Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016
Die endoprothetische Versorgung zerstörter Hüftgelenke bei juvenilen rheumatischen Erkrankungen*
Trotz des meist jungen Alters besteht bei Patienten mit JIA zum Zeitpunkt einer erforderlichen Versorgung mit einem Kunstgelenk praktisch regelhaft eine Minderung des Mineralsalzgehalts des Knochens. Diese ist zum einen Folge der entzündlichen Aktivität selbst, zum anderen einer vielfach doch verminderten körperlichen Betätigung (z.B. bei hoher Krankheitsaktivität oder generalisierten Funktionsdefiziten oder Ko-Morbiditäten) und der oft begleitenden Glukokortikoidtherapie [4].
Weitere Folgen der chronisch entzündlichen Aktivität und der Kortisongaben bei Kindern und Jugendlichen sind Wachstumsstörungen oder ein vorzeitiger Epiphysenfugenschluss, mit einer resultierenden verminderten Körpergröße im Erwachsenenalter [26, 29]. Am Hüftgelenk werden durch vermehrtes oder vermindertes Wachstum ganz verschiedene Fehlstellungen (Coxa magna mit Verkürzung des Schenkelhalses und Varusdeformität, Coxa valga antetorta gelegentlich mit Subluxationsstellung, Azetabulumprotrusionen) beobachtet. Durch diese anatomischen Besonderheiten kann die Implantation einer Hüftendoprothese technisch und in der Wahl der Implantate erschwert sein, gelegentlich wird dann das Anfertigen von Individualprothesen (Fallbeispiel 1, Abb. 1–2) notwendig.
Nicht selten besteht bei Patienten mit JIA gleichzeitig ein Befall des ipsilateralen Kniegelenks oder aber auch des kontralateralen Hüftgelenks. Bei entsprechend fortgeschrittenem Befund kann es vorkommen, dass mehrere Operationen notwendig sind, um die Gehfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei bewegen uns 2 Gedanken – der eine besteht im möglichst schnellen Schaffen der Standfähigkeit eines Beins (Knie/Hüfte), wenn die Indikation an den Gelenken gleichwertig und eindeutig gegeben ist, der andere im Ersparen von mehreren Operationen und Aufwand für den Patienten. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, simultan eine beidseitige Hüftendoprothesenimplantation (Fallbeispiel 2, Abb. 3–4) oder simultan eine ipsilaterale Hüft- und Knieprothesenimplantation (Fallbeispiel 3, Abb. 5–9) anzubieten und durchzuführen. Für die Patienten bedeutet dies dann insgesamt nur einen Krankenhausaufenthalt und nur eine Rehabilitationsphase. Ist ein solches Vorgehen medizinisch nicht möglich oder wird es von den Betroffenen nicht gewünscht, wäre ggf. ein sequenzielles Vorgehen indiziert. Das perioperative Risiko und der zeitliche Aufwand unterscheiden sich, anhand von Veröffentlichungen bei degenerativen TEP-Versorgungen, beim einzeitigen (etwas höher für eine beidseitige Versorgung, bzw. die Implantation mit 2 TEPs) nicht wesentlich von dem beim zweizeitigen Vorgehen (niedriger für die eine TEP, jedoch insgesamt höher bei 2 TEPs in 2 Aufenthalten) [23].
Aufgrund des Befalls mehrerer Gelenke kann die postoperative Mobilisation erschwert sein. Im Vorfeld der vorgesehenen chirurgischen Intervention sollte deshalb mit den Patienten und ggf. auch deren Eltern, Physiotherapeuten und Orthopädietechnikern über die Nachbehandlung gesprochen werden und erforderliche Hilfsmittel (z.B. „Arthritis“-Gehstützen mit Ellenbogenauflage oder Achselgehstützen) bestellt und deren Benutzung trainiert werden.
Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben ein erhöhtes Infektionsrisiko. Das Risiko für eine septische Arthritis ist, unabhängig von der Therapie, die die Patienten erhalten, 4–15-fach höher als in der Allgemeinbevölkerung [9, 14]. Um das Infektrisiko im Hinblick auf eine geplante Prothesenimplantation zu minimieren, sollte die Glukokortikoiddosis präoperativ so weit wie möglich reduziert werden. DMARDs sollten nicht generell pausiert werden, da dies wiederum das Risiko eines Schubs der Grunderkrankung mit negativen Auswirkungen auf die postoperative Mobilisierung des Patienten birgt [5]. Beispielsweise wird Methotrexat (MTX) seit vielen Jahren perioperativ nicht mehr abgesetzt, da sich erhöhte Infektraten unter Methotrexat-Einnahme in zahlreichen Studien nicht bestätigt haben [20, 21, 25]. Dagegen ist ein Absetzen von MTX um den Zeitpunkt der Operationen herum mit einer Erhöhung der Rate an bakteriell induzierten Entzündungen vergesellschaftet. Anders dagegen der Pyrimidin-Synthesehemmer Leflunomid, insbesondere in Kombination mit MTX: Dieses Medikament sollte vor infektionsanfälligen knochenchirurgischen Eingriffen (z.B. große rekonstruktive Eingriffe an Fuß- oder Ellenbogen-TEPs) pausiert und rechtzeitig (zwischen 3–10 Tagen präoperativ mit Cholestyramin (3x 1 Btl./d) ausgewaschen werden [6].
Gesicherte Erkenntnisse zu besonderen Gefahren oder gar Leitlinien zum perioperativen orthopädisch-rheumatologischen Umgang mit Biologika gibt es nicht. Galloway et al. untersuchten das Risiko einer spontanen septischen Arthritis (ohne operative Intervention, aber auch Prothesenpatienten inbegriffen) bei Patienten mit rheumatoider Arthritis in Bezug auf eine TNF-?-Inhibitor-Therapie und verglichen 11.881 Patienten unter der immunmodulierenden TNF-?-Blockerbehandlung mit einer Gruppe von 3673 Patienten unter herkömmlichen DMARDs. Sie fanden unter einer TNF-?-Inhibitor-Therapie ein doppelt so hohes Risiko für eine septische Arthritis wie bei der DMARD-Therapie. Das Risiko war dabei in den ersten Monaten der Biologikum-Therapie am höchsten. Das Vorhandensein einer Gelenkprothese war ein zusätzlicher Risikofaktor in beiden Gruppen [10].
In einigen weiteren Studien zeigte sich kein erhöhtes perioperatives Infektionsrisiko unter Biologika, sodass ein striktes Absetzen eventuell nicht notwendig erscheint [8, 15, 32].
Bei „großen“ Eingriffen, wie beispielsweise der Implantation einer Hüftendoprothese, sollten Biologika unseres Erachtens jedoch – bis weitere Studien mehr Klarheit in der Angelegenheit erbringen – gemäß den gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen der Kommission Pharmakotherapie der DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) 2 Halbwertszeiten vor dem geplanten Eingriff bis zur gesicherten Wundheilung pausiert werden [24, 34].
OP-Indikation, Implantatwahl und Technik
Spezielle Prothesentypen für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen existieren nicht. Bei der Wahl des Implantats müssen jedoch, u.a. die Schwere und die Aktivität der Erkrankung, Begleiterkrankungen, Aktivitätsniveau, anatomische Besonderheiten und die Erwartungshaltung des Patienten berücksichtigt werden.
Das Alter des Patienten sollte für die Indikation zur Hüftendoprothese keine entscheidende Rolle spielen. Im Gegenteil, es sollte nicht zu lange mit dem Gelenkersatz gewartet werden, da sich die Ausgangssituation häufig (über die destruierenden Prozesse der entzündlichen Synovialitiden) durch eine fortschreitende Protrusion des Hüftkopfs in das kleine Becken, Zystenbildung und zunehmende Kontrakturen schnell verschlechtert und später im Verlauf möglicherweise aufwendige knöcherne Rekonstruktionen und Stützschalen erforderlich werden. Zudem gilt die Überlegung, dass besonders junge Betroffene für die Zeit des frühen Erwachsenseins und die Lebensmitte möglichst eine gute soziale Mobilität im körperlichen Sinne aufweisen wollen und sollten.