Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Die endoprothetische Versorgung zerstörter Hüftgelenke bei juvenilen rheumatischen Erkrankungen*

In der Literatur wird über die Implantatverankerung im rheumatisch induzierten osteoporotischen Knochen kontrovers diskutiert. Der Trend geht beim jungen „Rheumatiker“ bei der Primärimplantation jedoch immer mehr zur auch ansonsten präferierten zementfreien Verankerung. In einer großen Metaanalyse (23 Fallserien und 5 Studien der skandinavischen Endoprothesenregister) von Zwartelé et al. konnte keine Überlegenheit von zementierten gegenüber zementfreien Prothesen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis festgestellt werden [31]. Befürchtungen einer nicht ausreichenden Primärstabilität, schlechterer Integration und Sinterungen des Schafts von zementfreien Prothesen im entzündlich bedingten osteoporotischen Knochen scheinen sich nicht zu bewahrheiten [18, 28].

Die vor allem bei jüngeren Patienten heutzutage verwendeten sogenannten „knochensparenden“ (zementfreien) Kurzschaftprothesen sind beim jungen JIA-Patienten mit guter Knochenqualität offensichtlich auch ohne erkennbare Schwierigkeiten nutz- und einsetzbar. Ziel ist eine möglichst sparsame Resektion des destruierten Knochens, um bei späteren Lockerungen weitere Rückzugsmöglichkeiten zu haben. Den Oberflächenersatz (Kappenprothesen) an der Hüfte halten wir bei „Rheumapatienten“ durch häufig bestehende erhebliche Formveränderungen, die Mineralsalzgehaltminderung, die lokale und die systemische entzündliche Problematik sowie die anhaltenden Diskussionen um die Auswirkungen der Metallionen zumindest zum jetzigen Zeitpunkt für nicht indiziert. Zudem wirkt sich bei den vielfach sehr zarten, fragilen knöchernen Strukturen an der Pfanne ein potenziell höherer Implantatdurchmesser beim Oberflächenersatz besonders negativ aus.

Durch Zystenbildungen und Wachstumsstörungen häufig bestehende Formveränderungen der Pfanne und des proximalen Femur und auch ansonsten häufig sehr kleinen Größenverhältnissen sind gelegentlich Sonderanfertigungen der Implantate angezeigt, genau wie bei anderen anatomischen Besonderheiten.

Bei der Wahl der Gleitpaarung favorisieren wir beim jungen JIA-Patienten ein hochvernetztes PE-Inlay mit einem Keramikkopf. Keramik-Keramik-Gleitpaarungen halten wir aufgrund der häufig schwierigen anatomischen Besonderheiten (oft sehr kleine Verhältnisse, schlechte intraoperative Übersicht) bei JIA-Patienten für problematisch, da Fehlplatzierungen der Pfanne und kurze 28-mm-Köpfe ein erhöhtes Risiko für Implantatbrüche und Luxationen aufweisen [27].

Auf jeden Fall sollte bei Patienten mit JIA begleitend zur Endoprothesenimplantation eine komplette Synovektomie des Hüftgelenks durchgeführt werden, um die Ursache des pathologischen Geschehens vorerst zu beseitigen und möglichst dauerhaft zu reduzieren. Verbliebene Synovialis könnte zudem das Einwachsverhalten der Endoprothese stören oder weitere osteolytische Veränderungen am Knochen verursachen.

Ergebnisse

Wenn man die Ergebnisse der Hüftendoprothetik insgesamt bei Patienten mit rheumatoider Arthritis über alle Alterstufen betrachtet, zeigen sie im Hinblick auf Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Patientenzufriedenheit unabhängig von der Verankerungsart eine deutliche Verbesserung gegenüber dem präoperativen Zustand. Sie sind trotz schlechterer Ausgangswerte nur gering schlechter als bei Arthrosepatienten, wie eine Multicenter-Studie gezeigt hat [2].

Bei jugendlichen Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist die Datenlage bezüglich der Ergebnisse einer endoprothetischen Versorgung noch begrenzt. Insgesamt scheinen die Ergebnisse bei JIA etwas schlechter zu sein, jedoch bestehen auch bei diesen Patienten eine hohe Zufriedenheit und gute Resultate im Hinblick auf Schmerzabnahme, Verbesserung der Beweglichkeit und Aktivitätslevel [13]. Problematisch ist die begrenzte Standzeit und das langfristige Ergebnis, da die Lockerungsraten, insbesondere der Pfanne, höher als bei anderen Patienten sind [7, 16, 30]. Das Überleben der Prothesen scheint auch von der Medikation beeinflusst zu sein. So zeigte eine Studie von Malviya et al., dass das Implantat-Überleben nach endoprothetischer Versorgung wegen den Folgen einer rheumatischen Erkrankung im Kindes-und Jugendalter bei Patienten mit Langzeit-Glukokortikoidtherapie signifikant schlechter war als bei Patienten unter alleiniger Methotrexat-Behandlung [17].

Zum Einfluss der Verankerungsart auf das Behandlungsergebnis im jüngeren Lebensalter generell berichten Adelani et al. in einer großen Literaturübersicht über Ergebnisse der Hüftendoprothetik bei Patienten < 30 Jahre aus den Jahren 1965–2011. Im Gesamtkollektiv, das endoprothetische Versorgungen nicht nur wegen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zusammenfasst, sondern alle primären und sekundären Arthroseursachen, unterscheiden sie 2 Gruppen, indem sie Patienten aus den Jahren vor 1988 mit denen danach vergleichen. Es wird insgesamt ein Anstieg an zementfrei fixierten Prothesen von der ersten zur zweiten Gruppe beobachtet. Der Anteil an Patienten mit JIA sank jedoch im zeitlichen Verlauf. Die Autoren berichten von signifikant weniger Prothesenlockerungen und weniger Revisionen, bei gleichbleibenden klinischen Ergebnissen nach 1988 [1].

Während insgesamt die Behandlungsergebnisse nach endoprothetischer Primärversorgung wegen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter durch Weiterentwicklungen im Implantatbereich, der Verankerung und perioperativen Maßnahmen besser geworden sind, zeigen sich im Revisionsbereich noch Probleme. In verschiedenen Untersuchungen wurde darauf hingewiesen, dass die Revisionseingriffe nach einem Hüftgelenkersatz bei Patienten mit JIA mit einer hohen Komplikationsrate einhergehen können [11, 12].

Fallbeispiele

Fall 1 (Abbildungen 1–2)

30-jährige Patientin mit JIA seit ihrem 2. Lebensjahr und sekundärer Destruktion des linken Hüftgelenks. Das rechte Hüftgelenk ist bereits 10 Jahre zuvor in einem anderen Krankenhaus durch eine Druckscheibenprothese versorgt worden. Seit 6 Monaten leidet sie unter zunehmenden starken Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenks. Die Beweglichkeit des linken Hüftgelenks ist in allen Ebenen extrem stark eingeschränkt. Bei radiologisch fortgeschrittener Gelenkdestruktion stellten wir die Indikation zur Hüftendoprothese. Aufgrund der dysplastischen Verhältnisse und der Coxa valga antetorta veranlassten wir ein CT des Hüftgelenks sowie die Sonderanfertigung der femoralen Komponente. Auch die Pfanne wurde zementfrei implantiert. Die Gleitpaarung besteht aus einem Polyethyleninlay und einem 28-mm-Keramikkopf. Seit 5 Jahren ist die Patientin beschwerdefrei, die Gehstrecke ist nicht eingeschränkt.

Fall 2 (Abbildungen 3–4)

32-jährige Patientin mit JIA seit dem 1. Lebensjahr stellt sich mit seit 2 Jahren bestehenden starken Schmerzen beider Hüftgelenke vor. Die Beweglichkeit beider Hüftgelenke ist stark eingeschränkt, beidseits bestehen Beuge-Adduktionskontrakturen. Radiologisch zeigen sich fortgeschrittene Destruktionen beider Hüftgelenke, sodass wir die Indikation zur Hüftendoprothesenimplantation beidseits stellten. Nach ausführlicher Aufklärung entschied sich die Patientin zum beidseitigen einzeitigen Vorgehen. Implantiert wurde – trotz (geringer) Glukokortikoidmedikation – bei guter Knochenqualität eine zementfreie Hüftpfanne mit Polyethyleninlay und eine Kurzschaftprothese mit Keramikkopf. Auch diese Patientin ist seit 5 Jahren beschwerdefrei, ohne Einschränkung der Gehstrecke.

Fall 3 (Abbildungen 5–10)

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