Übersichtsarbeiten - OUP 04/2025

Die Behandlung des Hallux valgus
Ein praktischer Leitfaden

Proximale Korrekturen am Metatarsale 1 können öffnend (open wedge) oder schließend (closed wedge) erfolgen, wobei wegen des Längenverlustes das schließende Verfahren vermieden werden sollte [28]. Sonderformen sind die bogenförmige (crescentic) und die v-förmige (proximale Chevron-) Osteotomie. Die proximale open wedge-Osteotomie ist das einzige Korrekturverfahren, welches sich primär verlängernd auswirkt. Es sollte nur dann Anwendung finden, wenn das Großzehengrundgelenk keine deutliche Arthrose aufweist, da diese OP-Technik zu einem erhöhten Gelenkdruck führt [29]. Aus diesem Grund ist es ein gutes Verfahren bei einer fortgeschrittenen Fehlstellung junger Betroffener. Sie muss ebenfalls mit dem distalen Weichteileingriff kombiniert werden [22]. Das postoperative Ziel entspricht dem der Chevron-Osteotomie. Das Ausmaß der Korrektur ist etwas höher als bei der distalen und diaphysären Korrektur [30].

TMT-1-Korrekturarthrodese

Die TMT-1-Arthrodese (oder modifizierte Lapidus-Arthrodese) ist der klassische Eingriff bei großem IM-1–2-Winkel und/oder einer TMT-1-Instabilität sowie bei TMT-1-Arthrose [31]. Auch sie ist mit dem distalen Weichteileingriff zu kombinieren [22]. Das Korrekturausmaß ist unbegrenzt, wobei versucht werden muss, den Längenverlust des Metatarsale 1 so minimal wie möglich zu halten, um keine Transfermetatarsalgie zu provozieren [32]. Zudem müssen die dort befindlichen sehnigen Strukturen (TA-Sehne, TP-Sehne, PL-Sehne) beachtet werden. Eine Rotation des Metatarsale 1 wie auch ein zu kleiner IMA sind zu vermeiden.

MIS-Technik

Inzwischen stellt die minimalinvasive Vorfußchirurgie einen relevanten Baustein möglicher Korrekturmaßnahmen dar. In den 1970er Jahren etabliert, wurden die Operationstechniken Ende der 1980er Jahre durch Isham standardisiert [33]. In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Techniken zur minimalinvasiven Hallux valgus-Korrektur entwickelt [35]. Aktuell wird die 3. Generation – die MICA (Minimalinvasive Chevron- und Akinosteonomie) – praktiziert, die die Vorteile extraartikulärer Osteotomien mit einer stabilen internen Fixation und einem höheren Korrekturpotenzial als die gleichartigen offenen Verfahren vereint [35–37]. Nachteil dieser Technik ist die flache Lernkurve, da ohne direkte Sicht gearbeitet wird. Zudem besteht eine höhere Strahlenbelastung trotz protektiver Maßnahmen [38, 39].

Fallstricke

Pes planovalgus und
Hallux valgus

Bei Vorliegen einer Rückfußfehlstellung mit deutlichem Fersenvalgus, too many toe sign und ungenügender Korrektur der Ferse im Zehenspitzenstand und einem gleichzeitigen Hallux valgus wird eine alleinige Vorfußkorrektur schnell zum Rezidiv führen, da der Kraftfluss vom Rück- zum Vorfuß die Zehen in eine neuerliche laterale Abweichung zwingt (Abb. 3). In diesem Fall muss der Rückfuß in einer ersten Operation oder gemeinsam mit dem Vorfuß korrigiert werden.

Metatarsus adductus

Ein metatarsus adductus liegt vor, wenn sich nicht nur ein metatarsus primus varus findet, sondern die nachfolgenden Metatarsalia 2 bis 3 oder 4 ebenfalls varisch stehen (Abb. 4). Bei dieser anatomischen Besonderheit ist der IMA meist gering- bis nur mittelgradig vergrößert. In diesen Fällen muss zum Ermitteln des korrekten IMA das Metatarsale 2 virtuell orthograd in Relation zum Metatarsale 1 gemessen werden. Dann erst offenbart sich das Ausmaß der Fehlstellung des ersten Strahles. Dessen alleinige Korrektur kann nicht erfolgreich sein, da die komplette Pathologie adressiert werden muss, um den ersten Strahl vollständig korrigieren zu können. Bei alleiniger Korrektur des ersten Strahles bei dieser Befundkonstellation resultiert ein Hallux valgus-Rezidiv.

Vergrößerter IM-1-2-Winkel ohne Inkongruenz im
MTP-1-Gelenk

Selten ist radiologisch ein vergrößerter IMA ohne oder mit nur geringer Diskrepanz zwischen den Sesambeinen und dem Metatarsale-1-Kopf (Abb. 5) zu messen. Der Großzeh steht im Grundgelenk meist in nur leicht valgischer Stellung. In diesem Fall sollte primär die Korrektur am TMT-1-Gelenk ohne Weichteileingriff am Großzehengrundgelenk erfolgen, da sonst ein Hallux varus oder eine postoperative Bewegungseinschränkung am Großzehengrundgelenk resultieren könnte.

Instabilität TMT-1-Gelenk

Es ist schwierig, präoperativ die Stabilität des TMT-1-Gelenks zu verifizieren. Hilfreich ist hier die Beurteilung der Standaufnahme im seitlichen Strahlengang. Sollte hier ein plantares Aufspreizen des TMT-1-Gelenkes zu sehen sein (Abb. 6), ist primär die TMT-1-Arthrodese zu favorisieren. Bei übersehener TMT-1-Gelenk-Instabilität droht ein Hallux valgus-Rezidiv.

Hallux valgus interpahlangeus

Unter einem Hallux valgus interphalangeus wird eine Abkippung des Endgliedes der Großzehe nach fibular in Relation zum Grundglied verstanden. In seltenen Fällen kann diese Deformierung ohne einen Hallux valgus auftreten. Meist findet sich eine Delta-Phalanx des Grundgliedes der Großzehe und zusätzlich ein Hallux rigidus (Abb. 7). Bei einer solchen Konstellation darf lediglich eine Korrektur im Bereich des Grundgliedes in Form einer medialbasigen Keilentnahme (Akin-Osteotomie) erfolgen. Eine Korrektur im Bereich des Metatarsale 1 würde zu einer Überkorrektur und damit zu einem Hallux varus führen.

Fatales im Allgemeinen

Es sollte nicht übermäßig die Pseudoexostose am Metatarsale 1-Kopf abgetragen werden. Die mediale Rinne am Metatarsale 1-Kopf ist die physiologische Barriere für das mediale Sesambein [41]. Wird darüber hinaus am Metatarsale 1-Kopf reseziert, droht der Hallux varus [42]. Es sollte auch nicht nur durch massiven Zug an der medialen Gelenkkapsel die Reposition der Sesambeine herbeigeführt werden. Die Devise lautet: Kopf folgt Sesambein und nicht umgekehrt. Unter Belastung wird sich die Stellung zwischen Metatarsale 1-Kopf und den Sesambeinen wieder verschlechtern und die massive Raffung der Gelenkkapsel führt zu einem rigiden Gelenk. Zum dritten sollten die angrenzenden Weichteile am Metatarsale 1-Kopf in Höhe des Überganges vom Kopf zum Schaft nicht angerührt werden. In diesem Bereich liegen wichtige Gefäßstrukturen. Deren Irritation kann zu einer Nekrose des Metatarsale 1-Kopfes führen. Gleiches ist zu befürchten, wenn die Chevron-Osteotomie zu weit distal erfolgt (Abb. 8) [43].

Organisatorische Empfehlungen

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