Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Die arthroskopische Therapie der kombinierten Läsion des vorderen, oberen und des hinteren Labrums der Schulter – ein systematischer Review

M. von Knoch1, W. Schultz2

Zusammenfassung : Im Rahmen eines systematischen Reviews wurden die zur Verfügung stehenden Informationen über die arthrokopische Therapie der kombinierten
Läsion des vorderen, oberen und hinteren Labrums der Schulter zusammengetragen. Der Evidenzlevel der untersuchten Studien war mit maximal Level IV niedrig. Die korrekte präoperative Diagnosestellung gelang in bis zu 87 % der Fälle kernspintomografisch nicht. Die kombinierte Läsion trat in bis zu 3,6 % der Fälle aller arthroskopischen Labrumrefixationen auf. Im Wesentlichen sind die Ergebnisse nach Operation als gut zu bezeichnen. In bis zu 11 % der Fälle ist aber mit
einer persisitierenden Instabilität zu rechnen. Reoperationen aufgrund verschiedener Komplikationen wie Schultersteife, Bizepssehnenproblemen, persistierender Instabilität oder Omarthrose kommen in bis zu 15 % der Fälle vor.

Schlüsselwörter: Schulter, Arthroskopie, Instabilität, Labrumläsion, kombiniert, vordere, obere, hintere

Abstract: A systematic review was performed to collect the available evidence on arthroscopic treatment of combined lesions of the anterior, superior and posterior labrum of the shoulder. The level of evidence of the retrieved studies was low with a maximum of level IV. Using MRI the correct diagnosis was missed preoperatively in up to 87 %. Combined labral lesions had an incidence of up to 3,6 % of all cases of labral repair. In general, clinical results can be expected to be good. Persisting instability can be expected in up to 11 % of cases. Revision surgery due to different complications like stiffness, biceps tendon problems, persisting instability or
osteoarthritis is required in up to 15 % of cases.

Keywords: shoulder, arthroscopy, instability, labral lesion,
combined, anterior, superior, posterior

Einleitung

Die kombinierte Läsion des vorderen, hinteren und oberen Labrums, bzw. des Bizepsankers der Schulter wurde erstmalig 2005 von Lo und Burkhart beschrieben und “Triple Labral Lesion” genannt [1]. Solche kombinierten Läsionen des Labrums kommen relativ selten vor. Ziel dieser Arbeit war es, anhand eines systematischen Reviews die bereits zur Verfügung stehenden Informationen über Vorkommen, Diagnostik, Therapie und zu erwartende Ergebnisse nach arthroskopischer Therapie der kombinierten Läsion des vorderen, oberen und hinteren Labrums zusammenzutragen.

Material und Methode

Im Oktober 2012 wurde eine systematische Durchsicht der U. S. National Library of Medicine/National Institutes of Health (PubMed) Datenbank durchgeführt. Als Suchwörter dienten „shoulder“, „labral“ und „triple“. Hiermit konnten 4 Treffer generiert werden. Mit den Suchwörtern „shoulder“, „labral“ und „circumferential“ konnten 6 Treffer generiert werden. Anhand der Durchsicht der Abstracts konnten 4 Artikel identifiziert werden, die sich spezifisch mit den Ergebnissen nach arthroskopischer Versorgung von kombinierten Läsionen des Bizepsankers und des vorderen und hinteren Labrums beschäftigten. Eine Arbeit beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der chirurgischen Technik (Tokish et al. 2010), wobei die klinischen Ergebnisse des gleichen Kollektivs bereits vorab an anderer Stelle veröffentlicht wurden [2]. Die Arbeit zur Beschreibung der chirurgischen Technik wurde nicht weitergehend analysiert. Die verbliebenen 4 Artikel wurden detailliert analysiert (s. Tabelle 1). In 4 Fällen lag eine Level-IV-Studie vor [1, 3, 4, 5]. Der Artikel von Dickens et al. [5] war lediglich ein Fallbericht mit 3 Fällen. Somit lag die Fallzahl pro Arbeit zwischen 3 und 44 Fällen. Wegen der heterogenen Patientenkollektive wurde auf eine detaillierte quantitative und statistische Analyse im Sinne einer Metaanalyse verzichtet. Es wurde lediglich qualitativ deskriptiv analysiert.

Originalarbeiten und
Fallberichte

Lo und Burkhart [1] veröffentlichten 2005 einen Bericht über 7 Fälle mit kombinierten Läsionen des vorderen, oberen (= Bizepsanker) und hinteren Labrums (Level IV). Der Anteil dieser kombinierten Läsion an der Gesamtzahl aller operierten Fälle mit Labrumläsion betrug bei diesen Autoren 2,4 %. Das mittlere Alter lag bei 25 ± 7,3 Jahren (Bereich 17–36 Jahre). In allen Fällen lag ein traumatisches Erstereignis zugrunde. Die klinische Untersuchung zeigte in allen Fällen ein positives Apprehensionszeichen. Die Bizepssehnentests (Speed-Test, O’Brien-Test und Jobe-Relocation-Test) waren negativ oder zweideutig. In 3 Fällen zeigte sich bei der Untersuchung eine erhöhte hintere Translation. In 2 Fällen war bereits zuvor eine Stabilisierungsoperation durchgeführt worden. In allen 7 Fällen wurde die Indikation zur Operation nach vergeblicher konservativer Therapie gestellt. Die Operation erfolgte in Seitlage. An speziellen Portalen wurden ein tiefes vorderes und ein tiefes hinteres Portal sowie ein Portal nach Wilmington verwendet. In allen 7 Fällen fanden sich kombinierte Läsionen des vorderen, oberen und hinteren Labrums. In 2 Fällen lag eine komplette zirkumferente Labrumläsion vor. In 6 Fällen lag eine Hill-Sachs-Läsion, in einem Fall eine reverse Hill-Sachs-Läsion vor. Alle Hill-Sachs-Läsionen konnten als non-engaging klassifiziert werden. In allen Fällen wurde eine Labrumrefixation durchgeführt. Die mediane Zahl der Fadenanker betrug 7 (Bereich 5–9 Anker). Postoperativ trugen die Patienten für 4 Wochen eine Schlinge und erhielten im Verlauf Physiotherapie. Nach mittleren 12,7 Monaten waren 6 von 7 Patienten mit dem Operationsergebnis zufrieden. In keinem Fall lag eine erneute Instabilität vor. Das Apprehensionszeichen war in allen Fällen negativ. In 2 Fällen beklagten die Patienten noch leichtere Beschwerden bei längeren Belastungen. In einem Fall lag ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis vor. Der Patient beklagte weiterhin Schmerzen und entwickelte im Verlauf eine Arthrose, welche mit einer Hemiarthroplastik behandelt wurde.

SEITE: 1 | 2 | 3