Übersichtsarbeiten - OUP 04/2021
Diagnose und Therapie der axialen Spondyloarthritis
Die radiologische Progression verläuft variabel. Bei der Mehrzahl der symptomatisch Betroffenen sind strukturelle Läsionen der SI-Gelenke relativ spät, meistens erst nach mehreren Jahren konventionell radiologisch diagnostizierbar, es gibt jedoch auch Fälle mit einem raschen radiologischen Progress. Das Vorhandensein von röntgenologischen SI-Gelenkveränderungen in den ersten 2 Erkrankungsjahren begünstigt eine schnellere und ausgeprägtere Röntgenprogression im Verlauf [4]. Das angefertigte Röntgenbild muss im Kontext mit der Klinik bewertet werden, um Differentialdiagnosen wie zum Beispiel eine Sakroiliitis im Rahmen anderer rheumatologischer Erkrankungen, eine Osteitis condensans, eine diffuse idiopathische Skeletthyperostose oder eine infektiöse Sakroiliitis zu berücksichtigen (Abb. 3).
Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule, insbesondere der thorakolumbale Übergang, ist häufig betroffen. Es können radiologisch charakteristische Syndesmophyten und Ankylosen benachbarter Wirbelkörper mit erheblicher Bewegungseinschränkung bis hin zur Versteifung der Wirbelsäule (sog. Bambusstab) auftreten. Außerdem gehören Sklerosierungszonen an den Wirbelkörperecken („shiny corners“/„Romanus-Läsion“), Erosionen in den Grund- oder Deckplatten („Anderson-Läsion“), Kasten- oder Tonnenwirbel und im späten Krankheitsverlauf auch Wirbelfrakturen zu typischen radiologischen Veränderungen [15]. Der Nachweis von Syndesmophyten bei der Erstvorstellung prädisponiert die Betroffenen für die Entwicklung neuer Syndesmophyten [16].
Magnetresonanztomographie (MRT)
MRT der SI-Gelenke
Die aktuelle Leitlinie empfiehlt eine MRT der SI-Gelenke bei einem Verdacht auf eine axSpA und bei unauffälligem Röntgenbild unabhängig von der Lokalisation des Rückenschmerzes [11].
Die MRT dient als Methode der Wahl zur Diagnostik der frühen bzw. aktiven entzündlichen Läsionen der SI-Gelenke und der Wirbelsäule. T2-gewichtete fettsupprimierte Sequenzen (T2/FSE), short-tau inversion recovery (STIR) oder T1-gewichtete fettsupprimierten Sequenzen mit Gabe von Kontrastmittel können eine floride Aktivität darstellen, wobei die Gabe von Kontrastmittel keinen diagnostischen Vorteil birgt [2]. Die T1-gewichtete Spinecho-Sequenz gibt zusätzlich Auskunft über knöcherne Läsionen.
Die ASAS/OMERACT-Gruppe MRT hat als obligate Pathologie einer aktiven Entzündung der SI-Gelenke das periartikuläre und subchondrale Knochenmarködem definiert [21]. Synovitis, Enthesitis und Kapsulitis sind mit einer aktiven Sakroiliitis vereinbar, für die Diagnosestellung jedoch nicht ausreichend. Chronische Veränderungen sind Fettmetaplasien, Erosionen, Sklerosen und Ankylosen (Abb. 4).
Differentialdiagnosen sind septische Sakroiliitiden, Frakturen oder Degenerationen wie Osteitis condensans ilii (Hyperostosis triangularis ilii) oder eine aktivierte SI-Arthrose. In den letzten Jahren mehren sich MR-Studien über Gruppen von Menschen, die eine hohe Prävalenz von Knochenmarködemen aufweisen und formal die ASAS-Kriterien einer Sakroiliitis erfüllen, letztlich jedoch keine axiale Spondyloarthritis haben. Hierzu zählen insbesondere junge aktive Individuen wie Eishockeyspieler*innen und Militärrekrut*innen. Auch manche Menschen mit mechanischen Rückenschmerzen erfüllen die ASAS-Definition einer akuten Sakroiilitis [13]. Besonders bemerkenswert ist das häufige Knochenmarködem bei Frauen nach einer Entbindung in bis zu 77 % der Fälle [19]. Diese formale Sakroiliitis klingt mit der Zeit ab. Daher empfiehlt es sich, eine MRT-Untersuchung frühestens 6 Monate, bei Persistenz erneut 12 Monate postpartal zu veranlassen, um Fehldiagnosen zu vermeiden. Die Bilder müssen zusammen mit der Anamnese, HLA-B27, Entzündungsserologie, Begleitsymptomen und bestehenden strukturellen Läsionen interpretiert werden.
MRT der Wirbelsäule
Das MRT der Wirbelsäule zeigt bei der axSpA an den Wirbelkörperecken als Entzündungskorrelat klassischerweise eine Spondylitis anterior und posterior. Diese Läsionen stellen das bildmorphologische Korrelat zu einer Osteitis und Enthesitis dar. Die abakterielle Spondylodiszitis (Andersson-Läsion) sowie die Arthritis von Costovertebral- und Costotransversalgelenken sind ebenfalls entzündliche Läsionen bei axSpA [11].
Computertomographie (CT)
Die CT (ohne Kontrastmittel) ist sehr gut zur Erfassung struktureller Läsionen, insbesondere der SI-Gelenke geeignet. Die Methode hat einen Stellenwert, wenn konventionelles Röntgen und MRT Differentialdiagnosen bezüglich der knöchernen Veränderungen zulassen.
Skelettszintigraphie
Bei der axSpA bringt die Durchführung einer Szintigraphie lediglich einen geringen Nutzen. In Anlehnung an die Leitlinie sollte sie daher nicht zur Diagnosestellung eingesetzt werden [11].
Sonographie
Die Sonographie dient bei der axSpA zur Diagnostik von peripheren Enthesitiden und Arthritiden. Für das Achsenskelett hat die Sonographie in dieser Fragestellung kaum Bedeutung.
Knochendichtemessung mittels
Dual Energy X-Ray
Absorptiometry (DXA)
Aufgrund der häufigen Komorbidität sollte die Indikation zur Knochendichtemessung (DXA) geprüft werden. Strukturelle Veränderungen an der Wirbelsäule z.B. in Form von Syndesmophyten können die Messwerte an der Lendenwirbelsäule (LWS) fälschlicherweise in die Höhe treiben. Eine Differenz zwischen den T-Werten der LWS im Verhältnis zum Femur sollte im Befund daher besondere Beachtung finden.
Therapie
Das optimale Management für den Patienten mit axSpA besteht aus einer Kombination aus nicht-pharmakologischen und pharmakologischen Maßnahmen. Rehabilitative und invasive Maßnahmen wie Injektionen oder Operationen können im Verlauf notwendig sein. Das gesetzte Ziel ist eine Krankheitsremission und somit die Erhaltung oder Wiedergewinnung der Lebensqualität durch Entzündungshemmung, Funktionserhaltung und die damit verbundene Schmerzreduktion [11].
Einen algorithmischen Überblick über eine medikamentöse Therapiestrategie bei axSpA gibt Abbildung 5 (modifiziert nach ASAS-Empfehlung zur Anwendung von Biologic Disease-modifying Antirheumatic Drugs (bDMARDs) [18]).
Nicht-pharmakologische
Therapiemaßnahmen
Die körperliche Aktivität stellt eine wesentliche Säule im Behandlungskonzept der axialen SpA dar. Regelmäßige Bewegungsübungen (drei- bis viermal pro Woche) wie Thoraxexpansions Training, Widerstandsübungen, Dehnungen und Stabilisationsübungen führen zu einer Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit [24]. Schulungen sind wichtig für das Krankheitsverständnis. Strategien zur eigenständigen Therapieoptimierung (z.B. zur regelmäßigen Bewegungstherapie) und zum Unterlassen negativer lifestyle-Faktoren (z.B. ein konsequenter Nikotinverzicht und das Anstreben eines normalen Körpergewichts bei Adipositas, welche das Achsenskelett sonst zusätzlich mechanisch belastet) können hier vermittelt werden. Informationen zum erhöhten kardiovaskulären Risiko und anderen Komorbiditäten bei unkontrollierter Krankheitsaktivität sollten in das Gesamtverständnis des Entzündungskonzepts einbezogen werden.