Übersichtsarbeiten - OUP 01/2020

Die distale Radiusfraktur

Nach Stabilisation des Radius ist, gleich ob ein zusätzlicher Abriss des Processus styloideus ulnae (PSU) vorliegt oder nicht, die Stabilität des distalen Radioulnargelenkes zu prüfen und ggf. wiederherzustellen. Bei Abriss des TFCC an seiner Anheftung in der Fovea ulnaris wird dieser transossär refixiert. Danach bedarf es der Ruhigstellung im Oberarmgipsverband für 6 Wochen. Liegt eine Fraktur an der Basis des PSU mit Instabilität des DRUG vor, wird der PSU refixiert, sei es mittels Zuggurtung oder einer Spezialplatte. Frakturen des Ulnakopfes fixieren wir stets, bedarf es ansonsten einer Ruhigstellung im Oberarmgipsverband. Da selbst filigrane Platten zur Fixation des PSU Beschwerden beim Auflegen der Hand auf die ulnare Handkante bereiten, müssen sie meist entfernt werden.

Am Ende jeder Operation ist per Röntgendurchleuchtung das radiologische Ergebnis zu dokumentieren. Zum Nachweis, dass keine intraartikuläre Schraubenfehllage besteht, ist dabei für die dorso-palmare Aufnahme der Unterarm um 10–15° und für die seitliche Röntgenaufnahme um 20–25° anzuheben. Hierdurch trifft der Zentralstrahl jeweils parallel auf den radiokarpalen Gelenkspalt. Zum Nachweis, dass die distalen Schrauben bei palmarer Plattenosteosynthese den Radius nicht dorsal penetrieren, muss der Röntgenstrahl parallel zur Unterarmlängsachse ausgerichtet werden. Hierzu wird der Unterarm supiniert und das Handgelenk flektiert. Ist es möglich die Durchleuchtungsaufnahmen digital zu speichern oder zumindest auf Papier auszudrucken, bedarf es nicht zwingend postoperativ während des stationären Aufenthaltes einer erneuten Röntgenuntersuchung. Bei aufwendigen Gelenkrekonstruktionen empfiehlt es sich, auch postoperativ eine CT durchzuführen.

Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es nach plattenosteosynthetischer Versorgung einer distalen Radiusfraktur zusätzlich einer Gipsruhigstellung bedarf. Da die allermeisten Patienten doch anfangs Schmerzen beklagen, nehmen wir regelhaft kurzfristig eine Ruhigstellung vor. Gleich ob mit oder ohne zusätzlicher Ruhigstellung muss sichergestellt werden, dass die Patienten am Tage nach der Operation mit Fingerübungen begingen und vor Entlassung die Finger vollstrecken und die Faust voll schließen können.

Dorsale Platten und Brückenplatten entfernen wir regelmäßig nach knöcherner Konsolidierung 4–6 Monate postoperativ. Oft ist gleichzeitig eine Strecksehnen- und nach aufwendigen Gelenkflächenrekonstruktionen auch eine Gelenklösung erforderlich. Palmare Platten können, so es keinen Hinweis auf eine Irritation der Beugesehnen gibt, belassen werden.

Begleitverletzungen

Begleitverletzungen distaler Radiusfrakturen betreffen das distale Radioulnargelenk und die distale Ulna, Bänder und Knochen der Handwurzel, Nerven und Sehnen. Sie können, insbesondere, wenn sie primär übersehen und/oder nicht behandelt werden, das klinische Ergebnis negativ beeinflussen und sind sekundär nicht immer folgenlos zu therapieren.

Während Irritationen des N. ulnaris im Rahmen distaler Radiusfrakturen extrem selten sind, kommen Beeinträchtigungen des N. medianus mit einer Häufigkeit von 0,2–21,3 % sehr häufig vor [19]. Während es keine Empfehlung gibt, ob man ein vorbestehendes Karpaltunnelsyndrom ohne Verstärkung der Symptomatik im Rahmen der operativen Behandlung einer distalen Radiusfraktur mitangehen soll, besteht Einigkeit bei neu aufgetretener oder seit dem Unfall verstärkter vorbestehender Symptomatik den Karpalkanal zu dekomprimieren. Erfolgt die Stabilisation der Fraktur über einen Henry-Zugang, ist es ratsam über dem Karpalkanal einen gesonderten Hautschnitt anzulegen, um nicht durch Verbindung beider Inzisionen den R. palmaris des N. medianus zu gefährden. Ist die Fraktur für eine konservative Behandlung geeignet und die Karpaltunnelsymptomatik nicht sehr ausgeprägt, kann man einige Tage zuwarten, hoffend, dass mit Rückgang der Schwellung sich die Beschwerden zurückbilden. Sieht man sich aufgrund einer ausgeprägten akuten oder persistierenden Medianussymptomatik gezwungen den Karpalkanal zu dekomprimieren, ist es durchaus sinnvoll auch die Fraktur zu stabilisieren.

Da die Unfallmechanismen distaler Radiusfrakturen und knöcherner sowie ligamentärer Verletzungen des Karpus identisch sind, wundert es nicht, dass Handwurzelfrakturen und -bandverletzungen häufige Begleitverletzungen distaler Radiusfrakturen sind. Eigene Untersuchungen zeigten mehr, jedoch nicht signifikant mehr Rupturen des skapholunären Bandes bei komplett als bei partiell intraartikulären Frakturen [18]. Letztlich muss man bei jeder distalen Radiusfraktur, auch bei extraartikulären, nach Zeichen einer skapholunären Bandverletzung suchen. Hinweise geben bereits die Projektionsaufnahmen des Handgelenkes. Verläuft der Frakturspalt einer intraartikulären Fraktur auf den Gelenkspalt zwischen Skaphoid und Lunatum aus, so ist dies unabhängig von der Weite des SL-Spaltes, erst recht jedoch bei erweitertem Spalt verdächtig auf eine Verletzung des SL-Bandes. Bei Extensionsfrakturen folgt das Lunatum der Radiusgelenkfläche in die Verkippung nach dorsal. Übersteigt der radiolunäre Winkel den seitlichen Gelenkwinkel der Radiusgelenkfläche um mehr als 10°, ist dies ebenfalls verdächtig auf eine SL-Bandruptur. Wurde präoperativ nicht mittels Arthro-CT bei intraartikulären Frakturen Bandverletzungen ausgeschlossen und erfolgt keine zusätzliche Arthroskopie des Handgelenkes, sollte man bei der abschließenden Röntgendurchleuchtung auf Zeichen einer SL-Läsion achten (Verkippung des Lunatums in die Extensionsstellung bei korrekter dorsopalmarer Inklination der Radiusgelenkfläche, Unterbrechung des Bogens der proximalen Handwurzelreihe, erweiterter SL-Spalt) und eine Traktionsaufnahme vornehmen [28]. Komplettrupturen sowie Rupturen des biomechanisch wichtigen dorsalen Anteils des SL-Bandes bedürfen der operativen Versorgung mittels Naht, Sicherung der Naht mittels Transfixation von Skaphoid und Lunatum sowie Skaphoid und Kapitatum und ggf. Bandverstärkung durch eine Kapsulodese.

Es besteht Einigkeit, dass bei dislozierten Frakturen des Skaphoids sowie bei allen Frakturen des proximalen Skaphoidpols Operationsindikation besteht. Da die Zeit bis zur knöchernen Heilung einer undislozierten Skaphoidfraktur deutlich länger sein kann als die einer Radiusfraktur, empfiehlt sich zumindest bei operationspflichtigen Radiusfrakturen auch die undislozierte Kahnbeinfraktur anzugehen.

Komplikationen

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