Übersichtsarbeiten - OUP 06/2024

Die akute VKB-Ruptur
Wann und wie ist der VKB-Repair sinnvoll?

Neben den augmentierten Repairtechniken sind durch verbesserte arthroskopische Techniken und Ankersysteme auch die isolierten Ankerrefixationen eines VKB-Stumpfes weiterentwickelt worden. Hierbei wird der tibiale VKB-Stumpf mit einer arthroskopischen Technik über einen Knochenanker im femoralen Insertionsbereich refixiert. Auf eine zusätzliche Stabilisierung des Kniegelenkes durch einen reißfesten Faden wird in diesem Fall verzichtet [2].

Diese 3 Techniken stellen derzeit das operative Portfolio der VKB-Refixationstechniken dar, mit denen eine ausreichende Primärstabilität des VKB-Repairs erreicht werden soll.

Biologische Heilungsfaktoren

Neben den biomechanischen Herausforderungen werden jedoch auch relevante biologische Faktoren für eine schlechte Heilungstendenz des vorderen Kreuzbandes verantwortlich gemacht.

Insbesondere die Arbeitsgruppe von Martha Murray hat mit Hilfe einiger wichtiger experimentellen Grundlagenstudien aufzeigen können, dass die Synovialflüssigkeit insbesondere durch die hohe Plasminogen-Konzentration ein Fibrin assoziiertes Bridging zwischen den zerrissenen Bandanteilen verhindert [16, 18]. Das Fibrin vermittelte Bridging ist jedoch die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Heilung eines gerissenen Bandes und stellt nach Murrays Vorstellung den entscheidenden Unterschied zur extraartikulären Heilung, z.B. des medialen Kollateralbandes dar.

Um das notwendige Bridging der zerrissenen VKB-Fasern zu ermöglichen, wurde durch die Arbeitsgruppe um Martha Murray eine OP-Technik entwickelt, bei der neben der primären Naht des VKBs dieses mit einem Kollagenschwamm umgeben wurde, der die Fasern vor dem Plasminogen-Milieu schützen und somit ein notwendiges Bridging ermöglichen soll [17, 19, 20]. Es handelt sich hierbei um eine Repairtechnik, bei der das biologische Problem adressiert wurde, jedoch das potenzielle biomechanische Problem neben den reinen Ausziehnähten nicht optimiert wurde. Dieses Verfahren zeigt zwar erste positive klinische Ergebnisse, befindet sich aber noch in den ersten klinischen Erprobungen und ist im deutschsprachigen Raum noch nicht auf dem freien Markt erhältlich [19].

Wann und wie ist der VKB-Repair sinnvoll?

Der Frage, wie sinnvoll ein VKB-Repair ist und vor allem in welchen Fällen dieser indiziert ist, haben sich mittlerweile einige klinische Studien gewidmet. Den Erfahrungen aus den frühen 70er und 80er Jahren folgend sind vor allem langzeitliche Untersuchungen mit über 3–5 Jahren wegweisend und aussagekräftig, da vor allem in diesem Verfolgungszeitraum die Rerupturquoten der Kreuzbandnähte hochsignifikant angestiegen sind.

Allerdings konnten bereits für einen Beobachtungszeitpunkt von 2 Jahren viele klinische Studien signifikant erhöhte Rerupturquoten im Vergleich zur VKB-Rekonstruktion aufzeigen.

Patientenselektion

Nach Analyse aller verfügbaren Studien der dynamischen und statisch augmentierten VKB-Repairtechniken zeigt sich eine große Bedeutung der adäquaten Auswahl der/des passenden Patientin/Patienten für die Durchführung einer VKB-Repairtechnik. Die wichtigste Limitation der Repairtechniken sind die in den meisten Studien festgestellte erhöhte Reruptur oder Versagerquoten. Es konnten jedoch in einigen Studien wichtige Parameter herausgearbeitet werden, die Einfluss auf das Rerupturrisiko nach einem VKB-Repair haben.

Rupturform

Die genaue Rupturform des vorderen Kreuzbandes hatte bislang bei alleiniger Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes eine untergeordnete Bedeutung und wurde somit in der klinischen Routine bis auf die Differenzierung in Teil- und Vollrupturen nicht genauer analysiert. Für die Indikationsstellung zum VKB-Repair scheint die genaue Beschaffenheit des Stumpfes jedoch eine große Rolle zu spielen. Mehrere Studien konnten eine signifikante Reduktion der Rerupturquote zeigen, sofern die Ruptur möglichst proximal, aus einem einzelnen Strang und mit intaktem Synovialschlauch gerissen ist (Typ A1.1.-Ruptur) (Abb. 4) [7].

Ateschrang et al. konnten in einer Subgruppenanalyse eine Reduktion der Versagerquote von etwa 27 % in der Gruppe der VKB-Stümpfe mit zerstörtem Synovialschlauch und mindestens 2 Bündeln auf 4 % in der „Einbündel“- und intaktem Synovialschlauch-Gruppe feststellen [3].

Krismer et al. konnten einen günstigen Einfluss auf die Rerupturquoten zeigen, wenn die Ruptur proximal gelegen ist [12].

Wichtige Voraussetzung für eine gute Indikationsstellung ist natürlich die zuverlässige radiologische Beurteilung der Rupturform. Diese konnten jedoch durch von van der List et al. bestätigt werden (Abb. 5) [13, 24].

Somit kann durch eine adäquate MRT-Bildgebung eine sichere Klassifikation des VKB-Stumpfes erfolgen und damit die Heilungschancen eines VKB-Repairs antizipiert werden.

Alter und Aktivität der Patientinnen und Patienten

Weitere wichtige Prädiktoren, die Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit einer VKB-Repairtechnik haben sind das Alter und das Aktivitätsniveau der Patientinnen und Patienten.

Krismer et al. konnten in ihrem Kollektiv zeigen, dass eine Aktivität mit einem Tegner-Score < 7, einem Patientenalter über 30 Jahren und einer Ruptur im proximalen Bereich des VKB die Rerupturquote signifikant auf 3,9 % gesenkt werden konnte [12].

Einen hoch signifikanten Einfluss auf das Rerupturrisiko konnten Gagliardi et al. aus ihrer Studie erschließen, bei der sie jugendliche Patientinnen und Patienten (7–18 Jahre alt) nach Repair mit der Internal Brace-Technik mit einer Kontrollgruppe des selben Alters nach Rekonstruktion mit einer Quadricepsehnen-Knochenblock-Technik verglichen haben [5]. Während die Repair-Gruppe nach einem Follow-up von 3 Jahren in 48,8 % der Fälle eine Reruptur erlitten hatten, so konnte eine Reruptur in der Rekonstruktionsgruppe nur bei 4,7 % der jungen Patientinnen und Patienten festgestellt werden. In dieser besonders jungen und aktiven Patientengruppe lag somit nach Repair ein zehnfach erhöhtes Rerupturrisiko vor [5].

Die derzeit wissenschaftlich hochwertigste Studie ist die Studie von Glasbrenner et al., bei der mit einem prospektiv randomisierten Studiendesign (Level 1) nach einem 5-jährigen Follow-up VKB-Repair-Patientinnen und -Patienten mit dem Ligamys-System mit Patientinnen und Patienten nach einer Rekonstruktion mit Semitendinosussehne verglichen wurden [6].

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