Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014
Die Rehabilitation nach Beugesehnenverletzungen der Hand
M. Langer1
Zusammenfassung: Die postoperative Weiterbehandlung ist für die Ergebnisse der Beugesehnenchirurgie von zentraler Bedeutung. Zahlreiche Details der speziellen handtherapeutischen Behandlung, der Sehnenheilung und der Biomechanik der Beugesehnen müssen bekannt sein, um Misserfolge zu vermeiden und die Greiffunktionen der ganzen Hand möglichst gut wiederherzustellen.
Schlüsselwörter: Nachbehandlung, Weiterbehandlung, Beugesehnen, Biomechanik
Zitierweise
Langer M. Die Rehabilitation nach Beugesehnenverletzungen der Hand.
OUP 2014; 5: 220–224. DOI 10.3238/oup.2014.0220–0224
Abstract: The post-operative treatment in flexor tendon surgery of the hand has a central importance. A large amount of details of special hand-therapeutic treatment, tendon healing and biomechanical aspects of flexor tendon must be known to avoid adhesions or tendon ruptures and restore hand function as good as possible.
Keywords: rehabilitation, flexor tendon surgery, splints, biomechanics
Citation
Langer M. Rehabilitation of flexor tendon injuries.
OUP 2014; 5: 220–224. DOI 10.3238/oup.2014.0220–0224
„Wer zum Messer greift, um eine orthopädische Operation auszuführen, der übernimmt damit die moralische Verpflichtung, die Nachbehandlung in exakter Weise durchzuführen. Wer dieser speziellen Forderung aus Mangel an Begabung, an Neigung, an Zeit nicht gerecht werden kann, wem die dazu nötigen Einrichtungen fehlen, der lasse korrekterweise die Hand vom Messer.“ (Oskar Vulpius, Adolf Stoffel: Vorwort zu „Orthopädische Operationslehre“ [1]).
Der vom Begründer der modernen Handchirurgie Sterling Bunnell (1882– 1957) vor fast 100 Jahren geprägte Begriff des „Niemandslands“ im Zusammenhang mit der Beugesehnenchirurgie [2] ist weithin bekannt. Gemeint ist mit „Niemandsland“ oder „no-man´s land“ ein Bereich an den Fingern und der distalen Hohlhand (vom A1- bis zum A4- Ringband), in der Niemand versuchen sollte eine durchtrennte Beugesehne zu nähen. Zur damaligen Zeit waren die Ergebnisse von Beugesehnennähten in dieser Zone extrem schlecht, sodass es absolut richtig war, vor dieser Operation zu warnen.
Sterling Bunnell schrieb, dass es besser sei, die Beugesehne später zu transplantieren, als die durchtrennte Beugesehne primär zu nähen. Wie eine Studie aus dem Jahre 1955 aus Skandinavien von Hauge [3] bestätigte, hatten 98,9 % der Patienten mit Beugesehnennähten im Niemandsland schlechte Ergebnisse. Grund für die schlechten Ergebnisse waren die Verklebungen der Sehnen im engen osteofibrösen Kanal der Finger, der durch den Knochen der Fingerglieder und die Ringbänder gebildet wird. Die Sehnen mussten zwangsläufig verkleben, da die Sehnennaht grundsätzlich im Gipsverband ruhiggestellt wurde. Trotz Verwendung von äußerst stabilen Nähten (sogar Stahlnähten) kam es bei aktiven Bewegungen der Beugesehnen fast immer zu Rupturen an der Nahtstelle. Es war einer der größten Quantensprünge in der Medizingeschichte in der Chirurgie des Bewegungsapparats, als nur 12 Jahre später im Jahre 1967 Harold Kleinert (1921–2013) sein Verfahren der Nachbehandlung von Beugesehnennähten im Niemandsland mit 87 % guten und sehr guten Ergebnissen veröffentlichte [4]. Das Revolutionäre an der Nachbehandlung von Kleinert war einfach nur das passive Gleiten der Beugesehnen durch eine aktive Streckung der Finger durch die unverletzten Strecksehnen und eine passive Beugung der Finger durch Gummizügel. Die Hand befindet sich dabei in einer gebeugten Stellung zur Entlastung der Beugesehnennähte.
Das Konzept der Nachbehandlung von Beugesehnenverletzungen von Kleinert ist bei allen Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen im Wesentlichen gleich geblieben. Viele Versuche einer aktiven Nachbehandlung mit stabileren Nahttechniken (4-Strang, 6-Strang) und besseren Nahtmaterialien wurden abgebrochen, weil die Rate der Rerupturen zu stark anstieg. Ohne Zweifel ist die aktive Nachbehandlung immer noch das Ziel. Die Sehnen haben bei einer aktiven Flexion den größten Bewegungsumfang und damit die geringste Verklebungsgefahr. Bei weitem ist aber nicht jeder Patient für eine aktive Nachbehandlung geeignet, und auch bei intelligenten, kooperativen Patienten kann bei einer aktiven Beugung die Sehnennaht eher reißen, als bei einer rein passiven Bewegung. Da die Dauer einer normalen Nachbehandlung nach einer einfachen unkomplizierten Beugesehnennaht etwa 12 Wochen bis zur annähernden Vollbelastung beträgt, stellt eine Ruptur der Nahtstelle für den Patienten eine mittlere Katastrophe dar, da sich nicht nur die Dauer bis zur Vollbelastung verdoppelt oder sogar noch weiter verlängert, sondern sich auch die Ergebnisse des Revisionseingriffs deutlich verschlechtern.
Heute sind zahlreiche Details und Tricks der operativen Versorgung, aber auch der Nachbehandlung bekannt, die bei der Behandlung von Beugesehnenverletzungen beachtet werden sollten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte der Nach- und Weiterbehandlung unabhängig vom Nachbehandlungsregime herausgestellt werden:
1. Genaue Information des Patienten
Dies ist einer der wichtigsten Punkte überhaupt. Den überwiegenden Anteil der Übungen muss der Patient ohne Handtherapeuten oder Arzt durchführen. Der Patient muss daher genau darüber informiert werden, welche Bewegungen er aktiv und welche Bewegungen er passiv machen darf oder muss. Er muss über die Lagerung der Hand genauso informiert werden wie über die Kräfte bei der aktiven Bewegung und vor allem über das Bewegungsausmaß bei den passiven Übungen und die Häufigkeit der Übungen. Diese Punkte werden weiter unten detailliert erläutert.
2. Art der Schiene
Für die generell streckseitig angebrachten Schienen können verschiedene Materialien verwendet werden. Es sollten nicht zu schwere, aber trotzdem stabile Materialien verwendet werden. Hierfür eignen sich Gips, Kunststoffharz-Polyester-Schienen (Cast-Schienen), thermoplastische Schienen oder vorgefertigte einstellbare Kleinert-Schienen mit eingebauten einstellbaren Federzügen (OPED VACOhandflex). Die vorgefertigten Schienen können wesentlich schneller angelegt oder für Wundkontrollen oder spezielle handtherapeutische Übungen vorübergehend abgebaut werden.
3. Stellung der Schiene
Während der Sehnenheilung darf auf die Sehne kein übermäßiger Zug einwirken, der die Reißfestigkeit der Sehnennaht übersteigt. Auf die Sehne wirkt die größte Zugwirkung und Spannung auf die Sehnennaht bei einer Überstreckung im Handgelenk und voller Fingerstreckung. Diese Stellung muss unbedingt vermieden werden. Diese Stellung hält keine frische Sehnennaht aus. Die optimale Stellung für die Grund- und Interphalangealgelenke ist die Intrinsic-Plus-Stellung. Kann die Intrinsic-Plus-Stellung innerhalb der Schiene mehrfach am Tag eingenommen werden, so entstehen keine Kontrakturen an diesen Gelenken. Zur Entspannung der Sehnen sollte das Handgelenk in etwa 30°–45° Beugestellung eingestellt werden. Wir verwenden folgende Einstellung der Schiene: Handgelenk 30°–45° Flexion, Grundgelenke 60°–45° Flexion, Interphalangealgelenke 0°. Es ist aber auch durchaus möglich, das Handgelenk in 0° Stellung zu fixieren und dafür die Grundgelenke in 90° Beugestellung. Um Kontrakturen an den Interphalangealgelenken zu vermeiden, muss das PIP und DIP bis auf 0° streckbar sein. Bei der noch intraoperativen Anlage der Schiene kann man grob darauf achten, dass zwischen der Unterarmachse und den gestreckten Fingern ein Winkel von 90° besteht, während die Stellung der Mittelhand variabel sein kann.
4. Art und Befestigung der
dynamischen Anteile der Schiene
Die ersten Schienen hatten Gummizügel für die passive Beugung der Finger. Gummiringe oder Gummizügel haben den Nachteil, dass die Zugkraft nicht linear ist, sondern mit steigender Dehnung zunimmt. Je nach Länge der Gummizügel können dann in der maximalen Streckung enorme Kräfte entstehen, die die Streckmuskulatur aufbringen muss. Dies führt dann zur Co-Innervation der Beugemuskulatur, auf die van Alphen [5] bereits 1996 hingewiesen hat. Die gleichzeitige Innervation der Streck- und Beugemuskulatur gefährdet aber die Sehnennaht. Andererseits kann ein Gummi mit der Zeit erschlaffen und keine genügende Spannung der maximalen Beugung erzeugen. Daher sind lange Spiralfedern und Spiralwickelfedern mit einer längeren Strecke linearer Zugkraftverteilung günstiger.
Die Befestigung der Zügel am Fingerendglied ist nach wie vor ein Problem. Die eher früher angewandte Variante mit einer kräftigen Naht durch den Fingernagel und das Nagelbett ist zwar sehr stabil, stört aber viele Patienten und meist auch das Empfinden von Mikrochirurgen. Klebebefestigungen mit Pflaster oder Sekundenkleber an der Nagelplatte können sich jederzeit lösen. Eine ideale Befestigung ist noch nicht gefunden.
Auch die Ausrichtung der Zugrichtung ist wichtig. Die Finger beugen sich physiologischerweise nicht parallel, sondern zielen bei der Beugung auf eine Region im Bereich des Kahnbeins. Dies sollte bei der Ausrichtung der Zügel beachtet werden.
5. Spannung der Zügel
Um den Finger ganz beugen und voll strecken zu können, brauchen die Gummizügel oder die Federn eine gewisse Länge linearer Kraftwirkung. Die Kraft sollte so stark sein, dass der Finger voll gebeugt wird. Die Kraft muss aber auch so gering sein, dass bei der Streckung keine Co-Innervation der Beugemuskulatur auftritt. Aus den Erfahrungen und Messungen von Hintringer [6] ist eine Kraft von etwa 70 N ideal. Häufig wird aber zur vollen Beugung beim geschwollenen Finger eine leicht höhere Kraft benötigt. Die vorgefertigte OPED VACOhandflex-Schiene kann stufenlos, aber ohne Anzeige zwischen 70 N und 130 N eingestellt werden.
6. Umlenkrolle in der Hohlhand
Damit auch das Endgelenk bei den Übungen nicht vernachlässigt wird, haben Slattery und McGrouther 1984 eine Umlenkrolle des Zügels in der Hohlhand empfohlen [7]. Dadurch wird bei der passiven Beugung das Fingerendglied wie beim Faustschluss in die Hohlhand gezogen und nicht nur in Richtung Unterarm. Die Umlenkrolle sollte dabei so angebracht werden, dass die Fingerspitzen in Richtung auf die distale Hohlhandquerfuche gezogen werden können.
Wenn der Daumen betroffen ist, werden eine Umlenkrolle und eine Zügelung in komplett anderer Richtung benötigt. Der opponierte Daumen beugt sich in Richtung auf das Kleinfingergrundgelenk. Hier sollte auch etwa die Umlenkrolle für die Zügelung liegen.
7. Art und Häufigkeit der Übungen
In der klassischen Version werden die Übungen – also eine volle aktive Streckung der Finger bis zur Begrenzung durch die Schiene und eine passive Beugung der Finger durch die Gummizügel oder Federn jeweils 5–10-mal in der Stunde durchgeführt. Die einzelnen Position der Finger sollten jeweils etwa 3–5 Sekunden gehalten werden. Nachts werden die Übungen ausgesetzt. Wichtig bei diesen Übungen ist, dass der Bewegungsspielraum der Gelenke innerhalb der Schiene maximal ausgenutzt wird [8, 9]. Die End- und Mittelgelenke der Finger müssen bei diesen Übungen bis auf 0° gestreckt werden können, die Grundgelenke je nach Schieneneinstellung bis auf etwa 45° Beugestellung. Wichtiger ist bei den Grundgelenken entsprechend der Biomechanik der Gelenke die Beugung bis auf 80° oder 90°, da dann die Kollateralbänder maximal gespannt werden. Bei der Beugung der Interphalangealgelenke der Finger sollte ebenfalls eine maximale Beugung erreicht werden. Wenn die Gummizügel oder Federn dies nicht schaffen, darf durchaus mit den Fingern der anderen Hand nachgedrückt werden [10].
8. Anzahl der gezügelten Finger
Hier gibt es Kontroversen bezüglich der Anzahl der gezügelten Finger. Einige Autoren zügeln nur den betroffen Finger, einige Autoren empfehlen grundsätzlich eine Zügelung aller Finger [11]. Da die initiale und Hauptbeugung der Finger durch die tiefen Beugesehnen erfolgt und die oberflächlichen Beugesehnen nur bei großer Kraftanstrengung zugeschaltet werden, sind die tiefen Beugesehnen die entscheidenden Sehnen für die Rehabilitation. Da die tiefen Beugesehnen des Kleinfingers, des Ringfingers und des Mittelfingers eine gemeinsame Sehne und einen zusammenhängenden Muskel am Unterarm besitzen, wird beispielsweise die Beugung des Ringfingers ausgebremst, wenn Mittelfinger und Kleinfinger gestreckt bleiben. Dadurch wird der Bewegungsausschlag der Beugesehne des Ringfingers geringer und es besteht eine erhöhte Adhäsionsgefahr. Aus diesem Grund empfehlen viele Autoren und auch wir die Zügelung von mehreren Fingern. Die Regel, dass die beiden benachbarten Finger mit gezügelt werden sollten, ist ein guter und leicht verständlicher Kompromiss. Der Zeigefinger ist dagegen von der Muskulatur und den Sehnen her relativ eigenständig und kann ohne größere Bedenken auch einmal allein gezügelt werden. Dies gilt natürlich auch für den Daumen.
9. Beginn der Übungstherapie
Aus histologischen und biomechanischen Untersuchungen ist bekannt, dass ein früher Übungsbeginn vorteilhaft ist, d.h. ab dem 1.–3. Tag nach der Operation. Verklebungen der Sehnen werden vermindert, da durch die Bewegungen einwachsende Blutgefäße (extrinsische Sehnenheilung) zerrissen werden und die intrinsische Sehnenheilung dadurch gefördert wird. Außerdem wird durch eine frühe Übungsbehandlung durch die Ausrichtung und vermehrte Bildung des Kollagens eine höhere biomechanische Stabilität erreicht [12, 13, 14, 15]. Daher sollte so früh wie möglich mit der Bewegungstherapie begonnen werden.
10. Dauer der Übungsbehandlung
Die passive Übungsbehandlung kann beendet und mit aktiven Übungen begonnen werden, wenn die Sehnennaht ausreichend stabil geworden ist. Die Sehnenheilung ist aber ein komplizierter Prozess, der zeitweise auch eine Erweichung der Sehne beinhaltet. Die Primärstabilität einer modernen Sehnennaht, die je nach Nahttechnik und Nahtmaterial grob umgerechnet etwa 3 kg aushält, sinkt nach einer Woche auf etwa 1–1,5 kg. Erst danach kommt es durch den Heilungsprozess zunächst langsam, dann ab der 3. Woche zu einem schnelleren Anstieg der Festigkeit der genähten Sehne. Aber erst nach etwa 6 Wochen ist der Wert der Primärstabilität (ca. 3 kg) wieder erreicht. Die Sehnennaht ist für eine Vollbelastung nach etwa 12 Wochen geeignet, wobei etwa 70–80 % der ursprünglichen Stabilität gemeint sind. Aus diesen Gründen wird die passive Übungsbehandlung bei der klassischen Nachbehandlung über einen Zeitraum von 6 Wochen konsequent durchgeführt. In vielen Kliniken werden die Stellung des Handgelenks und der Grundgelenke nach 3 Wochen geändert, die Zügelung zur passiven Beugung der Finger bleibt aber für 6 Wochen bestehen.
Nach Abnahme der Zügelung und der Schiene werden physiotherapeutische Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit der Finger durchgeführt
11. Korrelierte und entkorrelierte
Bewegungen der Fingerbeugesehnen
Wird der Finger insgesamt gleichmäßig gestreckt und gebeugt, liegen die oberflächliche und tiefe Beugesehne immer auf gleicher Höhe nebeneinander und können nach einer Verletzung durch den Heilungsprozess mit Abbau des Blutergusses und sonstiger Umbauvorgänge sehr leicht miteinander verkleben. Dies führt zu Bewegungseinschränkungen, die vermeidbar gewesen wären. Um diese Seit-zu–Seit-Verklebungen der Beugesehnen untereinander zu verhindern, muss bei den passiven Übungsbehandlungen darauf geachtet werden, dass die Sehnen nicht parallel miteinander (korreliert), sondern auch gegeneinander oder nur einzeln bewegt werden. Dies kann erreicht werden, wenn in einer möglichen fixierten Position des Mittelgelenks isoliert nur das Endgelenk bewegt wird (tiefe Beugesehne bewegt sich gegen die fixierte oberflächliche Beugesehne) oder wenn bei fixierter Stellung des Endgelenks nur das Mittelgelenk bewegt wird (oberflächliche Beugesehne bewegt sich gegen die tiefe Beugesehne). Auch reziproke Bewegungen der Mittel- und Endgelenke (gleichzeitige Beugung des Endgelenks und Streckung des Mittelgelenks und umgekehrt) können Verwachsungen der Sehnen untereinander verhindern.
12. Bewegung des Handgelenks
während der Übungsphase
In den letzten Jahren hat sich immer mehr gezeigt, dass eine frühzeitige Beübung des Handgelenks positive Effekte hat. Während die reine passive Beugung der Finger durch Zug an der Fingerspitze mehr oder weniger zu einem „Schieben“ der distalen Beugesehnenabschnitte nach proximal führt, bewirkt die Extension des Handgelenks bei gebeugten Fingern über den Tenodeseeffekt palmar des Karpus einen kontrollierten passiven Zug am proximalen Abschnitt der Beugesehne und der Nahtregion. Daher wird nicht nur der distale Abschnitt, sondern auch der proximale Abschnitt der Beugesehne mobilisiert. Dies war in der Vergangenheit nur möglich, wenn die Hand aus der mühsam angelegten Schiene herausgenommen und anschließend wieder eingepackt wurde. Heute können thermoplastische Schienen mit gelenkartigen Verbindungen im Handgelenkbereich hergestellt werden. Auch die OPED VACOhandflex-Schiene hat ein Gelenk auf Handgelenkhöhe, das für die Mobilisation des Handgelenks innerhalb der Schiene genutzt werden kann.
13. Allgemeine Verhaltensregeln und handtherapeutische Maßnahmen
Grundsätzlich sollte der Patient die Hand so oft wie möglich hochhalten und hochlagern.
Beübung von Ellenbogen und Schultern
Lymphdrainage
Ausreichende Schmerztherapie
Nach der Entfernung des Hautnahtmaterials Narbenbehandlung
Information und Beachtung eventueller Ringbandrekonstruktionen
14. Verschiedene
Behandlungsprogramme
- a) Controlled active motion Programm nach Kleinert (1967, 1975) [4]. Entspricht etwa dem oben angeführten Protokoll
- b) Controlled passive motion Programm nach Duran und Houser (1975) [16]. Handgelenk in 20°–30° Flexion, Grundgelenke in 40°–50° Flexion, Finger werden durch Gummizügel in Beugestellung gehalten. Übungen 8–10-mal pro wacher Stunde: Isolierte passive Übungen des DIP und isolierte passive Übungen des PIP, gemeinsame passive Übungen des betroffenen Fingers. Ab der 4. Woche Ersatz der Schiene durch eine Handgelenkbandage mit Zügelung und aktiven Übungen wie bei Kleinert.
- c) Controlled passive motion Programm nach Cannon (1986) [17]. Modifiziertes Programm nach Duran-Houser. Nachts und während der Übungen werden die Zügelungen entfernt. Nachts werden die Finger in voller Streckung an die Schiene gewickelt. Nach 3 Wochen leichte aktive Flexion innerhalb der Schiene und „Place-and-hold“-Übungen in Intrinsic-minus-Stellung nach 3,5 Wochen.
- d) Controlled active and passive motion Programm nach Chow („Washington-Regime“) 1988 [18, 19]. Dies ist eine Kombination des Kleinert- und des Duran-Houser-Programms, wobei folgende Besonderheiten bestehen: An den gezügelten Fingern sind 2 Gummibänder befestigt. Ein stärkeres zur Flexion der Finger und ein lockeres für die Übungsbehandlungen. Intensives, von Woche zu Woche sich änderndes aktives und passives Behandlungsprogramm. Schienenentfernung durch den Handtherapeuten während der passiven Übungen.
- e) Behandlungsprogramm nach May, Silfverskiöld und Sollerman (1992) („Vier-Finger-Methode“). Das Handgelenk in 30°–45° Flexion, die Grundgelenke in 50°–70° Flexion. Schiene nur bis zu den PIP-Gelenken. Alle 4 Finger werden in die Zügelung mit einbezogen. Nachts wird eine palmare Sandwich-Schiene angewickelt, die die Finger in Streckstellung hält. Aktive Flexion der Finger beginnt nach 4 Wochen.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt die gemeinsame Schienenentwicklung mit der Firma OPED an, ohne finanzielle Vergütung.
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. Martin Langer
Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Westfälische Wilhelms-Universität
Waldeyerstraße 1, 48129 Münster
langer.martin@ukmuenster.de
Literatur
1. Vulpius O, Stoffel A. Vorwort zu „Orthopädische Operationslehre“ Stuttgart, Enke 1911
2. Bunnell S. Repair of tendons in the fingers and description of two new instruments. Surgery, Gynecology and Obstetrics 1918; 126: 103–110
3. Hauge MF. The results of tendon suture of the hand. A review of 500 patients. Acta Orthop Scand 1955; 24: 258–270
4. Kleinert HE, Kutz JE, Ashbell TS. Primary repair of flexor tendons in „no man´s land“ J Bone Joint Surg 1967; 49A: 577
5. Van Alphen JC, Oepkes CT, Bos KE. Activity oft he extrinsic finger flexors during mobilization in the Kleinert splint. J Hand Surg 1996; 21A: 77–84
6. Hintringer W. Persönliche Mitteilung
7. Slattery P, McGrouther D. A modified Kleinert controlled mobilization splint following flexor tendon repair. J Hand Surg 1984; 9B: 217–218
8. Gelberman RH, Botte MJ, Spiegelman JJ et al. The excursion and deformation of repaired flexor tendons treated with protected early motion. J Hand Surg 11A; 1986: 106–110
9. Wehbé MA, Hunter JM. Flexor tendon gliding in the hand. Part I: in vitro excursions. J Hand Surg 1985; 10A: 575–574
10. Breier S. Verletzungen der Beugesehnen. In: Waldner-Nilsson B (Hrsg.): Handrehabilitation Band 2; 2. Auflage; Springer 2013; S. 239–317
11. May EJ, Silfverskiöld KL, Sollerman CJ. Controlled mobilization after flexor tendon repair in zone II: a prospective comparison of three methods. J Hand Surg 1992; 17A: 942–952
12. Palmes D, Spiegel HU, Langer M et al. Achilles tendon healing: long-term biomechanical effects of postoperative mobilization and immobilization in a new mouse model. J Orthop Res. 2002: 939–46
13. Langer M. Was muss der Therapeut von der Beugesehnenchirurgie wissen? Zeitschrift für Handtherapie 2004; 7: 4–9
14. Langer M. Differentialdiagnostik von Funktionsstörungen der Beugesehnen
Chir. Praxis 2005–2006 65: 273–300
15. Langer M, Surke C, Wieskötter B. Prinzipien der Sehnenbehandlung: Beugesehnen: In: Towfigh H, Hierner R, Langer M, Friedel R: Handchirurgie, Heidelberg, Berlin: Springer Verlag 2011; Band 1, 101–138
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17. Cannon NM. Early motion programs for zone II flexor tendon repairs. In: Hand care 1986: Clinical techniques in hand rehabilitation. Hand Rehabilitation Center of Indiana, Indianapolis 1986
18. Chow JA et al. Controlled motion rehabilitation after flexor tendon repair and grafting. J Bone Joint Surg 1988; 70A; 591–595
19. Chow JA, Thomes LJ, Dovelle S et al. A combined regimen of controlled motion following flexor tendon repair in ‘No Man’s Land’. Plastic and Reconstructive Surgery, 1987; 79: 447–455
Fussnoten
1 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Münster, Sektionsleiter Handchirurgie und Mikrochirurgie, Stellvertretender Klinikdirektor