Übersichtsarbeiten - OUP 05/2025

Das funktionelle Kompartmentsyndrom bei Kindern und Jugendlichen

Risikofaktoren umfassen eine rasche Muskelhypertrophie durch intensives Training ggf. auch die Einnahme von Anabolika oder Kreatin, Faszienverdickungen (etwa posttraumatisch oder durch chronifizierte Entzündungsprozesse), Mikrozirkulationsstörungen oder Ödeme bei venösem Rückstau sowie eine erhöhte Bindegewebesteifigkeit, z.B. im Rahmen einer Sklerodermie [12]. Oft sind beide Extremitäten betroffen.

Diagnostik

Die Abklärung eines FKS umfasst eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung ggf. auch eine MR-Bildgebung, um andere Ursachen für belastungsbedingte Schmerzen auszuschließen. Die Diagnose wird gestellt mit Hilfe einer intrakompartimentellen Druckmessung vor und nach Belastung [6].

Klinisch kann sich das funktionelle Kompartmentsyndrom neben belastungsinduzierten Schmerzen, welche bei Beendigung der Aktivität mit konsekutivem Druckabfall meist zügig zurückgehen, auch manifestieren durch Krämpfe oder schnellere Muskelermüdung. Viele Patientinnen und Patienten beschreiben ein massives Druckgefühl („So, als würde mein Unterschenkel gleich platzen“). Gelegentlich kommt es auch zu Parästhesien, Taubheitsgefühlen und sogar vorübergehenden Nervenlähmungen. (z.B. Fußheberschwäche) [5, 7]. Die Schmerzen verschlimmern sich erwartungsgemäß mit zunehmender Belastungsintensität und -dauer. Die Symptome klingen in der Regel innerhalb von Minuten bis Stunden nach Beendigung der belastenden Aktivität ab [6]. Patientinnen und Patienten berichten typischerweise von einem Wiederauftreten der Symptome kurz nach Wiederaufnahme der Aktivität.

Bei der auslösenden Aktivität handelt es sich zumeist um Laufen, Springen oder zügiges Bergaufgehen. Radfahren geht hingegen oft problemlos. Am häufigsten sind das anteriore oder das tiefe posteriore Kompartiment betroffen [5, 6]. Bilaterale Beschwerden sind häufig – in der Literatur finden sich Angaben von 63–95 %.

Die körperliche Untersuchung von Patientinnen und Patienten mit FKS ist oft unauffällig. Ein lokaler Muskelhartspann und Druckschmerz können vorliegen, manchmal auch kleine Hernien (Abb. 1b). Patientinnen und Patienten mit langjährigem, schwerem FKS können auch Atrophien des betroffenen Kompartiments aufweisen.

Bildgebende Verfahren helfen, Differentialdiagnosen auszuschließen. Zu den gängigsten Untersuchungen gehören die Sonografie und die Magnetresonanztomografie. Hier findet sich oft ein Ödem der Muskulatur, insbesondere wenn die Untersuchungen nach Belastung durchgeführt wurden. Ein mediales tibiales Stresssyndrom kann anhand der MRT ausgeschlossen werden.

Obwohl das FKS als Ausschlussdiagnose gilt, sollte eine Druckmessung zur Bestätigung der Diagnose eingesetzt werden [10]. Pedowitz et al. [6] schlugen die folgenden Diagnosekriterien vor, die auch heute noch häufig verwendet werden:

  • 1) Druck vor Belastung > 15 mmHg,
  • 2) Druck 1 Minute nach Belastung > 30 mmHg oder
  • 3) Druck 5 Minuten nach Belastung > 20 mmHg.

In einer neueren Arbeit wurde das Outcome einer operativen Faszienspaltung mit den präoperativen Druckwerten korreliert und erweiterte Kriterien unter anderem für eine kontinuierliche Druckmessung unter Belastung publiziert [10]. Die gesamten Diagnosekriterien werden außerdem gut in einem Expertenkonsensusartikel aus 2022 zusammengefasst (Tab. 1) [11].

Therapie

Grundsätzlich existieren sowohl konservative als auch operative Therapieoptionen zur Behandlung des FKS [1]. Konservative Maßnahmen umfassen Belastungsmodifikation, Gang-/Laufschule mit Veränderung des Fußaufsatzmusters, Schuheinlagen, Kompressionsstrümpfe, Physiotherapie mit Detonisierung der Muskulatur, Taping und (Botulinumtoxin-A)-Injektionen. Im Systematic Review von Rajasekaran und Hall sind die Erfolgsraten bei Erwachsenen beschrieben [7]. Dennoch hat die operative Therapie die höchsten Erfolgsraten, wenn die Patientinnen und Patienten weiter Sport treiben wollen. Dies wurde sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei Spitzensportlerinnen und -sportlern berichtet und bezieht sich auf Patientenzufriedenheit und die funktionellen Ergebnisse. Pasic et al. berichteten in einer retrospektiven Fallserie mit 42 Patientinnen und Patienten von einer 78 %igen Zufriedenheitsrate und 11 % Reoperationsrate nach durchschnittlich 55 Monaten [8]. In einer retrospektiven Kohortenstudie von Packer et al. [9] zeigten 81 % der operierten Patientinnen und Patienten eine erfolgreiche Schmerzreduktion und funktionelle Ergebnisse im Vergleich zu 41 % der nicht operativ behandelten Patientinnen und Patienten. Diese Ergebnisse sind von diversen Faktoren abhängig. Patientenalter, betroffene Kompartimente, Anzahl der Kompartimente, Fasziendicke, Dauer der Symptome und die Höhe des präoperativ gemessenen Kompartmentdruckes scheinen mit den postoperativen Ergebnissen in Zusammenhang zu stehen. In der Studie von Packer et al. zeigten Patientinnen und Patienten unter 23 Jahren nach einer Fasziotomie verbesserte Ergebnisse [9]. Man geht davon aus, dass jüngere Patientinnen und Patienten eine dickere/steifere Faszie haben und daher eine Dekompression bei dieser Patientengruppe tendenziell zu besseren Ergebnissen führt.

Verschiedene chirurgische Techniken sind beschrieben, wobei die endoskopisch assistierte Fasziotomie präferiert wird. Analoge Techniken finden auch am Oberschenkel und den Unterarmen Anwendung, jedoch deutlich seltener. Die anderen Techniken seien aber nachfolgend ebenfalls erwähnt.

Traditionelle offene Fasziotomie

Die Fasziotomie ist aufgrund ihrer höheren Erfolgsrate im Vergleich zur nicht operativen Behandlung die wichtigste Säule der chirurgischen Behandlung des FKS [1, 8, 9]. Bei einer traditionellen offenen Technik wird eine 10 cm lange Inzision anterolateral am Unterschenkel zwischen Tibia und Fibula vorgenommen, um das vordere und das seitliche Kompartiment zu adressieren. Bei der distalen Dissektion wird sorgfältig darauf geachtet, eine Durchtrennung des Ramus superficialis des Nervus peroneus zu vermeiden. Durch eine erweiterte Dissektion können auch die posterioren Kompartimente durch diese Inzision gespalten werden. Alternativ kann eine 10 cm lange Inzision medial direkt hinter der Tibia vorgenommen werden. Die Dissektion wird sorgfältig durchgeführt, um eine Verletzung des Nervus saphenus und der Vena saphena zu vermeiden.

Endoskopisch-assistierte
Logenspaltung

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