Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021

Die lumbale Spinalkanalstenose – Überblick

Wegweisend bei der klinischen Untersuchung sind die Oberkörpervorneigung beim Gehen und ein breitbeiniges, kurzschrittiges Gangbild. Tritt dagegen ein Oberkörperpendeln auf, ist dies ein Hinweis für eine Pathologie an der Hüfte. Eine Coxarthrose sollte dann durch eine Bewegungsprüfung ausgeschlossen werden.

Zur Differenzierung, ob eine Claudicatio spinalis oder eine Claudicatio intermittens vorliegt, muss eine gewissenhafte neurologische Untersuchung und ein peripherer Pulsstatus erhoben werden. Im Zweifel ist eine gefäßchirurgische Vorstellung zu erwägen.

Bildgebung

Basisdiagnostik sind konventionelle Röntgenbilder im Stehen. Hier können neben Instabilitäten und Beurteilung der Statik, indirekte Zeichen für eine Stenose gefunden werden. So zeigen sich in den seitlichen Bildern eine Höhenminderung der Bandscheibenfächer mit entsprechenden Abstützungsreaktionen am Rand der Grund- und Deckplatte, eine Facettengelenksarthrose oder ein Wirbelgleiten. In den a.-p. Aufnahmen können neben translatorischen Instabilitäten die interlaminären Fenster beurteilt werden, die bei gesunden Patienten von kranial nach kaudal an Größe zunehmen. Einen weiteren Stellenwert besitzt die konventionelle Röntgendiagnostik zum Ausschluss anderweitiger Pathologien wie osteoporotischen Frakturen, Infektionen (Spondylodiszitis), Tumoren oder einer Skoliose.

Goldstandard zur Diagnostik einer Spinalkanalstenose ist die MRT-Bildgebung mit orthogonalen T1 und T2 Sequenzen in axialer und sagittaler Ausrichtung. Typische kernspintomographische Veränderungen sind eine Bandscheibenprotrusion, die Hypertrophie des Lig. flavum, die Facettengelenkshypertrophie bzw. Synovialzysten, die sanduhrförmige Darstellung des Spinalkanals mit Ausdünnung des perineuralem Fettes oder eine Lipomatose. Allerdings ist eine bildmorphologische Spinalkanalstenose nicht immer symptomatisch. So liegen etwa bei ca. 21 % der über 60-jährigen entsprechende Veränderungen vor, ohne Beschwerden zu verursachen [6].

Die CT-Diagnostik sollte aufgrund der Überlegenheit der MRT-Bildgebung hinsichtlich des sehr viel besseren Weichteilkontrastes nicht mehr durchgeführt werden. Sie hat nur noch einen Stellenwert als post-Myelo-CT, wenn Kontraindikationen (z.B. Herzschrittmacher oder eine Klaustrophobie) gegenüber einer MRT-Bildgebung vorliegen.

Zusatzdiagnostik

Wenn die erhobenen Befunde und Untersuchungen keine eindeutige Diagnose zulassen, sollten weitere Zusatzuntersuchungen erfolgen.

Elektrophysiologische Untersuchungen können Systemerkrankungen aus dem neurologischen Formenkreis oder auch höher gelegene Myelonschädigungen diagnostizieren. Auch eine Polyneuropathie kann dadurch gesichert werden.

Die Doppleruntersuchung der Gefäße kann die pAVK erfassen. Laborchemische Untersuchungen geben Hinweise auf entzündliche Geschehen, metabolische Ursachen oder infektiologische Erkrankungen. Der Verdacht auf eine Borreliose oder Multiple Sklerose kann die Lumbalpunktion erforderlich machen.

Therapieentscheidung und -möglichkeiten

In Abhängigkeit der Klinik sollte zunächst ein konservativer Therapieversuch unternommen werden. Absolute Operationsindikationen mit relevanten neurologischen Defiziten sind selten. Relative Operationsindikationen ergeben sich durch einen frustranen konservativen Therapieversuch und eine signifikante Einschränkung der ADL. Wegweisend kann man sich auch an der Klassifikation nach Schizas orientieren. Während bei den Typen A und B ein konservativer Therapieversuch unternommen werden sollte, ist beim Typ D eher ein operatives Vorgehen vorzuziehen. Der Typ C kann entweder konservativ oder operativ angegangen werden.

Konservative Therapie

Die konservative Therapie setzt sich aus 3 Säulen zusammen: die medikamentöse Schmerztherapie, physiotherapeutische Maßnahmen und gezielte Infiltrationen.

Bei der medikamentösen analgetischen Schmerztherapie werden nach dem WHO-Stufenschema vorzugsweise nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verwendet. Nicht selten müssen aufgrund von Nebenerkrankungen auch andere Medikamentengruppen wie schwach oder gar stark wirksame Opioide rezeptiert werden.

Ziel der physiotherapeutischen Übungseinheiten ist die Verbesserung der Lebensqualität und Mobilisierung des Patienten. Erreicht wird dies durch die Entlordosierung der Lendenwirbelsäule durch die Detonisierung der Rückenmuskulatur einerseits und Kräftigung der Bauchmuskulatur andererseits. Ein weiteres wichtiges Stellglied ist das Becken. Hier sollte auf eine gute Hüftbeweglichkeit geachtet werden, denn nur so kann das Becken nach hinten rotiert werden, was zu einer direkten Entlordosierung der Wirbelsäule führt. Entlordosierende Orthesen bzw. Korsette sollten nur in Einzelfällen erwogen werden.

Begleitend zur oralen Schmerzmedikation können gezielte wirbelsäulennahe Infiltrationen durchgeführt werden. In Abhängigkeit der Klinik werden für pseudoradikuläre Beinschmerzen Epiduralinjektion bzw. für radikuläre Schmerzen Nervenblockaden durchgeführt.

Ergänzend können physikalische Maßnahmen oder auch bei chronischen Verläufen unterstützende psychologische Behandlungen eingeleitet werden.

Operative Therapie

Die Indikation zum operativen Vorgehen besteht bei einem Versagen der konservativen Therapie, einem progredienten neurologischen Defizit, sowie immobilierenden Schmerzen mit Einschränkung der Lebensqualität. Voraussetzung ist ein eindeutiges bildmorphologisches Korrelat im MRT. Ziel der Operation ist dabei die Dekompression des Spinalkanals, ohne dadurch das entsprechende Segment zu destabilisieren.

Je nach Klinik des Patienten stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Steht der Beinschmerz im Vordergrund, können mikrochirurgische oder endoskopische Dekompressionen durchgeführt werden. Standardverfahren zur Dekompression ist die Laminotomie mit sparsamer Resektion des Facettengelenks und Flavektomie. Diese kann wahlweise unilateral, bilateral oder unilateral in Over-the-Top-Technik durchgeführt werden. Bestehen gleichzeitig Rückenschmerzen in Verbindung mit einer fortgeschritten Facettengelenksarthrose, Spondylolisthesis bzw. Skoliose oder bestehen Instabilitäten, ist eine gleichzeige Fusion in Erwägung zu ziehen.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Ethische Angaben:

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien
an Menschen oder Tieren.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Dipl.-Ing. Florian Völlner

Klinik und Poliklinik für Orthopädie,

Asklepios Fachkrankenhaus
Bad Abbach

Kaiser-Karl-V.-Allee 3

93077 Bad Abbach

florian.voellner@ukr.de

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