Originalarbeiten - OUP 11/2013
Die kniegelenknahe Osteotomie
als Alternative zum GelenkersatzValgisation osteotomie of the proximal tibia for joint preservation in unicomartimental knee arthritis
als Alternative zum Gelenkersatz
MRT und Arthroskopie gemeinsam erlauben dann nicht nur eine zuverlässige Indikationsstellung bzw. -überprüfung, sondern ebenso eine individuelle Planung des Korrekturausmaßes. So schlagen einige Autoren vor, bei gravierender Differenz der Schädigung des medialen und des lateralen Kompartiments eine aggressivere Korrektur (im Sinne einer tendenziellen Überkorrektur) durchzuführen [12], während bei Patienten mit nur geringfügiger Schädigung medial eine Neutralisierung der Beinachse ausreichend erscheint. Dieses Konzept hat in den vergangenen Jahren das initial von Fujisawa vorgeschlagene Konzept der einheitlichen leichten Überkorrektur auf einen Wert von 62 % des transversalen Tibiakopfdurchmessers abgelöst, auch wenn es methodisch schwierig ist, der Forderung nach einer hohen Evidenz für diese Empfehlung nachzukommen.
OP Technik und Implantate
Die Umstellungsosteotomie feiert in den vergangenen Jahren eine Renaissance und erfreut sich zunehmender Beliebtheit, was nicht nur durch die vermehrte Anzahl durchgeführter Operationen, sondern ferner durch eine steigende Anzahl wissenschaftlicher Publikationen zum Thema Umstellungsosteotomie verdeutlicht wird. Der aus Sicht der Autoren wichtigste Grund für diese Entwicklung ist in der Verbesserung der Operationstechnik und der Verfügbarkeit neuer Implantate zu sehen. Während bis Anfang der 2000er Jahre noch die sogenannte Closed-Wedge-Osteotomie (CW-HTO) von lateral zur Valgisierung das Standardverfahren ausgemacht hat, ist diese heute nahezu flächendeckend durch eine öffnende Osteotomie von medialseitig (Open-Wedge, OW-HTO) abgelöst. Die Vorteile sind hier im einfacheren und weichteilschonenden Zugang insbesondere ohne Gefahr der Affektion des Nervus peroneus sowie in der fehlenden Notwendigkeit einer Fibulaosteotomie zu sehen. Des weiteren – und dies erscheint in Zeiten der Verfügbarkeit präziser Planungssoftware und intraoperativer Navigation von großer Bedeutung – lässt sich das Ausmaß der Korrektur stufenlos und somit deutlich präziser einstellen als bei einer schließenden Osteotomie [13].
Von besonderer Bedeutung ist im Rahmen der OW-HTO eine stabile Fixation der Osteotomie, um einen Korrekturverlust oder die Entstehung einer Pseudarthrose zu verhindern. Die derzeit am häufigsten verwendeten Implantate können grob unterteilt werden in Plattenfixateure und sog. Spacer-Platten. Bei letzteren handelt es sich um kürzere Platten, welche den Osteotomiespalt durch einen in die Platte integrierten Spacer offen halten. Vorteil dieser Platten ist ein Low-profile-Design, welches eine Implantatentfernung häufig nicht notwendig macht. Problematisch erscheinen jedoch die relativ hohen implantat-assozierten Komplikationen in einigen Arbeiten [14–16]. Der aktuell wohl meistverwendete Plattenfixateur ist die TomoFix-Platte (Firma Synthess), welche auf dem LCP-Konzept beruht. In biomechanischen und klinischen Arbeiten zeigte dieses Implantat eine höhere Stabilität verglichen mit Spacer-Platten [17–19], und scheint auch eine frühe Vollbelastung ohne Auffüllung des
Osteotomiespaltes zu tolerieren [20]. Ein weiteres Modell aus der Gruppe der Plattenfixateure ist die PEEK Power HTO-Plate (Firma Arthrex), welche im Gegensatz zur TomoFix-Platte eine multidirektionale Winkelstabilität ermöglicht. Insbesondere beim simultanen Bandersatz bietet diese Platte daher etwas mehr Variabilität. Vergleichende Studien zur TomoFix-Platte stehen jedoch noch aus.
Komplikationen
Kniegelenknahe Osteotomien stellen einen der am häufigsten im Rahmen von Haftungsfällen verhandelten chirurgischen Eingriff dar. Selbst wenn die Komplikationsraten im Rahmen der Valgisierung durch Einführung der OW-HTO deutlich niedriger sind, erfordert der Eingriff eine präzise Planung, ein sorgfältiges und standardisiertes intraoperatives Vorgehen sowie die Auswahl eines geeigneten Implantats. Obwohl einige Komplikationen wie die Affektionen des Nervus Peroneus bei der öffnenden Technik von medial nahezu ausgeschlossen sind, gilt es intraoperativ, die dorsal in unmittelbarer Nähe zur posterioren Tibiakortikalis gelegenen neurovaskulären Strukturen sorgfältig mit einem Haken zu schützen und die korrekte Positionierung des Hakens kontinuierlich während der Durchführung der Osteotomie zu überwachen. Außerdem sollte eine Verletzung der (postero-)lateralen Kortikalis wenn möglich vermieden werden, da diese bei der Öffnung als Scharnier dient und eine Destruktion zu einer unmittelbaren Erhöhung der Instabilität führt. Diese führt dann wiederum zu erhöhten biomechanischen Anforderungen an das verwendete Implantat. Da diese intraoperativ nicht immer mit abschließender Sicherheit bei der konventionellen Röntgenüberprüfung ausgeschlossen werden kann, erhöht es aus Sicht der Autoren die Sicherheit für den Patienten, generell ein Implantat mit optimalen biomechanischen Eigenschaften zu verwenden, welches nicht zwingend eine Integrität der lateralen Kortikalis voraussetzt, bzw. es dem Operateur ermöglicht, diese im Falle einer akzidentiellen Destruktion zu komprimieren. Die modernen Plattenfixateure kommen diesen Forderungen nach und stellen aus Sicht der Autoren das bevorzugte Implantat zur Stabilisierung der OW-HTO dar. Dies wird zum einen durch die niedrigeren Komplikationsraten bei Verwendung von Plattenfixateuren im Vergleich zur Verwendung nicht-winkelstabiler Platten (wie z.B. Spacer-Platten), sowie einer geringeren Rate an Korrekturverlust verdeutlicht [21]. Die entsprechenden präklinischen biomechanischen Daten gehen mit der klinischen Beobachtung einher [22, 23]. Als weiterer Vorteil der internen Plattenfixateure ist die Möglichkeit einer frühfunktionellen Nachbehandlung zu nennen [24].
Neben den Instabilitäts-assoziierten Komplikationen wie sekundärer Korrekturverlust oder Implantatversagen rücken akzidentielle Veränderung in der sagittalen und horizontalen Ebene in den letzten Jahren vermehrt in den Vordergrund. So führt die Veränderung des tibialen Slope im Rahmen der OW-HTO naturgemäß zu einer Änderung der Gelenkbiomechanik, auf die Bedeutung der Patellaposition wurde bereits weiter oben eingegangen, und auch eine Rotation des distalen Hauptfragments scheint zumindest in Einzelfällen postoperativ für problematische Verläufe ursächlich. Sowohl die Kontrolle des tibialen Slope als auch der Rotation sollte daher intraoperativ möglichst exakt überwacht werden. Beides ist heute mit modernen Navigationssystemen im Live-Modus möglich. Hierin und in der nachgewiesenen Reduktion von Ausreißern mit nicht-optimalem Korrekturausmaß ist der Nutzen dieser Systeme zu sehen [25]. Es erscheint auch deshalb sinnvoll, diese Präzision zu fordern, da ein Zusammenhang zwischen präziser Korrektur und klinischem Outcome belegt ist und insbesondere die Unterkorrektur einen negativen prädiktiven Parameter darstellt [26].