Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Der Tennisellenbogen – Diagnose oder Symptom bei Instabilität?

Der LCL- Komplex und die Extensoren sind der bedeutendste weichteilige Stabilisator gegen die posterolaterale und posteriore Dislokation oder Luxation des Ellenbogengelenks. Im englischen Sprachgebrauch wird wegen der schwierigen Trennbarkeit bzw. der funktionellen Einheit der Extensoren und des lateralen Seitenbandkomplexes vereinfachend vom „extensor common origin” gesprochen.

Nicht zu unterschätzen sind neben den Extensoren und Flexoren als dynamische Stabilisatoren des Ellenbogens auch die ellenbogenübergreifenden Muskeln wie der M. brachialis, M. bizeps brachii und der M. trizeps, die den Unterarm zum Oberarm verspannen [4, 12].

Ätiologie

Neben allgemeinen Co-Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, dominante Seite oder Alter (zwischen 35 und 55 Jahren) spielen wohl vor allem repetitive Fehl- oder Überlastungen eine entscheidende Rolle in der Genese. Besonders gefährdet sind die dynamischen Stabilisatoren durch Tätigkeiten mit Werkzeugen oder Belastungen mit Sportgeräten, die eine Verlängerung des Hebelarms bewirken. Wenn bei hoher Vorspannung von außen kommende plötzliche Kräfte über den verlängerten Hebel des Unterarms durch Werkzeuge oder Sportgeräte wirken, können Einrisse der Muskelsehnenansätze entstehen. Die aktiven Stabilisatoren können bei hypermobilen oder instabilen Gelenken überfordert werden, weil zum Erhalt der Funktion eine Daueranspannung erforderlich wird. Damit sind eine Ermüdung, Übersäuerung und Degeneration der Sehnenansätze und ein chronischer Schaden die Folge [2].

Hier stellt sich die Frage: Was war zuerst, Huhn oder Ei?

Ist der Extensorenschaden ein Ausdruck einer vorbestehenden Insuffizienz des lateralen Seitenbandkomplexes und als Folge dessen durch den chronischen Overload entstanden, oder wird der Seitenbandkomplex sukzessive durch den eingetretenen Extensorenschaden überlastet und dadurch geschädigt?

Diese Frage kann aktuell nicht beantwortet werden. Wahrscheinlich ist es, wie die Anatomie uns zeigt, ein synergistischer Effekt. Damit lässt sich auch die häufige Koexistenz erklären, dass Patienten mit einem ausgeprägten Defekt der Extensoren auch eine Insuffizienz des Seitenbands aufweisen.

Extensoren und Ligamente sowie Kapsel liegen nicht nur eng im räumlichen Zusammenhang, sondern sind selbst mikroskopisch nur eingeschränkt zu trennen. Makroskopisch ist es intra-operativ häufig schwierig, die Extensoren vom LCL, das LUCL von der Kapsel, die Kapsel von der Plica zu differenzieren, daher liegt eine Triggerung der Extensoren bei z.B. einklemmender Plica dorsoradialis nahe. Auch intraartikuläre Pathologien wie freie Gelenkkörper, Chondromalazien oder Synovialitis können diese Triggerung auslösen.

Existieren solche somatischen Trigger oder eine relevante Instabilität des lateralen Seitenbandkomplexes, ist von einer nicht erfolgsversprechenden Therapie des Tennisellenbogens auszugehen.

Erstbehandlung

Neben der gezielten Anamnese und Ausarbeitung des Patientenprofils steht die klinische Untersuchung des Ellenbogens zur Beurteilung eines Tennisellenbogens im Vordergrund.

Erfasst werden über die Anamnese das Alter und Geschlecht des Patienten, die Händigkeit, Beschwerdedauer, durchgeführte konservative Maßnahmen, wie z.B. Schonung, Ruhigstellung, Einsatz von Bandagen oder Spangen, Einnahme von NSAR, physiotherapeutische und/oder physikalische Anwendungen, intensivierte Eigenübungen mit einer exzentrischen Kräftigungs- und Dehnungstherapie, Art und Häufigkeit von Infiltrationen (Kortison, PRP, Hyaluronsäure, Traumeel, etc.), Durchführung einer Stoßwellentherapie oder einer lokalen Bestrahlung und jegliche Form von zusätzlichen Maßnahmen (Akupunktur, Osteopathie, Homöopathie usw.). Durch diese Informationen lässt sich gut abschätzen, in welcher Phase der Behandlung sich der Patient befindet und in welchem Umfang die Maßnahmen bereits durchgeführt wurden, um das weitere Vorgehen mit dem Patienten besser besprechen zu können.

Bei der klinischen Untersuchung wird der Ellenbogen in seiner Gesamtheit untersucht, und nicht nur der laterale Epicondylus abgetastet, und die spezifischen Extensorenprovokationstests durchgeführt. Durch eine umfangreiche Untersuchung mit Erfassung des Bewegungsumfangs in allen Ebenen, Knirschen und Knacken im Gelenk beim Durchbewegen unter maximaler Muskelanspannung als Zeichen eines Knorpelschadens, Abtastung der anatomischen Landmarken (Olecranonspitze, lateraler und medialer Epicondylus, Sulcus ulnaris, Ansatz der Bizeps- und Trizepssehne), Testung der Stabilität auf der medialen und lateralen Seite, wird der Ellenbogen ganzheitlich untersucht, um keine weiteren Pathologien zu übersehen und die Diagnose einzuschränken. Zudem wird die Schmerzintensität entsprechend der Visuellen Analogskala (VAS von 0–10) erfasst.

Die Untersuchung der posterolateralen Rotationsinstabilität stellt beim wachen Patienten und beim schmerzhaften Ellenbogen die größte Schwierigkeit dar. Die meisten Patienten spannen gegen den Untersucher und die Provokationsrichtung. Beim Pivot-Shift-Test ist deshalb bereits die Auslösung des Schmerzes und das Vermeidungsverhalten des Patienten als positiv zu werten [8, 10].

Wir empfehlen als deutlich sensibleren, reproduzierbareren und weniger schmerzhaften Test den Pinzettengriff. Bei diesem Test werden die Daumen des Untersuchers dorsal an das Capitulum humeri und den Radiuskopf angelegt, sodass sich die Daumenkuppen direkt auf der Höhe des radiohumeralen Gelenkspalts gegenüber stehen. Mit den Langfingern hakt sich der Untersucher am ventralen Unterarm am Radius ein. Nun erfolgt mit der am Unterarm positionierten Hand ein dorsaler Zug und gleichzeitig auch eine Supinationsbewegung. Dieses Manöver entspricht der posterolateralen Rotationsbewegung, die sich bei einer entsprechenden Instabilität auslösen lässt. Anhand der relativen Bewegung zwischen den beiden Daumen lässt sich die Ausprägung der Instabilität abschätzen. Bei stabilen Gelenken ist keine Bewegung zwischen den Daumen zu beobachten. Wichtig ist, dass der Patient den Unterarm auf seinem eigenen Oberschenkel ablegt und der Untersucher darauf achtet, dass der Patient die Schulter- und Armmuskulatur bestmöglich entspannt.

Sollte noch keine adäquate konservative Therapie in die Wege geleitet worden sein, empfehlen wir, Manuelle Therapie in Kombination mit Elektrotherapie zu verordnen sowie die Anleitung zur exzentrischen Kräftigungs- und Dehnübung der Extensoren und Flexoren.

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