Originalarbeiten - OUP 10/2012

Bildgebende Diagnostik bei Ischialgie – zu früh, zu viel, die Falsche?
Eine Analyse zum Einsatz von Schnittbildverfahren

Eine Ursache für die Häufigkeit von CT-Untersuchungen der LWS trotz der bekannten diagnostischen Überlegenheit der MRT könnte die örtlich unterschiedliche Verfügbarkeit der beiden Untersuchungen sein. Es wurden deshalb alle 9 radiologischen Praxen mit MRT und/oder CT in der weiteren Umgebung unserer Klinik telefonisch nach den Wartezeiten befragt: Die durchschnittliche Zeitdauer für einen Termin zum CT der LWS betrug danach zum Zeitpunkt der Datenauswertung in unserem Umkreis 2 Wochen, war aber weit streuend von 3 Tagen bis 4 Wochen, für ein MRT betrug die Wartezeit durchschnittlich 5 Wochen (4–8 Wochen). D.h., ein in unserer Arbeit nicht korrelierter Co-Faktor, der für die Auswahl der Bildgebung eine Rolle gespielt haben könnte, ist die Zeitdauer, in der eine bestimmte Untersuchung erhältlich ist. Dieser Faktor könnte lokal verschieden sein, da die MRT-Dichte deutschlandweit unterschiedlich ist, sodass unser Ergebnis ein lokal begrenztes Phänomen sein könnte und in einer deutschlandweiten Übersicht überprüft werden müsste.

Platzangst, elektronische Implantate wie Schrittmacher oder großflächige Tattoos können ein MRT unmöglich machen. Nur 2 Patienten in unserer Gruppe gaben Platzangst als ein Motiv gegen ein MRT an, kein Patient hatte einen Schrittmacher oder sonstige elektronischen Implantate, keiner ein großflächiges Tattoo.

In verschiedenen Studien der letzten Jahre wurde die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Strahlenbelastung von Röntgen und CT gerichtet [6, 8, 21, 23, 25, 26]. Die effektive Dosis bei einer Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule beträgt 1,96 mSv und ist damit deutlich höher als z.B. die einer Thoraxaufnahme (0,3 mSv).

Die Computertomografie der Wirbelsäule führt zu einer Strahlenbelastung von 9,0 mSv. Die Röntgendiagnostik macht mit etwa 90 % den Hauptteil der Strahlenbelastung der Bevölkerung aus [2, 9, 22]. In einer aktuelle Studie von Berrington de Gonzales et al. wird geschätzt, dass die im Jahr 2007 durchgeführten 72 Millionen CT-Untersuchungen aller Art in den USA zu etwa 29.000 Neuerkrankungen an Krebs führen werden, für das CT der LWS alleine wird mit 1200 Neuerkrankungen an Krebs in den nächsten 2–3 Jahrzehnten gerechnet [6, 25, 26], weshalb die dringende Empfehlung zur Reduktion der Strahlenexposition gegeben wird [21].

Der in Deutschland bereits existierende Röntgenpass ist sicher eine wichtige Methode zur Registrierung und Reduktion der Strahlenexposition. Eine Reduktion der Anzahl von durchgeführten CT´s der LWS aufgrund des Symptoms Lumboischialgie wäre eine weitere sinnvolle Maßnahme. Bei der Untersuchung im MRT wird der Körper einem Magnetfeld ausgesetzt, bisher sind keine daraus resultierenden Schäden beschrieben. Mit dem MRT liegt für die Diagnostik und Therapie an der Wirbelsäule ein der CT in vielen Fällen überlegenes Schnittbildverfahren vor [5, 14, 16, 17, 19, 24, 28, 29, 35]. Bei jungen Menschen mit der diagnostischen Notwendigkeit der Schnittbildgebung sollte eindeutig das MRT die erste Wahl sein, auch wenn damit unter Umständen längere Wartezeiten und primär höhere Kosten verbunden sind.

Fazit für die Praxis

In der klinischen Praxis ist bei der weiterführenden Diagnostik der Symptome Rückenschmerzen und Ischialgie das Röntgen der LWS die erste bildgebende Maßnahme, gefolgt vom CT der LWS, erst an dritter Stelle steht das MRT. Damit werden Patientinnen und Patienten einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung ausgesetzt. Bedenkt man die bessere Aussagekraft und therapeutische Konsequenz des MRT, so sollte bei entsprechender diagnostischer Notwendigkeit eindeutig das MRT an zweiter Stelle nach dem Röntgen erfolgen und nicht das CT.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Ferdinand Anton Krappel

Orthopädische Chirurgie und
Traumatologie des Bewegungsapparates

Spitalzentrum Oberwallis

Überlandstraße 14

CH-3900 Brig

fkrappel@yahoo.com

Literatur

1. Ackerman SJ, Steinberg EP, Bryan RN, BenDebba M, Long DM. Trends in diagnostic imaging for low back pain: Has MR imaging been a substitute or add-on? Radiology 1997; 203: 533–538.

2. Albes G. Facharztprüfung Radiologie. Stuttgart: Thieme, 2007

3. AWMF online. Lumbale Radikulopa-thie Leitlinien Register Nr. 030/058, 10/2008. Aus: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, 4. Aufl 2008

4. AWMF online. Kreuzschmerzen. Leitlinienregister Nr. 053/003, 01/2009.

5. Berquist TH, Morin RL. General technical considerations in musculoskeletal MRI. In: Berquist TH (ed.) MRI of the Musculoskeletal System. New York NY: Raven Press 1990: 435–474.

6. Berrington de Gonzales A, Mahesh M, Kim KP et al. Projected cancer risks from computed tomographic scans performed in the United States in 2007. Arch Int. Med 2009; 169: 2071–2077.

7. Bigos S, Bowyer O, Braen G. Acute low back problems in adults. US Dept. of Health and Human Services, Agency for Health Care Policy and Research; Clinical Practice Guidelines, Quick Reference Guide 1994, No. 14, AHCPR publication No 95–0643.

8. Brenner DJ, Hall EJ. Computed tomography: an increasing source of radiation exposure. N Engl J Med 2007; 357: 2277–2284.

9. Brenner D, Huda W. Effective dose: a useful concept in diagnostic radiology. Radiat Prot Dosimetry 2008; 128: 503–508.

10. Chou R, Fu R, Carrino JA, Deyo RA. Imaging strategies for low-back pain: systematic review and metaanalysis. Lancet 2009; 373: 463–72.

11. Deyo R. Understanding the accuracy of diagnostic tests. In: Weinstein JN, Rydevik BI, Sonntag VKH. Essentials of the Spine. New York, NY: Raven Press 1995: 55–69.

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