Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015
Diagnostik und Behandlung des Polytraumas im Kindesalter
In etwa 20 % der schweren Wirbelsäulenverletzungen handelt es sich um Rückenmarkverletzungen, bei denen keine knöchernen Läsionen der Wirbelsäule festgestellt werden können. Sie werden unter dem Begriff SCIWORA (spinal chord injuries without radiographic abnormalities) zusammengefasst. Die neurologische Symptomatik kann hierbei auch zeitverzögert auftreten. Der neurologische Status des verletzten Kindes sollte deshalb ab dem Unfallzeitpunkt wie auch im Laufe der klinischen Reevaluationen unbedingt dokumentiert werden.
Extremitäten
Extremitätenverletzungen im Rahmen eines Polytraumas beim Kind sind häufig. Sie stehen nach dem Schädel-Hirn-Trauma an zweiter Stelle und beeinflussen das Langzeit-Outcome des Kindes. Aufgrund der höheren Elastizität des kindlichen Knochens sowie der Dicke des Periostes ist auch im Extremitätenbereich für die Entstehung einer Fraktur eine höhere Gewalteinwirkung als beim Erwachsenen erforderlich. Auch ist die Art der Fraktur eine andere, so entstehen eher einfache Frakturen im diaphysären Bereich, während offene und Gelenkfrakturen selten sind. Trotz des prognostischen Werts stehen zunächst im Rahmen der Schockraumversorgung die operative Entlastung eines Schädel-Hirn-Traumas sowie die Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen im Vordergrund. Ist dies erfolgt, haben offene Frakturen, Amputationsverletzungen, Gefäßbeteiligungen und Kompartmentsyndrome Vorrang, alle anderen Extremitätenfrakturen sollten geplant innerhalb der ersten 24–48 h posttraumatisch versorgt werden. Anzustreben ist die primäre definitive Versorgung (Abb. 5, 6). Die am häufigsten vorkommenden diaphysären Frakturen können meistens mit einer elastisch-stabilen intramedullären Nagelung (ESIN) versorgt werden. Bei größerem Weichteilschaden kann die Anlage eines Fixateur externe und Ausbehandlung in demselben erfolgen. Ab dem Adoleszentenalter kommen auch interne Ostesyntheseverfahren in Frage. Die Versorgung der selteneren epi- und metaphysären Frakturen erfolgt in der Regel mittels Kirschner-Draht-Osteosynthese oder der Anlage eines Fixateur externe. Auch hier können je nach Frakturart ab dem Adoleszentenalter interne Osteosynthesen angewendet werden [28].
Interessenskonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Birgit Auner
Klinik für Unfall-, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie
Klinikum der Goethe-Universität
Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main
birgit.auner@kgu.de
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