Übersichtsarbeiten - OUP 04/2021
Diagnose und Therapie der axialen Spondyloarthritis
Martina Ratanski, Alexandra Kortmöller, Aneta Matkowska-Jaron, Michael Hammer, Anna Maier
CME
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PUNKT
Lernziele:
Nach der Lektüre dieses Beitrags...
kennen Sie die typische Klinik der axialen Spondyloarthritis
sind Ihnen die Klassifikationskriterien der Erkrankung bekannt
sind Ihnen die diagnostischen Möglichkeiten, insbesondere der Bildgebung geläufig
kennen Sie medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieoptionen
sind Ihnen wichtige prognostische Faktoren der axialen Spondyloarthritis bekannt
Zusammenfassung:
Die axiale Spondyloarthritis gehört zur Gruppe der Spondyloarthritiden. Sie ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Achsenskeletts, die auch die noch nicht radiologisch manifesten Frühformen der Erkrankung einschließt. Extraskelettale Manifestationen und Komorbiditäten sind unter anderem Uveitis, Psoriasis der Haut, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Osteoporose. Die Lebensqualität der Betroffenen ist deutlich eingeschränkt. Bei Betroffenen mit axialer Spondyloarthritis (inklusive der nicht radiologisch manifesten Frühform) ist in 60–85 % der Fälle das Human Leukocyten Antigen B 27 nachweisbar. In der Diagnostik haben neben dem HLA-B27 die Anamnese des chronisch entzündlichen Rückenschmerzes, radiologische Läsionen sowie die Magnetresonanztomographie der Sakroiliakalgelenke einen hohen Stellenwert. Die Behandlung erfolgt neben nicht-medikamentösen Strategien zumeist durch nicht-steroidale Antirheumatika oder Biologika. Ziel ist eine Remission bzw. eine möglichst niedrige Krankheitsaktivität, um Spätfolgen der Entzündung wie zum Beispiel Funktionseinschränkungen und Ankylosen der Wirbelsäule zu verhindern. Bei langfristiger unkontrollierter Entzündungsaktivität ist die kardio-vaskuläre Mortalität erhöht.
Schlüsselwörter:
Spondyloarthritis, entzündlicher Rückenschmerz, Biologikatherapie, Rheumatologie
Zitierweise:
Ratanski M, Kortmöller A, Matkowska-Jaron A, Hammer M, Maier A: Diagnose und Therapie der axialen Spondyloarthritis.
OUP 2021; 10: 184–192. DOI 10.3238/oup.2021.0184–0192
Summary: Axiale Spondyloarthritis is a disease within the group of Spondyloarthritis. It is characterised by chronic inflammation of the spine. It includes non-radiographic Spondyloarthritis as well as radiographic Spondyloarthritis. Common extraskeletal manifestations and co-morbidities include uveitis, psoriasis of the skin, chronic inflammatory bowel disease and osteoporosis. Patient´s quality of life is significantely reduced. In axiale Spondyloarthritis (including non-radiographic forms) the genetic marker Human Leukocyte Antigen B 27 (HLA-B27) is present in 60–85 % of cases. Important diagnostic tools besides HLA-B27 status are a history of inflammatory back pain, radiographic lesions and magnetic resonance imaging of the sacroilliac joints. Treatment options include non-medical treatment as well as non-steroidal-antirheumatic-drugs and biologicals. By inducing remission prevention of complications (e.g. loss of mobility and ankylosis) is the goal of treatment. Cardiovascular mortality is increased when inflammation is persistantly not under control.
Keywords: Spondyloarthritis, inflammatory back pain, biologicals, rheumatology
Citation: Ratanski M, Kortmöller A, Matkowska-Jaron A, Hammer M, Maier A: Diagnosis and treatment of axial spondyloarthritis. OUP 2021; 10: 184–192. DOI 10.3238/oup.2021.0184–0192
Nordwestdeutsches Rheumazentrum, St. Josef-Stift Sendenhorst, Klinik für Rheumatologie, Osteologisches Schwerpunktzentrum DVO
Definition
Die Spondyloarthritiden (SpA) gehören zu den häufigsten rheumatischen Krankheitsbildern und gehen mit einer chronischen Entzündung des Achsenskeletts (Sakroiliitis, Spondylitis), der peripheren Gelenke (Arthritis) und der Sehnenansätze (Enthesitis) einher. Extraskelettale Manifestationen an den Augen (Uveitis), der Haut (Psoriasis) und/oder dem Darm (chronische entzündliche Darmerkrankungen, CED) können vorkommen. Je nach Primärmanifestation der Symptome wird die Erkrankung in eine prädominant axiale oder eine prädominant periphere Form unterteilt. Für die axiale Spondyloarthritis inklusive der nicht-radiologisch manifesten Frühform besteht eine 60–85 %ige Assoziation zum Humanen Leukocyten Antigen-B 27 (HLA-B27) [21].
Klassifikation
Die aktuellen Klassifikationskriterien für die axiale SpA (inklusive der ankylosierenden Spondylitis, früher „M. Bechterew“) und die periphere SpA wurden durch die Assessment of SpondyloArthritis International Society (ASAS) 2009 publiziert [22]. Sie sind in Abbildung 1 mit ihrem bildgebenden und ihrem klinischen Arm dargestellt. Die Kriterien sind zur Klassifikation gedacht, können aber auch zur Bestätigung einer Diagnose dienen. Da die Sensitivität um 80 % und die Spezifität wenig höher liegt, gibt es ca. 20 % Erkrankte, die die genannten Kriterien nicht erfüllen und ebenso ca. 20 % nicht Betroffene, die die Kriterien aber erfüllen (Abb. 1).
Die „Modifizierten New York Kriterien“ von 1984 teilten sich in „Klinische Kriterien“ und „Radiologische Kriterien“. Die klinischen Klassifikationskriterien wurden 2009 von den ASAS Klassifikationskriterien ersetzt, die radiologischen Kriterien sind jedoch zur Graduierung radiologischer Veränderungen weiterhin aktuell (vergl. Diagnostik: konventionelles Röntgen (Abb. 2)) [29]. Wenn die radiologischen New York-Kriterien erfüllt sind (Sakroiliitis mindestens bilateral Grad II oder unilateral > Grad III), ist die Erkrankung der Spondylitis ankylosans zuzuordnen.
In diesem Beitrag wird auf die häufigere SpA-Gruppe, die axiale SpA (axSpA), inklusive der nicht-radiologischen Frühform und der radiologisch manifesten Form eingegangen. Das Leitsymptom des Krankheitsbildes ist der entzündliche Rückenschmerz, der im Verlauf durch strukturelle Umbauvorgänge zur Verknöcherung (Ankylose) z.B. der Sakroiliakalgelenke (SI-Gelenke) oder der Wirbelsäule mit Versteifung führt. Obwohl das konventionelle Röntgenbild gegenüber der Magnetresonanztomographie (MRT) im Frühstadium weniger sensitiv ist, ist die Unterscheidung radiologisch/nicht-radiologisch manifest zur klinischen Einschätzung und Verlaufsdokumentation sowie für die Medikation weiterhin von Bedeutung.
Prävalenz
Für die Gesamtgruppe der Spondyloarthritiden wird in Deutschland eine Prävalenz zwischen 0,3 und 0,5 % angenommen [3]. 61,5 % der von der radiologisch manifesten axSpA Betroffenen sind männlich, 38,5 % weiblich. Daten, die auch die nicht-radiologisch manifeste axSpA berücksichtigen, zeigten ein Verhältnis von Frauen zu Männern von 1:1. Die ersten Symptome treten meist im 2. und 3. Lebensjahrzehnt auf, das Auftreten der Beschwerden nach dem 45. Lebensjahr ist selten.