Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016
Der Tennisellenbogen – Diagnose oder Symptom bei Instabilität?
Boris Hollinger1, Klaus Josef Burkhart1
Zusammenfassung: Der „Tennisellenbogen“ sollte in Zukunft differenzierter betrachtet werden als dies bisher geschah. Wir wissen zwischenzeitlich durch den zunehmenden Einsatz der Ellenbogenarthroskopie im Rahmen der operativen Versorgung des Tennisellenbogens, dass wir besser und treffender von einem „lateralen Ellenbogenschmerz“ sprechen sollten. Diese allgemeiner gehaltene Terminologie der Erkrankung subsummiert mehre Ursachen für die Entstehung des Schmerzes. Hierzu gehören die Triggerung durch artikuläre Schäden, wie radiohumerale Knorpelschäden, synovitische Veränderungen, Pathologien der Plica dorsoradialis. Zudem ist die arthroskopische Instabilitätsdiagnostik in der Lage, eine klinisch maskierte posterolaterale Roationsinstabilität als Begleitursache nachzuweisen. Die Koexistenz der lateralen Seitenbandinsuffizienz tritt häufig parallel zur Schädigung der Extensoren auf und ist durch den anatomischen Synergismus beider Strukturen zu erklären.
In diesem Artikel geht es daher um ein differenziertes Behandlungskonzept des lateralen Ellenbogenschmerzes und eine kritische Analyse der erfolglos konservativ und operativ behandelten Patienten.
Schlüsselwörter: Epicondylitis, Instabilität, Ellenbogen, LUCL , PLRI
Zitierweise
Hollinger B, Burkhart KJ: Der Tennisellenbogen – Diagnose oder Symptom bei Instabilität?
OUP 2016; 3: 124–130 DOI 10.3238/oup.2015.0124–0130
Summary: The „tennis elbow“ needs a more differentiated approach in future than nowadays. Through increased use of elbow arthroscopy in the operative treatment oft the tennis elbow it is well accepted to refer to the tennis elbow as lateral elbow pain instead. The term lateral elbow pain summarizes all patholologies leading to lateral elbow pain. Those pathologies include cartilage lesions of the radial compartment, synovitis and plica hypertrophy. Furthermore, arthroscopic instability testing may unfold clinically masked posterolateral rotatory instability as a reason for lateral elbow pain. LUCL insufficiency often occurs together with extensor muscle defects. This coexistence can be explained with the anatomical synergism of both structures. This article provides a differentiated treatment concept for the lateral elbow pain together with a critical analysis of failed nonoperative and operative treatment.
Keywords: epicondylitis, instability, elbow, LUCL-complex, PLRI
Citation
Hollinger B, Burkhart KJ: Tenniselbow – a diagnose or a symptome of instability?
OUP 2016; 3: 124–130 DOI 10.3238/oup.2015.0124–0130
Einleitung
Der „Tennisellenbogen“, eigentlich eine banale Sache!
Das stimmt wahrscheinlich sogar in den meisten Fällen. Immerhin erholen sich binnen 6–9 Monaten Krankheitsdauer laut aktueller Studienlage etwa 80 % der Patienten unter konservativen Maßnahmen. Erstaunlicherweise existieren aktuell keine Arbeiten zur eigentlichen Ätiologie der Erkrankung und auch nur wenige wissenschaftlich wertvolle Arbeiten zur Effektivität der konservativen Behandlungsmaßnahmen.
Sogar die Terminologie ist irreführend. Die Bezeichnung „Epicondyl-itis“ steht definitionsgemäß für einen entzündlichen Prozess und das ist es definitiv nicht. Nach der S1-Richtlinie wird von einer Epicondylopathie gesprochen, also einer Erkrankung des Epicondylus, was auch nicht korrekt ist. Mit Tennis hat die Erkrankung ebenfalls nur sehr wenig zu tun. Wahrscheinlich ist der Begriff „lateraler Ellenbogenschmerz“ am allgemeinsten, um wieder treffend zu sein.
Es stellt sich immer noch die Frage, warum bei einem Anteil von etwa 15–20 % der Patienten der Schmerz nicht behandelbar ist und die Symptome über die Zeit nicht nachlassen, sondern sogar schlechter werden.
Aus der Literatur wissen wir, dass durch die offenen operativen Eingriffe am Extensorenursprung, hierzu zählen die bekannten Techniken nach Hohmann, Wilhelm und Nirschl, Erfolgsraten von 75–91 % erreicht werden können.
Warum befassen wir uns dann überhaupt noch mit diesem Thema, wenn die Heilungsraten durch etablierte konservative und operative Verfahren so hoch sind? Es gibt genügend Gründe, den Tennisellenbogen differenzierter zu betrachten, ihn nicht zu bagatellisieren und sich nicht mit dem aktuellen Wissensstand zufrieden zu geben.
Durch den zunehmenden Einsatz der Arthroskopie bei Patienten mit einem Tennisellenbogen wurden relevante Begleitpathologien erkannt, die früher bei den rein offenen Eingriffen verborgen blieben. Es zeigen sich z.T. IV°-Knorpelschäden, synovitische Veränderungen, Pathologien der Plica dorsoradialis, die der MRT-Diagnostik verborgen blieben, und relevante Ausmaße einer posterolateralen Rotationsinstabilität, die bei vielen Patienten den lateralen Ellenbogenschmerz erklären.
Durch diese arthroskopisch gewonnenen Erkenntnisse lässt sich die Zahl der Patienten, die weder von konservativen noch von offenen operativen Verfahren profitierten, begründen. In diesem Artikel geht es daher um ein differenziertes Konzept zur Behandlung des lateralen Ellenbogenschmerzes und eine kritische Analyse der erfolglos konservativ und operativ behandelten Patienten.
Anatomie
Hier erfolgt aufgrund der anatomischen „Einheit“ der Extensoren und des lateralen Seitenbandkomplexes und der damit vorliegenden Synergie und Komorbidität bei pathologischen Veränderungen ein kurzes Update über die Anatomie.
Der laterale Seitenbandkomplex (LCL-Komplex) bildet den primären Stabilisator gegen Varusstress und die posterolaterale rotatorische Subluxation. Er setzt sich zusammen aus dem radialen Seitenband (RCL), das in das Lig. anulare (AL) einstrahlt und mit ihm zusammen in der Endstrecke an der Crista supinatoris der proximalen lateralen Ulna inseriert, und einem teilweise in der Kapsel darstellbaren Verstärkungszügel, dem Lig. collaterale laterale ulnare (LUCL), das etwas dorsal des RCL entspringt und sich mit den Fasern des AL nach distal verbindet, wo es an der Ulna auf einer ca. 2 cm breiten Fläche an der Crista supinatoris ansetzt.
Der ganze laterale Seitenbandkomplex liegt unter den Extensoren und dem M. anconaeus. Die bindegewebigen Stränge der Extensoren, insbesondere des M. extensor carpi ulnaris und des M. extensor digitorum communis bedecken den LCL-Komplex und unterstützen als aktive Stabilisatoren die passive Stabilität des Bandapparats durch Anspannung in Supination. Das LUCL entspringt am dorsalen Condylus lateralis, in enger Verbindung mit dem M. supinator, der Extensorenmuskulatur, der intermuskulären Faszie und dem M. anconaeus.