Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022
Der Rheumafuß – ein Update
Im Gegensatz zur Degeneration der plantaren Platte, welche häufig als erstes das Grundgelenk des II. Zehs betrifft, ist am rheumatischen Fuß die Destruktion häufig auf der Fibularseite am stärksten ausgeprägt und nimmt nach tibial ab. Sind die Bursitiden sehr ausgeprägt und besteht zusätzlich eine Polyneuropathie durch die lang dauernde entzündliche Erkrankung und/oder die Therapie z.B. mit MTX, so besteht die Gefahr, dass die Haut zwischen dem Fußboden und dem Mittelfußknochenköpfchen gequetscht wird und abstirbt. Es entsteht ein Vorfußulkus plantar eines Mittelfußknochenköpfchens, das sogenannte Malum perforans. Da die plantare Platte zerstört ist, können die Keime durch diese Hautlesion direkt in das Zehengrundgelenk gelangen und über die Beugesehnenscheide nach proximal aufsteigen. Da die typischen Entzündungszeichen sowohl klinisch als auch laborchemisch unter Immunsuppression, insbesondere mit Biologika und JAK-Antagonisten gänzlich fehlen können, kann eine Sepsis unbemerkt entstehen. Dies kann zu einem Extremitätenverlust und schlimmstenfalls sogar zum Tode führen. Die Patienten beklagen häufig, dass sie nicht mehr barfuß auf festem Boden wie z.B. Fliesen, laufen können, da sie dann Schmerzen haben. In Schuhwerk mit weichen Sohlen können die Patienten relativ lange schmerzfrei laufen. Im Gegensatz zum degenerativ veränderten Fuß können die Luxationen in den Zehengelenken bei Rheumatikern aufgrund einer Polyneuropathie schmerzfrei bleiben. Nach der Luxation kommt es häufig zu einer Extensionsstellung der Zehengrundglieder mit Beugekontraktur im Zehenmittel- und ggf. -endgelenk, welches wiederum zu einem Schuhkonflikt mit Druckstellen am streckseitigen Mittelgelenk und an der Zehenkuppe führen kann. Bei bestehender Polyneuropathie können Ulzerationen häufig an der Streckseite der Mittelgelenke bei Krallen- oder Klauenzehenfehlstellung entstehen. Aus diesen Gründen ist es erforderlich, dass Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, insbesondere wenn eine Polyneuropathie vorliegt, jeden Abend eine Fußvisite, ggf. mit einem Spiegel durchführen, um eine Rötung der Haut als Vorstufe der Spontanperforation rechtzeitig zu erkennen. Der orthopädische Rheumatologe wird dann eine entsprechende Schuhzurichtung oder als ultima Ratio eine orthopädische Schuhversorgung einleiten.
Durch die Gelenkdestruktion mit Durchwanderung der kräftigen Bänder und Kapseln an der Fußwurzel sowie der Tibialis-posterior- und der Peroneal-Sehnen durch die retromalleoläre Tenosynovialitis entsteht häufig ein schwerer Knick-Senk-Fuß mit Bodenkontakt des Taluskopfes oder des Os naviculare. Auch hier können zunächst schmerzhafte Bursitiden auftreten, im Verlauf kann es dann auch hier zu Ulzerationen kommen. Die häufigste retromalleoläre Sehnenruptur ist die der Tibialis-posterior-Sehne, welche das Längsgewölbe stabilisiert. Auch am nicht rheumatischen Fuß ist diese Sehne häufig degenerativ geschädigt. Ihre degenerative Ruptur gilt als häufigste Ursache des erwachsenen Knick-Senk-Fußes [11]. Neben den Entzündungen der Tibialis-posterior-, Flexor-digitorum-longus- und Flexor-hallucis-Sehnen auf der medialen Seite sind lateral häufig die Peronealsehnenscheiden entzündet. Auch hier können Längsrupturen und komplette degenerative Rupturen mit daraus resultierender Unfähigkeit der Fußaußenrandhebung eintreten.
Prophylaxe
von Folgeschäden
Durch eine regelmäßige klinische Untersuchung lassen sich ausgedehnte Bursitiden und Sehnenscheidenentzündungen ebenso wie Gelenkergüsse durch einen erfahrenen Untersucher rechtzeitig detektieren und die Therapie einleiten, bevor sich therapeutische Fenster für funktionserhaltende Optionen schließen. Alle Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sollten regelmäßig, mindestens einmal im Jahr im Rahmen der Ganzkörperuntersuchung durch einen orthopädischen Rheumatologen begutachtet werden, um Schädigungen durch Umstellen der Basistherapie oder Teno- und Artikulosynovialektomien vorzubeugen. Diese, von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie initiierte und geförderte Orthopädisch-Rheumatologische Jahresuntersuchung (ORJ) sollte zum festen Bestandteil der Krankheitskontrolle gehören, da in internistisch-rheumatologischen Praxen häufig für den DAS28 lediglich eine Auszählung schmerzhafter und geschwollener Gelenke durch eine medizinische Hilfskraft unter Aussparung des Fußes erfolgt und der Internist persönlich keine Untersuchungen der Gelenke vornimmt. Aus diesem Grunde können schmerzlose Entzündungen leicht übersehen werden, sodass die Patienten erst mit der schweren Fehlstellung bzw. zum Zeitpunkt der Sehnenruptur in die Behandlung eines orthopädischen Rheumatologen eintreten, wenn sich das therapeutische Fenster für gelenkerhaltende und sehnenerhaltende Eingriffe bereits geschlossen hat. Hierbei handelt es sich um ein häufiges Phänomen nicht nur am Fuß, sondern am ganzen Körper des Rheumatikers. Aus diesem Grunde müssen sowohl die Patienten selbst, als auch die behandelnden internistischen Rheumatologen, immer wieder zur Wachsamkeit ermahnt werden, um die Patienten rechtzeitig bei einem orthopädischen Rheumatologen vorzustellen. Die Anamnese- und Untersuchungsbögen zur ORJ können auf der Homepage www.dgorh.de/Publikationen/ zum Eigengebrauch kostenlos heruntergeladen werden [5].
Apparative Diagnostik
Nativröntgenbilder der Füße dp und streng seitlich im Stand sowie schräg gehören als Standard zur Beurteilung der Verformung des Fußes unter Belastung und der Detektion von Usuren und Zysten als Zeichen der entzündlichen knöchernen Destruktion durch intraossäre Synovialhernien. Anhand dieser Aufnahmen kann entschieden werden, ob gelenkerhaltende Eingriffe, wie Osteotomien, noch sinnvoll durchführbar sind, oder ob nur noch Rettungsoperationen wie Arthrodesen und Resektionsarthroplastiken, welche bei nicht beherrschbarer Entzündungsaktivität weiterhin die Standardeingriffe sind, möglich sind. Neben diesen Aufnahmen sollte auch das obere Sprunggelenk (OSG) ap in 30° Innenrotation geröntgt werden, um Veränderungen auch hier früh zu erkennen. In der Regel ist das OSG im seitlichen Strahlengang auf der seitlichen Fußbelastungsaufnahme sehr gut dargestellt, sodass es keiner zusätzlichen seitlichen Röntgenaufnahme des OSG bedarf.
Zur Beurteilung der Weichteile eignet sich die hochauflösende Ultraschalldiagnostik mit einem Schallkopf mit mindestens 18 MHz Frequenz. Aufgrund der hohen Schallfrequenz können Gewebe im Nahbereich ohne Vorlaufstrecke sicher beurteilt werden. Diese Auflösung ist so hoch, dass Sehnenscheiden, Bursae und Gelenke bzgl. der Dicke der Synovialis, Flüssigkeitsansammlungen (Gelenkerguss, Sehnenscheidenhydrops), Synovialhernien und Verbindungen zwischen Gelenk und Sehnenscheide bzw. Bursa sicher beurteilt werden können. Die Entzündungsaktivität stellt sich indirekt über die vermehrte Vaskularisation der Synovialitis dar und kann mit der Doppler-Funktion sehr gut dargestellt werden. Sehnenrupturen können in der dynamischen Untersuchung ebenfalls sicher detektiert werden [16].