Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016
Der Tennisellenbogen – Diagnose oder Symptom bei Instabilität?
Boris Hollinger1, Klaus Josef Burkhart1
Zusammenfassung: Der „Tennisellenbogen“ sollte in Zukunft differenzierter betrachtet werden als dies bisher geschah. Wir wissen zwischenzeitlich durch den zunehmenden Einsatz der Ellenbogenarthroskopie im Rahmen der operativen Versorgung des Tennisellenbogens, dass wir besser und treffender von einem „lateralen Ellenbogenschmerz“ sprechen sollten. Diese allgemeiner gehaltene Terminologie der Erkrankung subsummiert mehre Ursachen für die Entstehung des Schmerzes. Hierzu gehören die Triggerung durch artikuläre Schäden, wie radiohumerale Knorpelschäden, synovitische Veränderungen, Pathologien der Plica dorsoradialis. Zudem ist die arthroskopische Instabilitätsdiagnostik in der Lage, eine klinisch maskierte posterolaterale Roationsinstabilität als Begleitursache nachzuweisen. Die Koexistenz der lateralen Seitenbandinsuffizienz tritt häufig parallel zur Schädigung der Extensoren auf und ist durch den anatomischen Synergismus beider Strukturen zu erklären.
In diesem Artikel geht es daher um ein differenziertes Behandlungskonzept des lateralen Ellenbogenschmerzes und eine kritische Analyse der erfolglos konservativ und operativ behandelten Patienten.
Schlüsselwörter: Epicondylitis, Instabilität, Ellenbogen, LUCL , PLRI
Zitierweise
Hollinger B, Burkhart KJ: Der Tennisellenbogen – Diagnose oder Symptom bei Instabilität?
OUP 2016; 3: 124–130 DOI 10.3238/oup.2015.0124–0130
Summary: The „tennis elbow“ needs a more differentiated approach in future than nowadays. Through increased use of elbow arthroscopy in the operative treatment oft the tennis elbow it is well accepted to refer to the tennis elbow as lateral elbow pain instead. The term lateral elbow pain summarizes all patholologies leading to lateral elbow pain. Those pathologies include cartilage lesions of the radial compartment, synovitis and plica hypertrophy. Furthermore, arthroscopic instability testing may unfold clinically masked posterolateral rotatory instability as a reason for lateral elbow pain. LUCL insufficiency often occurs together with extensor muscle defects. This coexistence can be explained with the anatomical synergism of both structures. This article provides a differentiated treatment concept for the lateral elbow pain together with a critical analysis of failed nonoperative and operative treatment.
Keywords: epicondylitis, instability, elbow, LUCL-complex, PLRI
Citation
Hollinger B, Burkhart KJ: Tenniselbow – a diagnose or a symptome of instability?
OUP 2016; 3: 124–130 DOI 10.3238/oup.2015.0124–0130
Einleitung
Der „Tennisellenbogen“, eigentlich eine banale Sache!
Das stimmt wahrscheinlich sogar in den meisten Fällen. Immerhin erholen sich binnen 6–9 Monaten Krankheitsdauer laut aktueller Studienlage etwa 80 % der Patienten unter konservativen Maßnahmen. Erstaunlicherweise existieren aktuell keine Arbeiten zur eigentlichen Ätiologie der Erkrankung und auch nur wenige wissenschaftlich wertvolle Arbeiten zur Effektivität der konservativen Behandlungsmaßnahmen.
Sogar die Terminologie ist irreführend. Die Bezeichnung „Epicondyl-itis“ steht definitionsgemäß für einen entzündlichen Prozess und das ist es definitiv nicht. Nach der S1-Richtlinie wird von einer Epicondylopathie gesprochen, also einer Erkrankung des Epicondylus, was auch nicht korrekt ist. Mit Tennis hat die Erkrankung ebenfalls nur sehr wenig zu tun. Wahrscheinlich ist der Begriff „lateraler Ellenbogenschmerz“ am allgemeinsten, um wieder treffend zu sein.
Es stellt sich immer noch die Frage, warum bei einem Anteil von etwa 15–20 % der Patienten der Schmerz nicht behandelbar ist und die Symptome über die Zeit nicht nachlassen, sondern sogar schlechter werden.
Aus der Literatur wissen wir, dass durch die offenen operativen Eingriffe am Extensorenursprung, hierzu zählen die bekannten Techniken nach Hohmann, Wilhelm und Nirschl, Erfolgsraten von 75–91 % erreicht werden können.
Warum befassen wir uns dann überhaupt noch mit diesem Thema, wenn die Heilungsraten durch etablierte konservative und operative Verfahren so hoch sind? Es gibt genügend Gründe, den Tennisellenbogen differenzierter zu betrachten, ihn nicht zu bagatellisieren und sich nicht mit dem aktuellen Wissensstand zufrieden zu geben.
Durch den zunehmenden Einsatz der Arthroskopie bei Patienten mit einem Tennisellenbogen wurden relevante Begleitpathologien erkannt, die früher bei den rein offenen Eingriffen verborgen blieben. Es zeigen sich z.T. IV°-Knorpelschäden, synovitische Veränderungen, Pathologien der Plica dorsoradialis, die der MRT-Diagnostik verborgen blieben, und relevante Ausmaße einer posterolateralen Rotationsinstabilität, die bei vielen Patienten den lateralen Ellenbogenschmerz erklären.
Durch diese arthroskopisch gewonnenen Erkenntnisse lässt sich die Zahl der Patienten, die weder von konservativen noch von offenen operativen Verfahren profitierten, begründen. In diesem Artikel geht es daher um ein differenziertes Konzept zur Behandlung des lateralen Ellenbogenschmerzes und eine kritische Analyse der erfolglos konservativ und operativ behandelten Patienten.
Anatomie
Hier erfolgt aufgrund der anatomischen „Einheit“ der Extensoren und des lateralen Seitenbandkomplexes und der damit vorliegenden Synergie und Komorbidität bei pathologischen Veränderungen ein kurzes Update über die Anatomie.
Der laterale Seitenbandkomplex (LCL-Komplex) bildet den primären Stabilisator gegen Varusstress und die posterolaterale rotatorische Subluxation. Er setzt sich zusammen aus dem radialen Seitenband (RCL), das in das Lig. anulare (AL) einstrahlt und mit ihm zusammen in der Endstrecke an der Crista supinatoris der proximalen lateralen Ulna inseriert, und einem teilweise in der Kapsel darstellbaren Verstärkungszügel, dem Lig. collaterale laterale ulnare (LUCL), das etwas dorsal des RCL entspringt und sich mit den Fasern des AL nach distal verbindet, wo es an der Ulna auf einer ca. 2 cm breiten Fläche an der Crista supinatoris ansetzt.
Der ganze laterale Seitenbandkomplex liegt unter den Extensoren und dem M. anconaeus. Die bindegewebigen Stränge der Extensoren, insbesondere des M. extensor carpi ulnaris und des M. extensor digitorum communis bedecken den LCL-Komplex und unterstützen als aktive Stabilisatoren die passive Stabilität des Bandapparats durch Anspannung in Supination. Das LUCL entspringt am dorsalen Condylus lateralis, in enger Verbindung mit dem M. supinator, der Extensorenmuskulatur, der intermuskulären Faszie und dem M. anconaeus.
Der LCL- Komplex und die Extensoren sind der bedeutendste weichteilige Stabilisator gegen die posterolaterale und posteriore Dislokation oder Luxation des Ellenbogengelenks. Im englischen Sprachgebrauch wird wegen der schwierigen Trennbarkeit bzw. der funktionellen Einheit der Extensoren und des lateralen Seitenbandkomplexes vereinfachend vom „extensor common origin” gesprochen.
Nicht zu unterschätzen sind neben den Extensoren und Flexoren als dynamische Stabilisatoren des Ellenbogens auch die ellenbogenübergreifenden Muskeln wie der M. brachialis, M. bizeps brachii und der M. trizeps, die den Unterarm zum Oberarm verspannen [4, 12].
Ätiologie
Neben allgemeinen Co-Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, dominante Seite oder Alter (zwischen 35 und 55 Jahren) spielen wohl vor allem repetitive Fehl- oder Überlastungen eine entscheidende Rolle in der Genese. Besonders gefährdet sind die dynamischen Stabilisatoren durch Tätigkeiten mit Werkzeugen oder Belastungen mit Sportgeräten, die eine Verlängerung des Hebelarms bewirken. Wenn bei hoher Vorspannung von außen kommende plötzliche Kräfte über den verlängerten Hebel des Unterarms durch Werkzeuge oder Sportgeräte wirken, können Einrisse der Muskelsehnenansätze entstehen. Die aktiven Stabilisatoren können bei hypermobilen oder instabilen Gelenken überfordert werden, weil zum Erhalt der Funktion eine Daueranspannung erforderlich wird. Damit sind eine Ermüdung, Übersäuerung und Degeneration der Sehnenansätze und ein chronischer Schaden die Folge [2].
Hier stellt sich die Frage: Was war zuerst, Huhn oder Ei?
Ist der Extensorenschaden ein Ausdruck einer vorbestehenden Insuffizienz des lateralen Seitenbandkomplexes und als Folge dessen durch den chronischen Overload entstanden, oder wird der Seitenbandkomplex sukzessive durch den eingetretenen Extensorenschaden überlastet und dadurch geschädigt?
Diese Frage kann aktuell nicht beantwortet werden. Wahrscheinlich ist es, wie die Anatomie uns zeigt, ein synergistischer Effekt. Damit lässt sich auch die häufige Koexistenz erklären, dass Patienten mit einem ausgeprägten Defekt der Extensoren auch eine Insuffizienz des Seitenbands aufweisen.
Extensoren und Ligamente sowie Kapsel liegen nicht nur eng im räumlichen Zusammenhang, sondern sind selbst mikroskopisch nur eingeschränkt zu trennen. Makroskopisch ist es intra-operativ häufig schwierig, die Extensoren vom LCL, das LUCL von der Kapsel, die Kapsel von der Plica zu differenzieren, daher liegt eine Triggerung der Extensoren bei z.B. einklemmender Plica dorsoradialis nahe. Auch intraartikuläre Pathologien wie freie Gelenkkörper, Chondromalazien oder Synovialitis können diese Triggerung auslösen.
Existieren solche somatischen Trigger oder eine relevante Instabilität des lateralen Seitenbandkomplexes, ist von einer nicht erfolgsversprechenden Therapie des Tennisellenbogens auszugehen.
Erstbehandlung
Neben der gezielten Anamnese und Ausarbeitung des Patientenprofils steht die klinische Untersuchung des Ellenbogens zur Beurteilung eines Tennisellenbogens im Vordergrund.
Erfasst werden über die Anamnese das Alter und Geschlecht des Patienten, die Händigkeit, Beschwerdedauer, durchgeführte konservative Maßnahmen, wie z.B. Schonung, Ruhigstellung, Einsatz von Bandagen oder Spangen, Einnahme von NSAR, physiotherapeutische und/oder physikalische Anwendungen, intensivierte Eigenübungen mit einer exzentrischen Kräftigungs- und Dehnungstherapie, Art und Häufigkeit von Infiltrationen (Kortison, PRP, Hyaluronsäure, Traumeel, etc.), Durchführung einer Stoßwellentherapie oder einer lokalen Bestrahlung und jegliche Form von zusätzlichen Maßnahmen (Akupunktur, Osteopathie, Homöopathie usw.). Durch diese Informationen lässt sich gut abschätzen, in welcher Phase der Behandlung sich der Patient befindet und in welchem Umfang die Maßnahmen bereits durchgeführt wurden, um das weitere Vorgehen mit dem Patienten besser besprechen zu können.
Bei der klinischen Untersuchung wird der Ellenbogen in seiner Gesamtheit untersucht, und nicht nur der laterale Epicondylus abgetastet, und die spezifischen Extensorenprovokationstests durchgeführt. Durch eine umfangreiche Untersuchung mit Erfassung des Bewegungsumfangs in allen Ebenen, Knirschen und Knacken im Gelenk beim Durchbewegen unter maximaler Muskelanspannung als Zeichen eines Knorpelschadens, Abtastung der anatomischen Landmarken (Olecranonspitze, lateraler und medialer Epicondylus, Sulcus ulnaris, Ansatz der Bizeps- und Trizepssehne), Testung der Stabilität auf der medialen und lateralen Seite, wird der Ellenbogen ganzheitlich untersucht, um keine weiteren Pathologien zu übersehen und die Diagnose einzuschränken. Zudem wird die Schmerzintensität entsprechend der Visuellen Analogskala (VAS von 0–10) erfasst.
Die Untersuchung der posterolateralen Rotationsinstabilität stellt beim wachen Patienten und beim schmerzhaften Ellenbogen die größte Schwierigkeit dar. Die meisten Patienten spannen gegen den Untersucher und die Provokationsrichtung. Beim Pivot-Shift-Test ist deshalb bereits die Auslösung des Schmerzes und das Vermeidungsverhalten des Patienten als positiv zu werten [8, 10].
Wir empfehlen als deutlich sensibleren, reproduzierbareren und weniger schmerzhaften Test den Pinzettengriff. Bei diesem Test werden die Daumen des Untersuchers dorsal an das Capitulum humeri und den Radiuskopf angelegt, sodass sich die Daumenkuppen direkt auf der Höhe des radiohumeralen Gelenkspalts gegenüber stehen. Mit den Langfingern hakt sich der Untersucher am ventralen Unterarm am Radius ein. Nun erfolgt mit der am Unterarm positionierten Hand ein dorsaler Zug und gleichzeitig auch eine Supinationsbewegung. Dieses Manöver entspricht der posterolateralen Rotationsbewegung, die sich bei einer entsprechenden Instabilität auslösen lässt. Anhand der relativen Bewegung zwischen den beiden Daumen lässt sich die Ausprägung der Instabilität abschätzen. Bei stabilen Gelenken ist keine Bewegung zwischen den Daumen zu beobachten. Wichtig ist, dass der Patient den Unterarm auf seinem eigenen Oberschenkel ablegt und der Untersucher darauf achtet, dass der Patient die Schulter- und Armmuskulatur bestmöglich entspannt.
Sollte noch keine adäquate konservative Therapie in die Wege geleitet worden sein, empfehlen wir, Manuelle Therapie in Kombination mit Elektrotherapie zu verordnen sowie die Anleitung zur exzentrischen Kräftigungs- und Dehnübung der Extensoren und Flexoren.
Das Wichtigste ist aber die Aufklärung der Patienten darüber, dass die Erkrankung i.d.R. mindestens 6–9 Monate dauert und es so lange dauert, bis eine relevante Schmerzlinderung eintritt, und dass übertriebener Aktionismus in dieser Zeit keinen entscheidenden Effekt hat. Die Patienten sollten in der Schmerzphase akute Maximalbelastungen vermeiden, aber trotzdem eine Grundaktivität beibehalten. Absolute Schonungen oder gar Gipsruhigstellungen sind für den Heilungsverlauf nicht förderlich. Die Extensorensehne benötigt für eine zielgerichtete Heilung bzw. Schmerzadaptation, wie andere Sehnen in unserem Körper auch, eine moderate angepasste Belastung mit unterstützenden exzentrischen Übungen zur Ausrichtung und Anpassung des Kollagenbindegewebes.
Nicht zu empfehlen ist der regelmäßige Einsatz von Kortisoninjektionen an den lateralen Kondylus [1]. In den Leitlinien wird eine Anwendung bis zu maximal 2 Injektionen empfohlen. In der Realität sehen wir jedoch viele Patienten, die Dutzende von Kortisoninjektionen erhalten haben und dementsprechend nicht nur an den sehr häufigen subkutanen Fettgewebsnekrosen mit Atrophie der Haut leiden, sondern vor allem an einer massiven Schädigung der Extensorensehne und des lateralen Seitenbandapparats. Wir denken, dass viele der Patienten, die schlussendlich nach einem frustranen konservativen Therapieversuch operiert werden müssen, auf den übermäßigen Einsatz von Kortisoninjektionen zurückzuführen sind.
OP-Indikationen sollten erst nach zeitlich (Minimum 6 Monate, besser 9 Monate) und inhaltlich ausgeschöpfter konservativer Therapie gestellt werden. Der Leidensdruck der Patienten sollte so groß sein, dass der Patient selbst auch bereit ist, den Eingriff und vor allem die langwierige Nachbehandlung mit einzugehen. Zu erwarten ist eine Rehabilitationszeit bis zur vollen Belastbarkeit von mindestens 3 Monaten. Diese lange Nachbehandlungszeit schreckt viele Patienten ab, ist aber offen und ehrlich im Vorfeld zu kommunizieren, da eine zu frühe Aufnahme der Belastung immer wieder unnötige Entzündungs- und Schmerzphasen sowie Einheilungsstörungen der Extensoren zur Folge haben kann.
Etwas anders ist der Umgang mit Patienten, die bereits eine OP hinter sich haben und seither keine Schmerzlinderung oder sogar eine Verschlechterung erlitten haben. In der Regel sind es Patienten mit einer offenen Hohmann-OP, die mit diesen Problemen zu uns kommen. In den letzten Jahren haben wir etwa 150 Patienten nach einer auswärtigen Hohmann-OP revidiert. Dies soll nicht bedeuten, dass die Hohmann-OP per se schlechte Ergebnisse liefert. Aus der Literatur ist ganz klar zu erkennen, dass die Hohmann-OP Erfolgsraten mit guten und sehr guten Ergebnissen von 75–91 % [5, 7, 9] liefert. Hat ein Patient nach der OP aber weiterhin Schmerzen oder sogar eine Intensivierung der Schmerzen, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein strukturelles Problem. Bei allen Patienten, die wir revidierten, lag eine Einheilungsstörung der Extensoren mit Substanzdefekt vor in Kombination mit einer mäßig bis extrem ausgeprägten posterolateralen Rotationsinstabilität durch eine zusätzliche Schädigung des lateralen Seitenbandkomplexes am lateralen Kondylus.
Das Gelenk war in allen Fällen durch den Kapsel-Banddefekt eröffnet und die Gelenkflüssigkeit bildete unter den Extensoren im Bereich des eigentlichen Footprint eine Kaverne mit synovialem Überzug. In manchen Fällen reichte bei einem zusätzlichen Defekt der Fascie die synoviale Auskleidung bis unter die Haut. Dies waren sicherlich alles Patienten, die postoperativ ein subkutanes Serom hatten.
Bei dieser Patientengruppe ist somit nach MRT-Abklärung die Revisions-OP indiziert, um oben genanntes Problem zu korrigieren. Intensivierte konservative Maßnahmen sind hier nicht mehr angebracht.
Diagnostik
Ist die Indikation zur OP aufgrund des klinischen Verlaufs gestellt, empfehlen wir die Vervollständigung der Diagnostik, sofern dies nicht schon im Verlauf der Erkrankung erfolgte. Zwingend erforderlich ist unserer Ansicht nach ein konventionelles Röntgenbild in 2 Ebenen zur Darstellung knöcherner Begleitverletzungen, Verkalkungen in der Kapsel oder den Extensoren, dem Nachweis von sekundären Osteophyten, einer Gelenkspaltverschmälerung oder -asymmetrien bzw. Instabilitätszeichen, freien Gelenkkörpern, Deformitäten und des Arthrosegrads.
Optional ist die Sonografie. Sie dient zur Darstellung des Extensorenursprungs und dessen Integrität. Defekte lassen sich gut darstellen. Hinweise auf Begleitpathologien ergeben sich ebenfalls aus der sonografischen Untersuchung, wie z.B. ein übermäßiger Gelenkerguss oder freie Gelenkkörper. In der postoperativen Phase kann der Heilungsverlauf der Extensoren sonografisch einfach und kostengünstig kontrolliert werden.
Unserer Meinung nach sollte präoperativ eine MRT-Untersuchung des Ellenbogens in voller Streckstellung durchgeführt werden. Das MRT ist mit Abstand das sensitivste diagnostische Verfahren und dient nicht nur der Beurteilung des Extensorendefekts und struktureller Veränderungen des lateralen Seitenbandapparats; sondern es ermöglicht auch eine direkte und indirekte Einschätzung der Gelenkstabilität sowie die Abklärung weiterer pathologischer Veränderungen des Gelenks (degenerative Veränderungen, Knorpelschäden, freie Gelenkkörper oder synovitische Veränderungen). Durch die Stellung des Ellenbogens in voller Streckung lassen sich MRT-Kriterien anlegen, die zur Einschätzung der Gelenkstabilität dienen [6]. Hierzu gehören Asymmetrien des Gelenkspalts in der Frontalebene sowie Subluxationsstellungen in der sagittalen und in der axialen Ebene.
Die Extensorenläsion wird im MRT – angelehnt an Walz et al. [14] – in 4 Grade unterteilt:
- Grad 1: Tendinose/beginnende Partialruptur ,
- Grad 2: intermediäre Rissform, Partialruptur ,
- Grad 3: hochgradige Partialruptur ,
- Grad 4: Komplettruptur.
Operative Therapie
Ist die Entscheidung zur OP gefallen, klären wir unsere Patienten nach erfolgter Diagnostik und Eingrenzung der Pathologie über folgenden Eingriff auf:
Diagnostische Arthroskopie mit partieller Synovektomie und Plicaresektion,
Bestandsaufnahme der Instabilität und ggf. vorliegender Gelenkpathologien,
Knorpeltherapie je nach Befund,
offenes Debridement der Extensoren und des lateralen Kondylus mit Rekonstruktion der Weichteile,
ggf. je nach Ausmaß der Instabilität additive LUCL-Bandplastik mit Trizepssehnentransplantat.
Von den Kollegen Geyer und Schoch aus Pfronten [13] wurde ein Schema veröffentlicht, das die entscheidenden Kriterien für den Behandlungspfad sehr gut abbildet (Abb. 8). Maßgeblich für das operative Verfahren ist die Kombination des Extensorendefekts, der vorliegenden posterolateralen Rotationsinstabilität und der intraartikulären Begleitpathologien. Daraus leitet sich der Stellenwert der Arthroskopie im Behandlungskonzept ab, denn nur arthroskopisch lassen sich die Instabilität und die intraartikulären Begleitpathologien gewissenhaft beurteilen.
Wir führen seit Jahren bei jeder „Tennisellenbogen-OP“ immer eine Arthroskopie des Gelenks durch und sind immer wieder überrascht, dass der klinisch erhobene bzw. vermutete Befund der vorliegenden posterolateralen Rotationsinstabilität nicht mit dem intraoperativ unter arthroskopischer Sicht gewonnen reellen Befund übereinstimmt. In aller Regel ist das Ausmaß der Instabilität intraoperativ deutlich höher als präoperativ vermutet. Zusätzlich finden wir bei etwa 10 % der Patienten relevante Begleitpathologien, dies sind in erster Linie bis zu IV° radiohumerale Knorpelschäden mit lokalen synovitischen Entzündungsreaktionen, die in der MRT-Diagnostik nicht zu erkennen waren und dementsprechend das weitere operative Vorgehen maßgeblich beeinflussen. In solchen Fällen brechen wir nach dem arthroskopischen Debridement den Eingriff ab und führen kein offenes Debridement der Extensoren durch, da mit hoher Wahrscheinlichkeit der laterale Ellenbogenschmerz durch den intraartikulären Knorpelschaden getriggert ist.
Der offene Extensoreneingriff kann je nach postoperativem klinischem Verlauf immer noch sekundär erfolgen, ist aber in den meisten Fällen nicht mehr nötig bzw. je nach Ausmaß der Knorpelschädigung auch nicht anzuraten.
Sind intraartikuläre Pathologien arthroskopisch ausgeschlossen, stabile laterale Seitenbandverhältnisse dokumentiert und die Plica dorsoradialis reseziert, die als Trigger eines lateralen-dorsolateralen Ellenbogenschmerzes wirken kann, erfolgt der offene Eingriff der Extensoren. Der Hautschnitt beinhaltet die dorsolateral angelegten Arthroskopieportale und hat eine Länge von etwa 5–6 cm. Um eine iatrogene Schädigung des Seitenbandkomplexes zu vermeiden, empfehlen wir nach Einkerbung der Faszie zwischen Extensoren und Trizeps die Lösung der Faszie von den Extensoren und dann nicht die halbmondförmige Ablösung der Extensoren nach Hohmann, sondern die Längsspaltung nach Nirschl oder die subperiostale Ablösung der Extensoren von proximal/dorsal nach distal/ventral unter sorgfältiger Darstellung und Schonung des Seitenbandursprungs. Nach dem Debridement der Extensorenunterfläche und des knöchernen Footprints erfolgt eine transossäre Refixation der Extensoren mit Nähten, um eine sichere Einheilung zu gewährleisten. Abschließend wird die Faszie wieder über der Extensorenrekonstruktion vernäht, um die Gleitschicht herzustellen und Serome zu vermeiden.
Ergab sich aus der arthroskopischen Bestandsaufnahme, dass eine relevante posterolaterale Rotationsinstabilität vorlag, führen wir additiv zum Debridement und zur Rekonstruktion der Extensoren eine LUCL-Bandplastik mit einem Trizepssehnentransplantat zur Neutralisation der PLRI durch [3, 11].
Fazit für die Praxis
Der Tennisellenbogen kann eine direkte Schädigung der Extensoren sein oder ein maskierter getriggerter Ausstrahlungsschmerz differenzierter Gelenkpathologien, wie z.B. Knorpelschäden, synovitische Veränderungen, eine einklemmende Plica oder Instabilitäten. Durch das geschilderte differenzierte Behandlungskonzept lassen sich bei einem lateralen Ellenbogenschmerz deutlich homogenere Ergebnisse erzielen als nur mit einer offenen OP am Extensorenursprung alleine. Die Arthroskopie stellt für uns das entscheidende Verfahren dar, die Patienten zu selektieren. Mit der ASK können wir Patienten mit einer intraartikulär getriggerten Schmerzsymptomatik herausfiltern und zusätzlich die Instabilität des Seitenbandkomplexes detektieren und durch diesen Erkenntnisgewinn das operative Verfahren an die erforderliche Situation anpassen.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
Dr. med. Boris Hollinger
ARCUS Kliniken Pforzheim
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Rastatter Straße 17–19
75179 Pforzheim
b.k.hollinger@t-online.de
Literaturverzeichnis
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Fussnoten
1 ARCUS Kliniken Pforzheim, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie