werden. Holmes et al. konnten zunächst im Tierversuch gute osteokonduktive und osteoinduktive Ergebnisse für in metaphysäre Defektzonen von Hunde-Tibiae eingesetzten Hydroxyapatitzement zeigen [23]. In einer Fallserie von 40 metaphysären Tibiafrakturen beschrieben Buchholz et al. für die Kombination aus vorgeformten Hydroxyapatitblöcken und Hydroxyapatitgranulat keine signifikanten Unterschiede im Vergleich mit autologer Spongiosaplastik im Hinblick auf klinische Ergebnisse sowie in der konventionellen Röntgenbildgebung [6]. Nach Biopsien von 7 Patienten zum Zeitpunkt der Metallentfernung konnten die sehr langsame Zersetzung sowie die gute osteokonduktive Wirkung nachgewiesen werden.

Bioglas

Aktuell finden verschiedene bioaktive Polymere Anwendung, zumeist auf Silikat-Basis. Die gute Osteointegration dieser Verbindungen lässt sich auf die Hydroxyapatitbildung auf der Oberfläche von Bioglas zurückführen [31, 41], sowie die Umwandlung von Silikat-basiertem Glas in Hydroxyapatit [21]. Weitere positive Eigenschaften könnten die Folge der Freisetzung von Ionen sein, welche möglicherweise Knochenheilung und Integration von Bioglas begünstigen. Durch die Ionen werden indirekt ebenfalls Osteoblasten stimuliert, welche die Osteoinduktion begünstigen. Bioglas kann vielfältige Eigenschaften annehmen, durch die Einlagerung von Ca+, Mg2+, Sr2+, Na+ und K+ -Ionen kann die Bioaktivität moduliert werden, während durch Al3+ and Ga3+ die Festigkeit erhöht wird. Durch Zugabe von Ag+, Zn2+, Cu2+ oder Ti3+ kann Bioglas antibakterielle Eigenschaften annehmen [25, 29], was für Revisionseingriffe eine wichtige Eigenschaft darstellt. Bioglas ohne Zugabe weiterer Spurenelemente erreicht jedoch nicht die Festigkeit spongiösen Knochens, weshalb die Anwendung bisher auf ergänzende Augmentation bei ausreichender ergänzender Stabilisierung begrenzt war, beispielsweise durch Osteosynthesen [54].

Polymethylmethacrylat (PMMA)

Die Anwendungsgebiete von PMMA hingegen sind breit gestreut. Defekte metaphysärer Frakturen können mittels PMMA stabilisiert werden; das injizierbare Material eignet sich jedoch auch zur Applikation über kanülierte Schrauben zur Reduktion des Cut-out-Risikos. Trotz der bereits sehr langen Verfügbarkeit acrylischer Zemente zeigt PMMA insbesondere bei alterstraumatologischen Patienten gute klinische Ergebnisse [10, 39, 43]. Die Anwendung wird jedoch kontrovers diskutiert. Durch Hemmung des Knochenumbaus sollte PMMA nicht unmittelbar zwischen die Frakturflächen eingebracht werden. Die exotherme Reaktion während des Aushärtens in situ stellt den zweiten Kritikpunkt dar. Blazejak et al. konnten jedoch nur geringe Temperaturerhöhungen des umgebenden subchondralen Knochens sowie der Gelenkflächen nachweisen, unterhalb von Temperaturen, die zu Zelltod führen könnten [3].

Typische Frakturlokalisationen der Zementaugmentation

Proximale Femurfrakturen

Proximale Femurfrakturen stellen eine der häufigsten und auch bedrohlichsten Frakturentitäten alterstraumatologischer Patienten dar. Mit einer Ein-Jahres-Mortalität von bis zu 30 % [17, 40] sind proximale Femurfrakturen eine häufige Todesursache im Alter. Frühe Vollbelastbarkeit muss folglich gerade in diesen Fällen das Ziel der operativen Versorgung sein. Pertrochantäre Femurfrakturen und Schenkelhalsfrakturen sind die häufigsten Frakturen am proximalen Femur und treten überwiegend bei älteren Patienten mit osteoporotischem Knochen auf. Pertrochantäre Femurfrakturen werden in der Regel osteosynthetisch versorgt. Die intramedulläre Versorgung mit Femurhalskomponente ist hierbei die operative Methode der Wahl. Schraubenosteosynthesen oder die dynamische Hüftschraube finden hingegen als kopferhaltende Verfahren bei cervikalen Femurfrakturen Anwendung. Mediocervikale Femurfrakturen des alterstraumatologischen Patienten werden allerdings zunehmend primär endoprothetisch versorgt, um der Anforderung an eine „single-shot-surgery“ und der unmittelbaren vollbelastenden Mobilisierung gerecht zu werden [28].

Die biomechanischen Vorteile einer Marknagelversorgung können durch die Möglichkeit der Zementaugmentation der Schenkelhalskomponente weiter unterstützt werden [19, 27] (Abb. 1). Durch die Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen Implantat und Knochen lässt sich durch die Zementaugmentation höhere Stabilität erreichen [15, 16]. Bei Revisionseingriffen stellt die Zementaugmentation für den Operateur jedoch kein größeres Hindernis im Rahmen der Implantatentfernung dar [44]. Auch für die dynamische Hüftschraube bestehen Augmentationsmöglichkeiten mit Steigerung der Stabilität der Osteosynthese und sukzessiver Vermeidung des „cut-out“ der Schraube, diese werden bislang jedoch nicht mithilfe eines speziellen Instrumentariums standardisiert angewandt [33, 52].

Wirbelsäule

Vertebroplastie und Kyphoplastie

Die Vertebroplastie wurde 1984 für die Behandlung aggressiver Angiome der Wirbelsäule entwickelt. Die Anwendungsgebiete wurden in der Folge erweitert [11]. Die Hauptindikation stellen heute Osteoporose- oder Trauma-assoziierte Kompressionsfrakturen von Wirbelkörpern dar. PMMA-Zemente werden hierbei perkutan in die geschädigten Wirbelkörper eingebracht. Die Hauptkomplikation der Vertebroplastie stellen Anschlussfrakturen der umgebenden Wirbelkörper dar, welche vor allem bei osteoporotischem Knochen auftreten. Als Hauptursache wird die hohe Festigkeit der verfügbaren PMMA-Zemente angeführt [30]. Die Belastung der angrenzenden Endplatten nimmt nach PMMA-Zementaugmentation deutlich zu. Kolb et al. untersuchten diesbezüglich PMMA-Zemente mit unterschiedlichen Festigkeiten [32]. Die für einen Ermüdungsbruch erforderliche Kraft zeigte sich für modifizierten PMMA-Zement im Vergleich erhöht. Für Calciumphosphat-Zement konnten im kleinen Patientenkollektiv ebenfalls vielversprechende Ergebnisse gezeigt werden [35]. In-vitro-Versuche konnten für Calciumphosphat außerdem Festigkeiten nachweisen, die näher an spongiösem Knochen liegen als die von PMMA [24]. Eine wichtige Komplikation der Vertebroplastie stellt jedoch der Zementaustritt dar. Zementaustritt in den Spinalkanal kann beispielsweise neurologische Schäden nach sich ziehen und schlimmstenfalls zu Paraplegie führen. Auch Zementembolien durch einen intravasalen Zementaustritt können hierdurch begünstigt werden, bleiben jedoch im überwiegenden Teil der Fälle asymptomatisch [5]. Die Kyphoplastie stellt eine weitere Entwicklung der Vertebroplastie dar. Unter Verwendung eines Ballons können frische Frakturen wieder aufgerichtet werden [9, 48]. Außerdem soll ein Zementaustritt durch die Schaffung eines Augmentationshohlraums durch den Ballon verhindert werden. Das Risiko eines Zementaustritts wird durch größere Durchmesser der Nadeln sowie niedrige Applikationsdrücke weiter vermindert (Abb. 2).

Augmentation von
Pedikelschrauben dorsaler
Wirbelsäulenstabilisierungen

Zur Versorgung instabiler Wirbelkörperfrakturen erfolgt meist zunächst die dorsale Stabilisierung. Gerade bei osteoporotischem Knochen stellt die Schraubenlockerung die Hauptkomplikation nach diesem Eingriff dar. Diese kann jedoch durch Zementaugmentation erfolgreich reduziert werden. [14]. Injizierbare Zemente wie PMMA, Calciumphosphat oder Calciumsulfat stehen dabei zur Verfügung.

Humerus

Proximale Humerusfrakturen werden heute häufig mit winkelstabilen Plattenosteosynthesen versorgt. Die Verankerung kanülierter Schrauben lässt sich auch durch die Zementaugmentation verbessern. In Ergänzung zu winkelstabilen Platten verspricht die Zementaugmentation weitere Vorteile in der Versorgung osteoporotischer Knochen. Die trabekuläre Struktur osteoporotischer Knochen gibt den Schrauben oft keinen ausreichenden Halt. Eine signifikante Verbesserung der Stabilität konnte für die Zementaugmentation der kanülierten Schrauben im Vergleich mit nicht augmentierten Osteosynthesen gezeigt werden (Abb. 3). Diese Ergebnisse ließen sich sowohl unter Verwendung von PMMA als auch unter Verwendung von Calciumphosphat erreichen [13, 49]. Komplikationen wie Repositionsverlust und Schrauben-cut-out lassen sich durch die Augmentation reduzieren. Scola et al. empfehlen die gezielte Augmentation von 2 Schrauben in Regionen mit deutlich reduzierter Knochenqualität. Im Vergleich mit ungezielter Augmentation von 4 Schrauben konnten annähernd gleiche Ergebnisse erzielt werden unter Verwendung deutlich geringerer Mengen Knochenzement [45].

Tibia

Als Folge der persistierenden axialen Belastung treten auch Tibiaplateaufrakturen bei älteren Patienten häufiger auf. Subchondraler Knochen und Spongiosa von Patienten mit Osteoporose sind bei hohen Kompressionskräften einem deutlich erhöhten Risiko für Impressions- oder Abscherfrakturen ausgesetzt. Im Gegensatz zu metaphysären Frakturen steht bei Tibiaplateaufrakturen die Wiederherstellung einer kongruenten Gelenkfläche im Vordergrund. Wie bei proximalen Humerusfrakturen stellt die winkelstabile Plattenosteosynthese dabei das operative Verfahren der Wahl dar. Die Zementaugmentation einer winkelstabilen Plattenosteosynthese ist in Abbildung 4 dargestellt. Der postoperative Repositionsverlust während der Rehabilitation stellt dabei jedoch eine ungewünschte Komplikation dar. Nach Einbringen autologer bone grafts zur Rekonstruktion der Defektzone ist die erlaubte Belastung für den Patienten für meist 6 Wochen begrenzt [2]. Unter Verwendung von Knochenzementen lassen sich höhere Stabilitäten erreichen, außerdem lassen sich diese exakt in den Defekt einpassen. Verwendung finden könnten hierbei sowohl präformierte Zementblöcke als auch Granulat und injizierbare Zemente. In der Veröffentlichung ihrer Kadaverstudie sprachen sich McDonald et al. bei Verwendung von Calciumphosphat aufgrund der höheren Festigkeit im Vergleich mit autologen bone grafts sogar für eine unmittelbare postoperative Vollbelastbarkeit aus [37]. Mayr et al. konnten in einem analog zur Kyphoplastie gewählten Verfahren gute biomechanische Ergebnisse für die Ballon-assistierte Reposition und Zementinjektion in der experimentelle Anwendung zeigen [36].

Fazit

Zusammengefasst stehen zur Sicherung des Repositionsergebnisses nach Frakturversorgung alterstraumatologischer Patienten bereits für diverse Frakturregionen (Wirbelsäule, proximaler Humerus, proximales Femur und proximale Tibia) teils standardisierte Anwendungen von Augmentationstechniken zur Verfügung. Die bisher gängigen acrylischen Knochenzemente zeichnen sich zwar durch gute Bioverträglichkeit und hohe Stabilität aus, zur Vermeidung weiterer Komplikationen wie Zementaustritt oder Anschlussfrakturen muss die Indikation jedoch eng gestellt werden. Alternative Biomaterialien sollten zukünftig zur Versorgung Osteoporose-assoziierter Frakturen weiter in den Fokus gerückt werden.

Interessenkonflikt: keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Stefan Mehaffey

Klinik für Allgemeine, Unfall-
und Wiederherstellungschirurgie

Klinikum der Universität LMU

Marchioninistraße 15

81377 München

stefan.mehaffey@med.uni-muenchen.de

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