Originalarbeiten - OUP 11/2013
Die kniegelenknahe Osteotomie
als Alternative zum GelenkersatzValgisation osteotomie of the proximal tibia for joint preservation in unicomartimental knee arthritis
als Alternative zum Gelenkersatz
P. Niemeyer1, G. Bode1, M.J. Feucht1, N.P. Südkamp1
Zusammenfassung: Auch wenn das Konzept der Korrektur der Beinachsen zur Behandlung unikompartimenteller Arthrosen ein lang bekanntes Konzept darstellt, haben Neuerungen innerhalb der letzten Jahre gerade bei Valgisationsosteotomien bei medialer Varusgonarthrose dazu geführt, dass diese Verfahren wieder vermehrt angewendet werden. Die vorliegende Arbeit gibt eine Übersicht über die Indikationsstellung und Prinzipien der Achskorrektur zum Gelenkerhalt bei unikompartimenteller Arthrose am Beispiel der valgisierenden Tibiaosteotomie zur Behandlung der medial betonten Varusgonarthrose.
Schlüsselwörter: Kniegelenk, Gonarthrose, Malalignment, Varusfehlstellung, Achskorrektur
Zitierweise
Niemeyer P, Bode G, Feucht M, Südkamp NP: Die kniegelenksnahe Osteotomie als Alternative zum Gelenkersatz.
OUP 2013; 11: 518–524. DOI 10.3238/oup.2013.0518–0524
Abstract: Although the concept of correcting underlying malaligment for treating unicompartmental osteoarthritis is a long-known concept, innovations in the last years have led to significant inprovement oft he surgical technique for osteotomies around the knee. Against this background, osteotomies have been of increasing scientific and clinical interest in recent years. This paper gives an overview of the indications and principles of axial correction for joint preservation in patients with unicompartmental osteoarthritis using the example of valgus tibial osteotomy for the treatment of varus gonarthrosis.
Keywords: knee joint, arthritis, malalignment, varus deformity, axis correction
Citation
Niemeyer P, Bode G, Feucht M, Südkamp NP: Valgisation osteotomie of the proximal tibia for joint preservation in unicomartimental knee arthritis
OUP 2013; 11: 518–524. DOI 10.3238/oup.2013.0518–0524
Einleitung
Obwohl das Konzept der Korrektur der Beinachse im Kontext asymmetrischer und somit fehlstellungsbedingter Arthrose des Kniegelenks schon im 19. Jahrhundert beschrieben wurde, ist es vor allem durch die Arbeiten von Jackson und Coventry in den 50er Jahren populär gemacht worden [1–4]. Seit dieser Zeit stellen kniegelenknahe Osteotomien einen essenziellen und fundamentalen Baustein der operativen Therapie der Gonarthrose dar. Im Gegensatz zur endoprothetischen Versorgung, bei welcher das geschädigte Gelenk ersetzt wird, verfolgen sie das Ziel des Gelenkerhalts durch Entlastung des geschädigten Kompartiments. Auch wenn dieses Prinzip grundsätzlich für die varisierende Osteotomie bei Valgusfehlstellung und die valgisierende Osteotomie bei Varusfehlstellung identisch ist, soll im Folgenden vor dem Hintergrund der Häufigkeit, der damit verbundenen weiteren Verbreitung und auch der Aktualität durch Modifikation der Implantate und Techniken innerhalb der letzten Jahre nur auf die valgisierende Umstellungsosteotomie eingegangen werden.
Indikationen
Auch wenn neuere präklinische Daten darauf hinweisen, dass eine durch Varusfehlstellung vermehrte Belastung des medialen Kompartiments durchaus zu einer Anpassung im Sinne einer strukturellen Veränderung des Knorpelüberzugs an der medialen Femurkondyle und dem medialen Tibiaplateau führt [5] und neuere Arbeiten einen Zusammenhang einer Valgusfehlstellung und der Inzidenz einer lateralen Gonarthrose nachweisen konnten [6], steht der wissenschaftliche Beweis dafür noch aus, dass eine alleinige Varusfehlstellung zu einem erhöhten Risiko der Arthroseentstehung führt [7, 8]. Vor diesem Hintergrund stellt die prophylaktische Korrekturosteotomie auch heute noch die Ausnahme in Fällen mit gravierender Fehlstellung und damit verbundener funktioneller Einschränkung dar. Demgegenüber wird bei symptomatischen Patienten – und das unterscheidet die Indikationsstellung im Grundsatz von der Indikationsstellung im Rahmen der Endoprothetik – bei entsprechender Symptomatik im Sinne medialseitiger Beschwerden und/oder einem symptomatischen Knorpelschaden des medialen Kompartiments früh zu einer entsprechenden Umstellungsosteotomie geraten.
Basis der Indikationsstellung stellt die röntgenologische Achsvermessung der unteren Extremität dar. Auch wenn die mechanische Beinachse eine gute Einschätzung des Ausmaßes der Gesamtvarusfehlstellung bietet, muss in jedem Fall eine Detailanalyse mit separater Betrachtung des Caput-Collum-Diaphysen-Winkels (CCD), dem lateralen distalen Femurwinkel und dem medialen proximalen Tibiawinkel erfolgen, um zwischen einer femoralen und tibialen Varusfehlstellung sicher differenzieren zu können. Auch wenn die tibiale Varusfehlstellung deutlich häufiger ist, betreffen etwa 10 % der Varusfehlstellung das Femur. Diese müssen im Sinne des Grundsatzes zur Korrekturosteotomie nach Paley dann auch am Ort der Fehlstellung korrigiert werden, und nicht an der proximalen Tibia. Diesem Grundsatz folgend, erscheint es auch nachvollziehbar, dass eine varische metaphysäre Deformität im Bereich der proximalen Tibia als günstiger Prognosefaktor gesehen werden kann. Diese kann durch die Bestimmung des sog. Tibial-Bone-Varus-Angle (TBVA) [9] quantifiziert werden, korreliert bei der öffnenden Osteotomie von medial mit dem klinischen Outcome [10] und stellt somit nach Ansicht der Autoren eine gute Entscheidungshilfe bei der Abgrenzung der Indikation zur medialen Schlittenprothese dar.
Als ergänzende Diagnostik sollte in jedem Fall eine Kernspintomografie (MRT) zur Beurteilung der Kniebinnenstrukturen durchgeführt werden. Auch wenn hierzu grundsätzlich eine Arthroskopie geeignet ist, welche von den Autoren als zusätzliche Standarddiagnostik bei jeder Osteotomie (dieser unmittelbar vorausgehend im Rahmen des gleichen Eingriffs) durchgeführt wird, so kann nur die Kernspintomografie Pathologien darstellen, wie eine subchondrale Knochenaffektion oder Knochenmarködeme, welche für die Versorgung und Planung von Relevanz sind. Im Allgemeinen gilt als akzeptiert, dass vollschichtige Knorpelschäden des lateralen Kompartiments als Kontraindikation zur valgisierenden Osteotomie angesehen werden. Symptomatische patellofemorale Knorpelschäden erscheinen ebenfalls problematisch, während asymptomatische Knorpelschäden des patellofemoralen Gelenkabschnitts – ähnlich wie bei der Indikationsstellung zur Schlittenprothese – offensichtlich toleriert werden können [10]. Die Bedeutung und Rolle des patellofemoralen Gelenkabschnitts stellt jedoch sicher einen noch nicht abschließend untersuchten Aspekt im Rahmen der valigierenden HTO dar. Ein Augenmerk sollte auf die präoperative Patellahöhe gerichtet werden, um bei präexistenter Patella baja hier ggf. eine Anpassung der klassischen Technik durchführen zu können, welche in Grenzfällen zu einer Verstärkung der Patella baja führen kann, z.B. durch eine adaptierte Stufenosteotomie mit Ausleitung der Osteotomie distal der Tuberositas Tibiae [11].
MRT und Arthroskopie gemeinsam erlauben dann nicht nur eine zuverlässige Indikationsstellung bzw. -überprüfung, sondern ebenso eine individuelle Planung des Korrekturausmaßes. So schlagen einige Autoren vor, bei gravierender Differenz der Schädigung des medialen und des lateralen Kompartiments eine aggressivere Korrektur (im Sinne einer tendenziellen Überkorrektur) durchzuführen [12], während bei Patienten mit nur geringfügiger Schädigung medial eine Neutralisierung der Beinachse ausreichend erscheint. Dieses Konzept hat in den vergangenen Jahren das initial von Fujisawa vorgeschlagene Konzept der einheitlichen leichten Überkorrektur auf einen Wert von 62 % des transversalen Tibiakopfdurchmessers abgelöst, auch wenn es methodisch schwierig ist, der Forderung nach einer hohen Evidenz für diese Empfehlung nachzukommen.
OP Technik und Implantate
Die Umstellungsosteotomie feiert in den vergangenen Jahren eine Renaissance und erfreut sich zunehmender Beliebtheit, was nicht nur durch die vermehrte Anzahl durchgeführter Operationen, sondern ferner durch eine steigende Anzahl wissenschaftlicher Publikationen zum Thema Umstellungsosteotomie verdeutlicht wird. Der aus Sicht der Autoren wichtigste Grund für diese Entwicklung ist in der Verbesserung der Operationstechnik und der Verfügbarkeit neuer Implantate zu sehen. Während bis Anfang der 2000er Jahre noch die sogenannte Closed-Wedge-Osteotomie (CW-HTO) von lateral zur Valgisierung das Standardverfahren ausgemacht hat, ist diese heute nahezu flächendeckend durch eine öffnende Osteotomie von medialseitig (Open-Wedge, OW-HTO) abgelöst. Die Vorteile sind hier im einfacheren und weichteilschonenden Zugang insbesondere ohne Gefahr der Affektion des Nervus peroneus sowie in der fehlenden Notwendigkeit einer Fibulaosteotomie zu sehen. Des weiteren – und dies erscheint in Zeiten der Verfügbarkeit präziser Planungssoftware und intraoperativer Navigation von großer Bedeutung – lässt sich das Ausmaß der Korrektur stufenlos und somit deutlich präziser einstellen als bei einer schließenden Osteotomie [13].
Von besonderer Bedeutung ist im Rahmen der OW-HTO eine stabile Fixation der Osteotomie, um einen Korrekturverlust oder die Entstehung einer Pseudarthrose zu verhindern. Die derzeit am häufigsten verwendeten Implantate können grob unterteilt werden in Plattenfixateure und sog. Spacer-Platten. Bei letzteren handelt es sich um kürzere Platten, welche den Osteotomiespalt durch einen in die Platte integrierten Spacer offen halten. Vorteil dieser Platten ist ein Low-profile-Design, welches eine Implantatentfernung häufig nicht notwendig macht. Problematisch erscheinen jedoch die relativ hohen implantat-assozierten Komplikationen in einigen Arbeiten [14–16]. Der aktuell wohl meistverwendete Plattenfixateur ist die TomoFix-Platte (Firma Synthess), welche auf dem LCP-Konzept beruht. In biomechanischen und klinischen Arbeiten zeigte dieses Implantat eine höhere Stabilität verglichen mit Spacer-Platten [17–19], und scheint auch eine frühe Vollbelastung ohne Auffüllung des
Osteotomiespaltes zu tolerieren [20]. Ein weiteres Modell aus der Gruppe der Plattenfixateure ist die PEEK Power HTO-Plate (Firma Arthrex), welche im Gegensatz zur TomoFix-Platte eine multidirektionale Winkelstabilität ermöglicht. Insbesondere beim simultanen Bandersatz bietet diese Platte daher etwas mehr Variabilität. Vergleichende Studien zur TomoFix-Platte stehen jedoch noch aus.
Komplikationen
Kniegelenknahe Osteotomien stellen einen der am häufigsten im Rahmen von Haftungsfällen verhandelten chirurgischen Eingriff dar. Selbst wenn die Komplikationsraten im Rahmen der Valgisierung durch Einführung der OW-HTO deutlich niedriger sind, erfordert der Eingriff eine präzise Planung, ein sorgfältiges und standardisiertes intraoperatives Vorgehen sowie die Auswahl eines geeigneten Implantats. Obwohl einige Komplikationen wie die Affektionen des Nervus Peroneus bei der öffnenden Technik von medial nahezu ausgeschlossen sind, gilt es intraoperativ, die dorsal in unmittelbarer Nähe zur posterioren Tibiakortikalis gelegenen neurovaskulären Strukturen sorgfältig mit einem Haken zu schützen und die korrekte Positionierung des Hakens kontinuierlich während der Durchführung der Osteotomie zu überwachen. Außerdem sollte eine Verletzung der (postero-)lateralen Kortikalis wenn möglich vermieden werden, da diese bei der Öffnung als Scharnier dient und eine Destruktion zu einer unmittelbaren Erhöhung der Instabilität führt. Diese führt dann wiederum zu erhöhten biomechanischen Anforderungen an das verwendete Implantat. Da diese intraoperativ nicht immer mit abschließender Sicherheit bei der konventionellen Röntgenüberprüfung ausgeschlossen werden kann, erhöht es aus Sicht der Autoren die Sicherheit für den Patienten, generell ein Implantat mit optimalen biomechanischen Eigenschaften zu verwenden, welches nicht zwingend eine Integrität der lateralen Kortikalis voraussetzt, bzw. es dem Operateur ermöglicht, diese im Falle einer akzidentiellen Destruktion zu komprimieren. Die modernen Plattenfixateure kommen diesen Forderungen nach und stellen aus Sicht der Autoren das bevorzugte Implantat zur Stabilisierung der OW-HTO dar. Dies wird zum einen durch die niedrigeren Komplikationsraten bei Verwendung von Plattenfixateuren im Vergleich zur Verwendung nicht-winkelstabiler Platten (wie z.B. Spacer-Platten), sowie einer geringeren Rate an Korrekturverlust verdeutlicht [21]. Die entsprechenden präklinischen biomechanischen Daten gehen mit der klinischen Beobachtung einher [22, 23]. Als weiterer Vorteil der internen Plattenfixateure ist die Möglichkeit einer frühfunktionellen Nachbehandlung zu nennen [24].
Neben den Instabilitäts-assoziierten Komplikationen wie sekundärer Korrekturverlust oder Implantatversagen rücken akzidentielle Veränderung in der sagittalen und horizontalen Ebene in den letzten Jahren vermehrt in den Vordergrund. So führt die Veränderung des tibialen Slope im Rahmen der OW-HTO naturgemäß zu einer Änderung der Gelenkbiomechanik, auf die Bedeutung der Patellaposition wurde bereits weiter oben eingegangen, und auch eine Rotation des distalen Hauptfragments scheint zumindest in Einzelfällen postoperativ für problematische Verläufe ursächlich. Sowohl die Kontrolle des tibialen Slope als auch der Rotation sollte daher intraoperativ möglichst exakt überwacht werden. Beides ist heute mit modernen Navigationssystemen im Live-Modus möglich. Hierin und in der nachgewiesenen Reduktion von Ausreißern mit nicht-optimalem Korrekturausmaß ist der Nutzen dieser Systeme zu sehen [25]. Es erscheint auch deshalb sinnvoll, diese Präzision zu fordern, da ein Zusammenhang zwischen präziser Korrektur und klinischem Outcome belegt ist und insbesondere die Unterkorrektur einen negativen prädiktiven Parameter darstellt [26].
Outcome und Standzeiten
Naturgemäß liegen für die neue Technik der OW-HTO unter Verwendung eines Plattenfixateurs noch keine Langzeitdaten vor. Die bis dato einzigen veröffentlichten Standzeiten zur OW-HTO mit einem Plattenfixateuer weisen mit einer Rate von 92 % nach 10 Jahren auf einen langzeitigen Effekt betreffend der Verbesserung der Kniegelenkfunktion und der Verzögerung der endoprothetischen Versorgung hin [27].
In einer kürzlich publizierten Metaanalyse von Spahn et al. konnte gezeigt werden, dass nach 5–8 Jahren 9 % der Patienten nach OW-HTO auf endoprothetische Versorgung angewiesen waren. Die Konvertierung in eine Kniegelenkendoprothese erfolgte nach durchschnittlich 9,7 Jahren [28].
Teilweise ergeben sich bezüglich der Standzeit nach HTO jedoch erhebliche Differenzen in den verfügbaren Studien. Eine Übersicht über die Standraten nach tibialer Valgisationsosteotomie zeigt Tabelle 1.
Ebenso schwierig einzuordnen ist das funktionelle Outcome nach OW-HTO aufgrund der großen Heterogenität der vorliegenden Literatur im Hinblick auf Operationstechnik, Implantate und verwendete Scores. In Bezug auf die OW-HTO beschrieben Schallberger et al. einen durchschnittlichen KOOS von 84 Punkten nach 16 Jahren [29]. Sterett et al. erzielten nach 5 Jahren einen durchschnittlichen Lysholm-Score von 78 Punkten [30]. Dies entspricht den Ergebnissen der eigenen Arbeitsgruppe [31]. Floerkenmaier et al. veröffentlichten kürzlich mit einem durchschnittlichen Oxford Knee Score von 43 Punkten gute bis sehr gute Ergebnisse nach OW-HTO bei 533 Patienten [32].
Die mediale Open-wedge-Osteotomie ist ein etabliertes Verfahren in der Behandlung junger und aktiver Patienten mit beginnender Varusgonarthrose. Somit ist auch die sportliche Aktivität nach erfolgter OW-HTO von großer Bedeutung. Salzmann et al. konnten ebenso wie Bonnin et al. zeigen, dass eine Rückkehr zum Sport mit gleicher Frequenz und Dauer im Vergleich zur präoperativen Aktivität möglich ist, wobei die Rückkehr zum Leistungs- bzw. Hochleistungssport stark erschwert ist [32, 33]. Im Vergleich zu einem endoprothetischen Gelenkersatz ist der Verschleiß einzelner Komponenten hier nicht von Bedeutung, sodass die OW-HTO das Verfahren der Wahl in der Behandlung junger, aktiver Patienten darstellt.
Kombination mit knorpelchirurgischen Maßnahmen
In Zeiten moderner Möglichkeiten der Regeneration und Rekonstruktion des artikulären Gelenkknorpel ist die Verwendung der Osteotomie heute nicht mehr nur auf die Behandlung der bereits vorliegenden Arthrose beschränkt, sondern wird auch als additives Verfahren in der Behandlung von Knorpelschäden als Kombinationstherapie im Sinne einer begleitenden Ursachentherapie eingesetzt. Diese Möglichkeit der Kombinationstherapie betrifft jedoch nicht den Patienten mit bereits vorliegender Arthrose; einige Studien zeigen, dass bei bereits vorhandener Arthrose im Sinne einer korrespondierenden Gelenkschädigung ein zusätzlicher Nutzen durch eine Kombination der Osteotomie mit einer knorpelregenerativen Maßnahme erzielt werden kann und das in diesen Patienten die isolierte Durchführung einer Osteotomie ausreichend ist [34]. Der Sinn der Osteotomie als Begleittherapie ist vielmehr bei Patienten mit isoliertem, unilateralen, umschriebenen Knorpelschaden zu sehen, welcher für eine knorpelregenerative Therapie zugänglich ist. Neuere Arbeiten zeigen, dass hier bereits ein positiver Zusatzeffekt der OW-HTO zur alleinigen Knorpeltherapie bei Achsabweichungen von nur wenigen Grad zu sehen ist [35]. Die konsequente Empfehlung der begleitenden Osteotomie bei Achsabweichung wird auch in den entsprechenden Empfehlungen der Fachgesellschaften empfohlen [36].
Chronische Bandinstabilität
Sowohl die chronische Insuffizienz des vorderen Kreuzbands (VKB) als auch des hinteren Kreuzbands (HKB) führt mittelfristig zu einem Verschleiß insbesondere des medialen Kompartiments [37, 38]. Ziel der Osteotomie in diesen Kniegelenken ist zum einen die Entlastung des medialen Kompartiments durch Änderung der Geometrie in der frontalen Ebene, zum anderen kann aber auch durch Änderung der Geometrie in der sagittalen Ebene eine gewisse Stabilisierung des Gelenks erreicht werden. Die zentrale Rolle hierbei spielt der tibiale Slope, welcher im Rahmen einer OW-HTO gezielt verändert werden kann [39]. In biomechanischen Arbeiten wurde gezeigt, dass im HKB-insuffizienten Kniegelenk eine Vermehrung des Slopes zu einer Reduktion der spontanen hinteren Schublade und der posterioren Tibiatranslation führt [40, 41]. Daher empfehlen die Autoren bei HKB-Insuffizienz ± posterolateraler Instabilität und Varusgonarthrose als primäre Therapieoption die valgisierende OW-HTO mit gleichzeitiger Erhöhung des tibialen Slopes. Häufig wird hierdurch bereits neben der Schmerzreduktion auch eine ausreichende Stabilität erzielt [42]. Im VKB-insuffizienten Kniegelenk ist der Effekt einer Slope-Reduktion dagegen umstritten, und es wird die OW-HTO bei subjektiver Instabilität meist mit einer VKB-Rekonstruktion kombiniert [43].
Schlussfolgerung
Die valgisierende Open-Wedge-Osteotomie stellt ein Standardverfahren in der orthopädischen Chirurgie zur Behandlung der medialen Varusgonarthrose dar, welches insbesondere bei Patienten mit tibial extraartikulärer Varusdeformität zu zuverlässigen Behandlungsergebnissen führt und den Erhalt des Kniegelenks ermöglicht. Neue Implantate wie winkelstabile Plattenfixateure haben in den vergangenen Jahren zur einer Renaissance des Verfahrens geführt und erlauben eine standardisierte und komplikationsarme Versorgung.
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Philipp Niemeyer
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Straße 55
79095 Freiburg
philipp.niemeyer@uniklinik-freiburg.de
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Fussnoten
1 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Freiburg