Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013
Die arthroskopische Therapie der kombinierten Läsion des vorderen, oberen und des hinteren Labrums der Schulter – ein systematischer Review
Tokish et al. [3] berichteten 2009 über 41 Fälle von zirkumferenten Labrumläsionen bei 39 Patienten in einer Multicenter-Studie an US-amerikanischen Militärbeschäftigten (Level IV). Die Einschlusskriterien waren die intraoperative Sicherung einer zirkumferenten Labrumläsion und die präoperative Dokumentation von Schulterscores. Das Durchschnittsalter lag bei 25,1 Jahren. 34 Patienten waren männlich und 5 Patienten waren weiblich. Die primäre klinische Diagnose war in allen Fällen Schulterschmerz mit rezidivierender Schulterinstabilität. In allen Fällen lag ein traumatisches Erstereignis vor. Die klinische Untersuchung zeigte in 39 von 41 Fällen ein positives Apprehensionszeichen. In allen Fällen zeigte sich eine Kraftreduktion beim O’Brien-Test. Das Sulcuszeichen war in allen Fällen negativ. Die Operation erfolgte in Seitenlage. In allen Fällen zeigte sich eine zirkumferente Labrumläsion, in einem Fall zeigte sich zusätzlich noch ein vorderer oberer radialer Labrumriss. Das Labrum wurde mit Fadenankern refixiert. Die mittlere Anzahl der Fadenanker betrug 7,1. Postoperativ erfolgte eine Ruhigstellung auf einem Abduktionskissen für 6 Wochen. Für diesen Zeitraum wurde die Schulter lediglich passiv beübt. Hiernach dann zunehmend aktiv. Eine Wiederaufnahme aller Aktivitäten ohne Einschränkung erfolgte nach 6–9 Monaten postoperativ. Nach mittleren 31,8 Monaten ergab sich eine signifikante Verbesserung hinsichtlich u.a. des Schmerzscores, des Instabilitätsscores, des ASES-Scores und des Short-Form-12-Scores. In 6 Fällen (15 %) musste eine Revisionsoperation wegen Instabilität (5 %), persistierender Bizepstendinitis (5 %) oder Schultersteife (5 %) durchgeführt werden. Die Autoren stellten fest, dass durch eine einfache Kernspintomografie ohne Kontrastmittel die Diagnosestellung einer zirkumferenten Labrumläsion kaum möglich sei. Alle Patienten erreichten den gleichen Aktivitätslevel wie präoperativ. Die Autoren schlussfolgerten aufgrund der Krankengeschichten, dass die zirkumferente Labrumläsion am ehesten eine Ausdehnung der vorderen Instabilität darstellt. In einigen Fällen könne allerdings auch eine hintere Instabilität ursächlich sein und sich zusätzlich zur vorderen Instabilität ausdehnen. Die Autoren betonten, dass in allen Fällen mindestens 5 Luxationen vor der Operation stattgefunden hatten. Die Autoren betonten zusätzlich, dass alle Patienten neben der Instabilität auch Schulterschmerzen beklagten. Dies war auch dann der Fall, wenn in der letzten Zeit keine erneute Luxation aufgetreten war. Die Autoren empfahlen, dass bei multiplen stattgehabten Schulterluxationen mit ausgeprägten Schmerzen ohne ein kürzlich stattgehabtes Luxationsereignis und bei positiven Tests für vordere, hintere und obere Schulterinstabilität eine zirkumferente Labrumläsion als Differenzialdiagnose in Erwägung gezogen werden sollte.
Ricchetti et al. [4] berichteten 2012 über 58 Fälle mit panlabralen Läsionen (Level IV). Die Inzidenz der panlabralen Läsion im Verhältnis zu allen Labrumläsionen, die in dem Untersuchungszeitraum von den Autoren behandelt wurden, lag bei 3,6 %. Die Autoren definierten die panlabrale Läsion als Läsion des vorderen, oberen und hinteren Labrums. Insgesamt waren mehr als 270° des glenoidalen Labrums betroffen. Zur Auswertung gelangten 44 Patienten, bei denen ein minimaler Follow-up von 16 Monaten vorlag. Das mittlere Alter dieser Patienten lag bei 32 Jahren (Bereich 15 bis 55 Jahre). In 40 % der Fälle wurden lediglich Schulterschmerzen beklagt, in 14 % der Fälle lediglich ein Instabilitätsproblem. Kombinierte Schmerzen und Instabilität lagen in 45 % der Fälle vor. In 40 Fällen lag präoperativ eine kernspintomografische Untersuchung vor. In 22 Fällen eine konventionelle Kernspintomografie, in 18 Fällen ein kernspintomografisches Arthrogramm. Lediglich in 5 von 40 Fällen wurde präoperativ eine kombinierte Läsion des vorderen, hinteren und oberen Labrums erkannt. In 2 Fällen war dieses bei einem konventionellen Kernspintomogramm der Fall, in 3 Fällen bei einem kernspintomografischen Arthrogramm. Für die Operation wurde in 35 Fällen eine Beach-chair-Lagerung, in 9 Fällen eine Seitenlagerung durchgeführt. Als spezielle Zusatzportale wurden ein anterosuperolaterales und ein zusätzliches posterolaterales Portal verwendet. Die mittlere Anzahl von Fadenankern zur Refixation des Labrums lag bei 7,9 (Bereich 5–12). Intraoperative Komplikationen traten nicht auf. In 13 Fällen (30 %) traten Komplikationen im postoperativen Verlauf auf. In einem Fall kam es zu Sekretion aus einem Hautportal, welche konservativ therapiert werden konnte. In 6 Fällen (14 %) kam es zur postoperativen Schultersteife, in einem Fall wurde 6 Monate postoperativ eine arthroskopische Kapsulotomie durchgeführt. Die Gesamtzahl der Reoperationen lag bei 3 (7 %). In 5 Fällen (11 %) trat ein erneutes Instabilitätsereignis auf. Lediglich in einem Fall (2 %) musste aufgrund der Instabilität eine erneute Labrumrefixation durchgeführt werden. Die Autoren schlussfolgerten, dass nach der arthroskopischen Refixation der vorderen, oberen und hinteren Labrumläsion mit guten klinischen Ergebnissen gerechnet werden kann. Die Autoren betonten, dass die panlabrale Labrumläsion bei älteren Patienten eher durch Schmerzen symptomatisch wird. Eine positive Anamnese für Instabilitätsereignisse müsse nicht vorliegen. Die postoperativen Ergebnisse ergaben keine signifikanten Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Patienten. Ebenso ergaben sich keine signifikanten Unterschiede für die Patienten, die präoperativ lediglich Schmerzen, aber keine Instabilität beklagten. Die Autoren betonten, dass die panlabralen Läsionen kernspintomografisch häufig übersehen wurden, dies sowohl mit und ohne Arthrogramm. Die Autoren betonten, dass Schulterchirurgen imstande sein sollten, panlabrale Läsionen versorgen zu können. Die Autoren gingen davon aus, dass degenerative Veränderungen nach Versorgung von panlabralen Läsionen nicht auszuschließen sind. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Patient 4 Jahre nach Schulterarthroskopie mit einem Schultergelenksersatz versorgt.