Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2017

Bandverletzungen des Schultereckgelenks
Acromioclavicular joint injuries

Friedrich I. Dehlinger1, Klaus J. Burkhart1, Marco M. Schneider1, Rainer. Nietschke1, Boris Hollinger1, Thomas Ambacher1

Zusammenfassung: Bandverletzungen des Schultereckgelenks stellen eine der häufigsten Folgen von Traumata an der Schulter dar. Sie entstehen beim direkten Sturz auf die Schulter bei angelegtem Arm. Es kann zu einer Ruptur der Gelenkkapsel mit den AC-Bändern, zu einer Zerreißung der coraco-claviculären Bänder und zu einer Verletzung der deltopectoralen Fazie kommen. Klinisch zeigt sich eine Fehlstellung im ACG mit Stufe zwischen Acromion und lateraler Clavicula mit begleitender schmerzhafter Funktionseinschränkung. Radiologisch kann das Ausmaß der Fehlstellung objektiviert werden. Bei nur geringer Dislokation entwickelt sich nach vorübergehender Schonung in den allermeisten Fällen wieder eine schmerzfreie Schulterfunktion.
Eine Verbesserung der Fehlstellung ist durch konservative Therapiemaßnahmen jedoch nicht zu erreichen. Bei ausgeprägter Fehlstellung verbleiben häufiger anhaltende belastungsabhängige Beschwerden, sodass dann die operative Versorgung zu bevorzugen ist. Es existieren unterschiedliche OP-Verfahren zur Reposition und Stabilisierung des ACG mit speziellen Vor- und Nachteilen.

Schlüsselwörter: AC-Gelenk, AC-Gelenksprenung, coraco-claviculäre Bänder, Rockwood-Verletzung, operative Therapie

Zitierweise
Dehlinger F, Burkhart KJ, Schneider MM, Nietschke R, Hollinger B,
Ambacher T: Bandverletzungen des Schultereckgelenks.
OUP 2017; 7/8: 362–365 DOI 10.3238/oup.2017.0362–0365

Summary: AC joint disruptions are one of the most common shoulder injuries. They occur after a direct fall onto the shoulder with an adducted arm. Ruptures of the capsule with the acromio-clavicular ligaments, of the coraco-clavicular ligaments and of the delto-pectoral fascia can arise. A malposition of the joint with a step between acromion and distal clavicle might be found with accompanied painful restrictions of shoulder movement. X-ray can monitor the degree of dislocation. In minor disruptions, rest and conservative treatment often result in a normal shoulder function. But an improvement of the malposition is not possible without an operation. Higher displacements are more likely to develop continuing complaints, so operative treatment is
advised. There are many different techniques to stabilize AC joint dislocations, each with specific advantages and disadvantages

Keywords: AC joint, AC joint dislocation, coraco-clavicular
ligaments, Rockwood injury, surgery

Citation
Dehlinger F, Burkhart KJ, Schneider MM, Nietschke R, Hollinger B, Ambacher T: Acromioclavicular joint injuries.
OUP 2017; 7/8: 362–365 DOI 10.3238/oup.2017.0362–0365

Abkürzungen:

ACG: Acromio-clavicular-Gelenk, AC-Bänder: acromio-claviculäre Bänder, CC-Bänder: coraco-claviculäre Bänder

Einleitung

Verletzungen des Schultereckgelenks sind ausgesprochen häufig, in der amerikanischen Militärakademie wurde eine Inzidenz von 9,2 pro 1000 Personen-Jahre gefunden [12]. Im American Football stellen sie 4,5 % aller Verletzungen dar [6]. Sie entstehen bei einem direkten Trauma mit Sturz seitlich oder dorsal auf die Schulter. Hierzu kommt es meist, wenn sich der Sturz bei höherer Geschwindigkeit und sehr schnell ereignet und dem Betroffenen deshalb ein Abstützen mit der Hand nicht mehr möglich ist. Anamnestisch handelt es sich in Deutschland typischerweise um Sturzereignisse beim Fahrrad- oder Skifahren, oft auch beim Fußball. Wesentlich seltener sind Verkehrsunfälle. Da es sich um klassische Sportverletzungen handelt, sind in erster Linie jüngere Männer betroffen.

Untersuchungsbefund

Nach oft wegweisender Anamnese kann die Diagnose meist bereits durch die klinische Untersuchung gestellt werden. Der Arm wird in Schonhaltung am Körper gehalten und mit der Gegenhand am Unterarm unterstützt. Schmerzen werden oft isoliert am ACG angegeben und hier findet sich auch ein lokaler Druckschmerz. Bei höhergradiger Verletzung ist trotz begleitender Weichteilschwellung die Fehlstellung im ACG im Seitenvergleich eindeutig sichtbar (Abb. 1). Aufgrund des direkten Traumas sollte – auch in Hinblick auf eine evtl. operative Versorgung – auf Schürfwunden geachtet werden. Nach einigen Tagen ist oft ein intraclaviculäres Hämatom zu sehen. Die Beweglichkeit des Schultergelenks kann schmerzbedingt mehr oder weniger eingeschränkt sein, die Flexion ist in der Akutsituation oft kaum möglich, hingegen die Rotation schmerzfrei. Eine Horizontaladduktion ist durch Erhöhung des Drucks auf das Gelenk mit einer Schmerzzunahme verbunden. Durch Druck von kranial auf die laterale Clavicula bzw. durch axiales Anheben des in Neutralstellung gehaltenen Arms lässt sich eine Reposition des Gelenks erreichen mit spontaner Re-Luxation durch das Eigengewicht des Arms, dies wird als Klaviertastenphänomen bezeichnet. Das Ausmaß der horizontalen Instabilität im ACG kann manuell mit Translation der lateralen Clavicula in Relation zum Acromion abgeschätzt werden. Bei Horizontaladduktion kommt es zu einem dorsalen Überstehen der lateralen Clavicula über die Spina scapulae (Abb. 2). Differenzialdiagnostisch müssen vor allem laterale Claviculafrakturen in Betracht gezogen (und radiologisch ausgeschlossen) werden.

Bildgebende Diagnostik

Die Röntgendiagnostik beinhaltet je nach Klinik Aufnahmen der Schulter in 3 bzw. der Clavicula in 2 Ebenen zum Ausschluss von Frakturen. Zur Bestimmung des Ausmaßes der Fehlstellung sind Bilder des ACG a.p. im Seitenvergleich unter axialer Belastung, d.h. mit Gewichten von 5–10 kg am hängenden (und muskulär entspannten) Arm üblich. Eine komplette Panoramaaufnahme beider ACG sollte zur Reduktion der Strahlenbelastung der Schilddrüse nicht mehr erfolgen. Es kann dann der coraco-claviculäre Abstand von verletzter und gesunder Seite gemessen und verglichen werden (s. Abb. 3). Durch Y-Aufnahmen mit horizontal adduziertem Arm (Alexander-Aufnahme) wird versucht, die horizontale Instabilität des Gelenks zu bewerten [1]. Bei statischer horizontaler Fehlstellung ist bereits eine axiale Schulteraufnahme aussagekräftig. Die Ultraschalluntersuchung kann Schäden der Rotatorenmanschette ausschließen und die Stufe sowie einen Erguss bzw. Hämarthos im ACG zeigen. Ein MRT ist bei eindeutigem Befund nicht erforderlich. Die Ruptur der CC-Bänder kann dargestellt werden, das Ausmaß der Gelenkinstabilität ist aufgrund der Anfertigung der Bilder im Liegen aber weniger deutlich und therapeutische Konsequenzen ergeben sich hierdurch in der Regel nicht. Selten können glenohumerale Begleitverletzungen aufgedeckt werden.

Klassifikation

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